Ehrlicherweise erwartet man von Änderungen bei Vielfliegerprogrammen immer das Schlechteste. Bei Miles & More ist das neue Programm zum Erreichen eines Status ab 2021 sicher auch eher eine Abwertung, doch dennoch macht die Lufthansa (fast) alles richtig.

Als ich beim ersten Leak zum neuen Miles & More Programm eine Kolumne geschrieben habe, hatte ich darauf hingewiesen, dass ein umsatzbasiertes System zu primär negativen Effekten führen würde – weil ich angenommen hatte, dass die Lufthansa in diese Richtung gehen möchte. Das neue Miles & More Status-System ist eigentlich das genaue Gegenteil davon und entsprechend so genial. Aus neutraler Perspektive muss man die Macher des Programms beglückwünschen, denn die negativste Änderung wurde geschickt versteckt, während gleichzeitig die richtigen Gruppen incentiviert werden.

Miles & More vergräbt die negatives Änderung geschickt

Der Clou einer jeden Programmänderung ist es, negative Änderungen geschickt unter positiven zu verstecken. So bleibt ein positives Bild hängen, obwohl es für den Kunden eigentlich nicht besser wird. Dies ist der Lufthansa perfekt gelungen, denn die Änderungen bei Miles & More werden grundsätzlich nicht unbedingt negativ aufgenommen. Das liegt daran, dass die Zahl der notwendigen Punkte (statt Meilen) zum Erreichen eines Status insgesamt im Prinzip gleich geblieben sind – man hat sich eben schon an Abwertungen gewöhnt und ist somit schon positiv überrascht, wenn alles auf einem vergleichbaren Niveau bleibt.

Doch was dabei auf den ersten Blick sofort übersehen wird: Die Zahl der notwendigen Punkte ist im Prinzip zwar genauso wie vorher, aber nach Erreichen dieser Punkte gibt es den Status eben nur für ein Jahr statt wie bislang für zwei Jahre. Das ist sicherlich nicht für alle Gruppen relevant, denn im bisherigen “toten” Jahr hätten sich viele Vielflieger wohl so und so wieder für den Status qualifiziert, doch gerade für diejenigen, bei denen es knapp ist oder die genau auf den Status optimieren, sind die Änderungen eine Katastrophe. Es gibt sozusagen für dasselbe erreichte Ziel nur noch den hälftigen Bonus. Der Vergleich hinkt zwar, aber in Extremfällen könnte man auch sagen: Man muss mit dem neuen Programm doppelt so viele Flüge absolvieren, um einen Status zu fliegen wie zuvor.

Der verkürzte Status bei Miles & More geht in den Änderungen fast unter

Doch diese Änderung ist nicht nur elegant versteckt, sondern gleichzeitig ein Geniestreich. Das tote Jahr war bislang einer der größten Fehler des Programms, denn in dem jeweils anderen Jahr des Status (man kann sich beliebig in einem von beiden qualifizieren) gibt es im Prinzip keine direkte Incentive, um Statusmeilen bei der Lufthansa zu sammeln. Viele haben sich so für die Gutschrift in anderen Programmen oder gleich Flüge mit anderen Allianzen entschieden – oder einfach gleich auf Flüge verzichtet. All das ist zukünftig so nicht mehr möglich und auch Meilen geschickt so zu nutzen, dass man sie nur im “toten Jahr” einlöst, ist zukünftig keine Option mehr – ein genialer Schachzug von Miles & More.

Miles & More fördert die richtige Art der Optimierung

Der Begriff Optimierung oder noch schlimmer “der Optimierer” ist für Vielfliegerprogramme so etwas wie der Teufel schlechthin. Doch die Macher von Miles & More haben sehr gut verstanden, einen smarte Mittelweg zu gehen. Das neue Programm ist für diejenigen negativ, die eigentlich nicht zum Kreis der Vielflieger gehören, sich aber über möglichst günstige Wege bei Partner-Airlines oder verschiedene Mileage Runs auf niedrigem Preisniveau und ohne echten Vorteil für die Lufthansa Gruppe den Status gesichert haben. Genau das wird auch das Ziel der Umstellungen gewesen sein, denn diese Art der Optimierung kann für ein Programm nicht positiv sein. Ein paar Schlupflöcher, etwa mit der polnischen LOT, bleiben aber natürlich dennoch.

Gleichzeitig hat die Lufthansa das neue System bewusst berechenbar gemacht und damit der Optimierung eigentlich Tor und Tür geöffnet. Das klingt paradox, ist aber klug durchdacht. Es ist zukünftig im Prinzip sogar noch leichter einen Status bei Miles & More zu optimieren, allerdings sind dafür zukünftig zwingend so einige Flüge mit der Lufthansa Gruppe notwendig. Zudem werden Flüge in der Business Class auf der Langstrecke stark in der Relevanz erhöht. Gewissermaßen lädt Miles & More also neu zum Optimieren ein, aber so, dass der Kunde dabei ohne Zweifel auch Geld bei der Airline lässt – nur über Allianz-Partner geht es nämlich nicht mehr.

Die Lufthansa incentiviert geschickt Flüge mit den eigenen Airlines

Somit werden all diejenigen zu einer geschickten Optimierung eingeladen, die kein Problem damit haben einige tausend Euro bei der Lufthansa auszugeben. Sogar der Senator Status ist mit geschickter Optimierung selbst für Privat-, aber besonders für geschickte Geschäftsreisende ohne Probleme zu erreichen – deutlich leichter sogar als zuvor. Das wird so ohne Frage gewollt sein, denn damit schafft es die Lufthansa gerade diejenigen zur geschickten Planung der Reisen mit der Lufthansa Gruppe zu bringen, die eine gewisse Flexibilität mitbringen und sich sonst möglicherweise anderweitig umsehen würden. Zudem schafft die Lufthansa in einer relevanten Zielgruppe einen etwas einfach erreichbaren Status als zuvor und gewinnt so für das Vielfliegerprogramm möglicherweise Kunden, die bislang auf einen anderen Star Alliance Partner ausgewichen sind.

Treue Kunden mit viel Sitzfleisch werden hofiert

Ebenfalls gelingt es der Lufthansa mit dem neuen Programm eine Zielgruppe zu befrieden, die sich in den letzten Jahren primär geschröpft fühlte: Vielflieger ohne großes Portemonnaie oder ohne großzügige Reiserichtlinie. Besonders für diejenigen, die mehrmals im Jahr auf die Economy Class Langstrecken müssen oder echte Vielflieger in Europa mit hundert oder mehr Flügen im Jahr sind, werden zukünftig bei der Lufthansa wieder “eingeladen” zu einem Senator zu werden und sich nicht nur mit dem Frequent Traveller Status oder gleich gar keinem Status zufrieden zu geben. Prämienmeilen gibt es für diesen Kundenkreis weiterhin kaum, dafür aber deutlich einfacher einen Status.

Dieser Schritt ist auch insofern absolut klug, dass gerade zu SAS EuroBonus und United Mileage Plus viele Vielflieger abgewandert sind, die häufiger in der Economy Class auf längeren Strecken unterwegs sind und dort bereits ohne größere Probleme an einen Star Alliance Gold Status gelangen konnten. Bei Miles & More gibt es nun auch wieder die Möglichkeit, für diese Zielgruppe den Senator Status zu erreichen – das werden die Betroffenen der Lufthansa in gewissem Maße sicherlich danken. Auch Vielflieger von Eurowings können so zukünftig ein ganzes Stück einfacher zu einem Status kommen.

Vielzahler werden von Miles & More bewusst benachteiligt

Ohne einen gewissen Ärger wird Miles & More die Änderungen aber auch nicht kommunizieren können, schon wegen einer Zielgruppe: So richtig stark abgestraft werden diejenigen, die viel Geld bei der Lufthansa liegen lassen. Zukünftig ist es bei den Statusmeilen völlig egal, ob jemand für ein Business Class Ticket nur 1.000 Euro bezahlt hat und dafür im Ausland gestartet ist oder kurzfristig ein Ticket ab Frankfurt für 4.000 Euro bucht. Das klingt zwar auf den ersten Blick schreiend ungerecht, wird aber auf der anderen Seite gewissermaßen schon durch die höhere Gutschrift an Prämienmeilen ausgeglichen.

Vielzahler und First Class Reisende gehören zu den Verlierern der Änderungen

Zudem gibt es schlichtweg gute Argumente für diese Einschränkung. Auch wenn es manch einem nicht schmecken wird: In den meisten Fällen sind es eben die Arbeitgeber, die Reiserichtlinie oder auch einfach die Praktikabilität, die dazu führen, dass spontane teure Tickets gebucht werden. Die Optimierung eines Status spielt bei der Buchung von sehr teuren kurzfristigen Tickets in im Prinzip allen Klassen eigentlich keine Rolle. Natürlich gibt es dadurch so einige Verlierer und dass sind gerade auch noch diejenigen, die am meisten Geld bei der Lufthansa lassen. Doch genau das ist eben auch ein äußerst intelligenter Schritt, weil diese Zielgruppe eben nicht besonders gefördert werden muss, um einen Flug mit der Lufthansa oder präferierten Partnern zu parken.

Passend dazu wird auch darauf verzichtet, First Class Tickets übermäßig positiv zu behandeln. Der Unterschied bei den Statuspunkten von 70 zu 50 Punkten in der Business Class ist gering und spiegelt in vielen Fällen nicht die Differenz beim Preis wieder – doch auch in dieser Reiseklasse spielt die Gutschrift der Meilen für die Buchungsentscheidung wohl nur selten eine große Rolle, sodass auch hier nachvollziehbar ist, dass Vielzahler benachteiligt werden. Es wird sicherlich vielen nicht schmecken, aber auch diese Änderung von Miles & More ist nicht nur nachvollziehbar, sondern auch einfach klug.

Fazit zur überraschenden Leistung von Miles & More

Ehrlich gesagt hatte ich hinsichtlich des neuen Programms von Miles & More das Schlimmste erwartet, doch die Änderungen am Statusprogramm sind aus neutraler Perspektive betrachtet sehr intelligent und schaffen die richtige Incentivierung für Kunden. Natürlich gibt es wie bei jeder Umstellung Gewinner und Verlierer, doch die Lufthansa hat die größte negative Änderung für Kunden geschickt versteckt, sodass kaum jemand darüber spricht: Der Status ist nur noch halb so lange gültig, die Kriterien bleiben aber fast gleich. Das ist für Kunden nicht positiv, aber so geschickt verpackt, dass sich bislang kaum jemand daran zu stören scheint – zumindest das ist zweifelsfrei eine unternehmerische Leistung.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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