Aus Verbrauchersicht lohnt sich das Sammeln von Meilen eigentlich immer – zumindest in der Theorie. In der Praxis aber handeln wegen der Anreize wohl nur noch die wenigsten wirklich rational. Ein Plädoyer für einen realistischen Blick auf das beliebte Hobby.

Die Logik beim Meilen sammeln oder auch beim Punkte sammeln ist eigentlich ganz simpel: Man bekommt eine Rückvergütung, eine Art Geschenk, für den Kauf oder die Nutzung einer bestimmten Leistung. Die einzige Gegenleistung, die man teilweise bringen muss, sind die eigenen Daten – selbst das gilt allerdings nicht immer. Wie also kann es sein, dass sich Loyalitätsprogramme dennoch insbesondere für Firmen lohnen? Der Hintergrund ist das Rationalitätsdilemma oder auch die Rationalitätsfalle, in die wir alle immer wieder tappen.

Der fehlende Blick über den Tellerrand

Die fehlende Rationalität bei vielen Entscheidungen lässt sich schon im Alltag hervorragend beobachten. So lässt sich eine Leistung in den meisten Fällen nicht nur bei einem einzigen Anbieter beziehen, wobei es oft unterschiedliche Preise und Anreize gibt, sich für den einen oder anderen zu entscheiden. Waschmittel oder auch ein Deodorant kann man beispielsweise im Internet bestellen, im Supermarkt oder auch in einer Drogerie kaufen.

Der Traum von der First CLass verleitet zu irrationalen Entscheidungen

Wer nun ganz tief drin ist in der Welt des Meilensammelns, der wird versuchen, den Kauf bei der Drogeriekette dm, einem EDEKA-Supermarkt oder vielleicht online über Amazon zu tätigen. Warum? Weil es in allen drei Fällen die Möglichkeit gibt, Payback Punkte zu sammeln und diese später zu Miles & More umzuwandeln. Nur: Der günstigste Weg zum Kauf des jeweiligen Produktes ist wohl nur in Ausnahmefällen einer der drei genannten Anbieter.

Dieses Beispiel aus der Praxis zeigt gut, wo das Rationalitätsdilemma beim Meilen sammeln oft entsteht. Vermutlich jeder Leser von reisetopia wird es kennen: Selbst wenn es dm und Rossmann direkt nebeneinander gibt, wählt man wohl eher die erstgenannte Kette. Dass die Preise im Schnitt oft höher sind und sich über die App von Rossmann teils mehr sparen lassen würde, lässt man außen vor. Rational ist dieses Handeln nicht, weil man indirekt für die Meilen mehr bezahlt.

Die Opportunitätskosten werden ausgeblendet

Das Praxisbeispiel lässt sich dabei hervorragend fortführen, denn gerade der Begriff Opportunitätskosten spielt beim Meilen sammeln eine Rolle, die man nicht vernachlässigen sollte. Jede Entscheidung für den Kauf eines Produktes oder einer Leistung, die mit Meilen rückvergütet wird, hat in der Regel auch Opportunitätskosten. Wer sich für den Einkauf bei EDEKA entscheidet und dabei Payback-Punkte sammelt, der entscheidet sich gegen die Nutzung von Rewe Bonus, wo möglicherweise Rabatte oder eine andere Art der Rückvergütung möglich gewesen wäre.

Beim Meilen sammeln & einlösen entstehen Opportunitätskosten

Die auf den ersten Blick kostenlosen Payback-Punkte, die es für den Einkauf einfach obendrauf gibt, sind also auch in diesem Beispiel nur indirekt kostenlos. Noch greifbarer sind die Opportunitätskosten, wenn es um die bei Miles & More Meilensammlern beliebten Abonnements für Zeitungen oder Zeitschriften. Diese gibt es vielfach mit enormen Meilenboni, die im niedrigen bis hohen fünfstelligen Bereich liegen lassen. Ein Deal, der sich für diejenigen, die die Magazine auch tatsächlich lesen, im Grunde immer lohnt. Oder?

Ja, aber. Denn auch hier sind die Opportunitätskosten enorm: Vielfach lassen sich gerade Zeitschriftenabonnements auch mit einer Geldprämie abschließen. Statt 15.000 Payback-Punkten gibt es dann beispielsweise 120 Euro. Die Opportunitätskosten, sich für die Punkte zu entscheiden, liegen also bei 120 Euro. So oder so ähnlich dürfte die Rechnung mit einigen Ausnahmen meist aussehen, wenn es zumindest eine oder im besten Fall sogar mehrere Alternativen zum Kauf eines Produktes oder einer Leistung gegeben hätte.

Irrationale Entscheidungen bei der Reiseplanung

Im Alltag lässt sich das Rationalitätsdilemma fraglos auch beobachten, noch schlimmer dürfte es in einigen Fällen allerdings bei der Reiseplanung sein. Dabei dürfte sich nicht nur der Autor, sondern auch der eine oder andere Leser immer wieder finden. Entscheiden wir uns trotz eines leicht höheren Preisen nicht vielleicht doch das eine oder andere Mal für eine Airline oder ein Kettenhotel, weil wir im Gegenzug Punkte oder Meilen dafür bekommen? Lohnt sich das am Ende wirklich? Vermutlich ist uns die Antwort darauf bei der Buchungsentscheidung nicht zu 100% klar.

Rein rational? Auch bei Hotelbuchungen lassen wir uns verleiten

Sobald neben den Meilen oder Punkten als Karotte auch noch ein Status im Spiel ist, wird die Irrationalität gleich noch schlimmer. Auf einmal bucht man auch dann die passende Airline, wenn die Verbindung nicht nur teurer, sondern auch weniger praktisch ist – etwa weil sie mit einem zusätzlichen Umstieg verbunden ist. Teils werden sogar höhere Tarifklassen der Meilen gebucht, obwohl die Leistung für denselben Flug identisch ist – ein Rationalitätsdilemma par excellence.

Bei der Reiseplanung lässt sich der Blick auf die Irrationalität sogar noch weiter fortführen, denn nicht umsonst hat sich der Begriff Mileage Run in der Szene etabliert. So werden manche Reisen generell nur gebucht, um Meilen zu sammeln. Aufgrund von bestimmten Vorteilen oder Einlösungen in der Zukunft werden Flüge oder Hotels gebucht, die eigentlich gar nicht gewollt waren. Ob der zukünftige Gegenwert dafür wirklich höher ist? Das muss wohl jeder für sich selbst hinterfragen.

Ein bisschen Irrationalität kann auch erfrischend sein

Dieses Plädoyer für einen gewissen Realismus beim Meilen sammlen soll dabei allerdings nicht mit einem rein kritischen Blick schließen. Wenn ich diese Zeilen schreibe, blicke ich dabei allen voran auf mich selbst, denn ich selbst ertappe ich immer wieder dabei – trotz Expertise in den Bereichen Loyalitätsprogramme und Finanzoptimierung. Stört mich das? Ein wenig vielleicht, aber gleichzeitig finde ich eine Prise Irrationalität im Leben auch nicht schlecht. Immerhin hat mir das verrückte Hobby auch schon Unmengen außergewöhnlicher Erlebnisse beschert, die ich mir sonst vermutlich nie gegönnt hätte.

Ein bisschen Irrationalität darf beim Meilen sammeln sein

Gleichwohl ist es auch nicht so, dass es nicht auch viele Fälle gibt, in denen man tatsächlich “alles richtig” macht. Ein Beispiel ist das kostenlose Meilen sammeln mit der Payback American Express Kreditkarte – sofern man nicht den Fehler macht, die Karte außerhalb des Euro-Raums einzusetzen oder zum Geld abheben zu nutzen. Gutscheine über Payback, etwa für Ikea zu kaufen, wenn man ohnehin einen Pax-Schrank kaufen möchte, wären ein weiteres Beispiel. Oder auch das im Vergleich wirklich günstigste Produkt im Online- oder Einzelhandel mit Punkten zu kaufen.

So gilt beim Meilen sammeln aus meiner Sicht: Bitte nicht verkrampfen und sich zu viele Sorgen machen, denn ansonsten driftet man ins eine oder andere Extrem ab. Weder sollte man immer nur auf die Opportunitätskosten achten, noch sollte man sich verrückt machen, um in jedem Moment des Lebens Meilen mitzunehmen. Mit Maß und Mitte findet man in der Regel den besten Weg und hat am Ende auch am meisten Spaß – spätestens bei der nächsten Einlösung für einen tollen Flug oder in einem Luxushotel!

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Autor

Moritz hat sich über die Jahre ein enormes Wissen über Finanzprodukte, Loyalitätsprogramme und Luxusreisen angeeignet. Für Luxushotels, First Class Flüge sowie die Details von Kreditkarten, Tagesgeldkonten und mehr ist Moritz genau der richtige Ansprechpartner!

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