Werden wir wieder so reisen, wie es noch vor der Pandemie Fall war? Oder hat die Corona-Krise unser Reiseverhalten nachhaltig auf den Kopf gestellt? Diesen Fragen wollen wir uns mit Euch in der ersten pro/contra-Ausgabe stellen!
In unserer pro/contra-Serie diskutieren zwei unserer Autoren im Artikel-Format über ein bestimmtes Thema. Die Themen reichen von aktuellen bis hin zu allgemeinen, wichtigen, oder einfach interessanten Themen, die uns – und hoffentlich auch Euch – derzeit bewegen. Jeder Autor übernimmt dabei entweder den Pro- oder den Contra-Part, je nachdem, welche Seite, beziehungsweise welche Meinung vertreten wird. In dieser Ausgabe von pro/contra beschäftigen sich David und Max mit der Frage, ob das Reiseverhalten von vor der Coronavirus-Pandemie und -krise zurückkehren wird. Und wenn ja – in welcher Form. Wenn nein – was wird anders sein? Dabei wird David den Pro- und Max den Contra-Part übernehmen und entsprechend der Meinungen versuchen, diese zu stützen und zu vermitteln. Wir freuen uns auch auf Eure Meinung – seht Ihr eine Rückkehr zum normalen Reiseverhalten? Diskutiert gern mit uns mit!
Pro: Sommer 2020 mit ersten Anzeichen der Erholung
Langfristig bin ich der Meinung, dass das ursprüngliche Reiseverhalten von vor der Krise zurückkommen wird. Denn schon jetzt (Stand: 7. Juni 2021) sind 20 Prozent der deutschen Bevölkerung vollständig geimpft und erhalten damit auch in vielen Destinationen ihre Reisefreiheit, zurück. Dies sorgt für eine einfachere Reise, da dann nicht mehr kostenpflichtige PCR-Tests oder eine Quarantäne notwendig sind. Auch soll der europäische Impfpass noch vor den Sommerferien fertig werden, wodurch wir schon bald zumindest in der EU einfacher reisen könnten. Dass diese neuen Freiheiten dann auch von den Reisenden genutzt werden, ist gar nicht unwahrscheinlich, denn in einer Online-Umfrage haben 60 Prozent der Befragten angegeben, nach der COVID-19-Impfung wieder ins Ausland reisen zu wollen.
Es hat durchaus einen Grund, weswegen Teile der Reisebranche vor der Pandemie mit einem möglichst günstigen Preis geworben haben. Klar sind diese derart günstigen Preise aufgrund der Krise die Seltenheit geworden, aber sobald eine Herdenimmunität eintreten sollte und dementsprechend das Reisen wieder mehr Fahrt aufnimmt, könnte das ursprüngliche Reiseverhalten nach und nach zurückkommen. Für mich wäre deswegen denkbar, dass die Billigflugpreise von Ryanair und Co. auch nach der Krise weiterhin bestehen.
Ein gutes Beispiel zeigte sich im letzten Sommer: Zwischen dem 17. und dem 22. Juli 2020 haben die Low-Cost-Carrier etwa 5.000 Flüge angeboten. Zwar war dies immer noch weit unter den Flügen zu normalen Bedingungen (normal wären in diesem Zeitraum rund 14.000 Flüge), allerdings haben die normalen Netzwerk-Carrier zur gleichen Zeit nur rund 4.000 Flüge angeboten. Dies zeigt, dass die Billigflieger mit den Niedrigpreisen ihre Kunden gut locken können und somit ggf. sogar das Fluggeschehen wieder schneller hochfahren können. Auch der Anspruch auf Flexibilität ist zwar momentan gefragter denn je, allerdings bin ich mir nicht wirklich sicher, ob das nach einer gewissen Zeit der Normalität wirklich noch relevant sein wird. Schließlich wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, an dem sich Einreisebedingungen irgendwann nicht mehr unvorhergesehen ändern und man keine Angst mehr vor einer nächsten Welle haben muss.
Besonders habe es im Sommer 2020 gespürt, als Corona aufgrund von niedrigen Inzidenzzahlen zu kaum mehr Einschränkungen führte. Schon zu dieser Zeit war der Urlaub im Ausland wieder gefragt und wurde dementsprechend auch von vielen wahrgenommen. Jedoch wurde der Deutschland-Urlaub in Zeiten von Corona ebenso zum Renner. Doch auch, wenn unser eigenes Land sehr schön ist und sich hervorragend zum Urlaub machen eignet, denke ich, dass sich langfristig der Fokus wieder deutlich mehr auf Mittelstrecken- und Fernreisen legen wird. Nicht nur, da dann die meisten Menschen den Urlaub im eigenen Land ’satthaben’ werden, sondern auch, weil Deutsche ja schon immer weiter wegwollten und das für viele selbstverständlich ist. Zumindest für dieses Jahr haben in einer weiteren Online-Umfrage rund 34 Prozent der Befragten, Deutschland als geplantes Reiseziel, immerhin 32,2 Prozent Europa und nur 12,2 Prozent ein Fernreiseziel angegeben. Damit ist der Trend erstmal rückläufig, denn im Jahr 2020 stand eine geplante Fernreise noch eher im Raum. Klar gibt es noch keine Umfrage für das kommende Jahr 2022, wodurch man nur spekulieren kann. Jedoch gehe ich trotzdem davon aus, dass Fernreisen bei Öffnung der Grenzen wieder eine deutlich größere Rolle einnehmen werden – auch, wenn die Erholung schleppend vorangehen könnte.
Zusätzlich dazu denke ich, dass Geschäftsreisen sich langfristig ebenfalls nicht grundlegend verändern werden. Zwar haben zu Beginn der Krise viele Unternehmen auf das Homeoffice und Video-Telefonate umstellen müssen, allerdings hat das auch gezeigt, dass der persönliche Kontakt wichtig ist, womit das zumindest langfristig wieder vermehrt eine Rolle spielen könnte. So glaube ich – ähnlich, wie Guillaume Faury (CEO von Airbus), dass Geschäftsreisen in der Zukunft wieder mehr an Bedeutung gewinnen.
Natürlich handelt es sich hierbei um Vermutungen und meine ganz eigene Meinung. Sicherlich denken einige, dass es zu optimistisch gedacht ist, jedoch glaube ich nicht, dass sich in unser gesamtes Verhalten nachhaltig verändern wird. Corona hat sicherlich viele unserer Pläne durcheinander geworfen, die man dann auch irgendwann wieder nachholen wird. Gerade das Thema Flexibilität dürfte dann bei zunehmender Sicherheit nicht mehr eine allzu große Rolle spielen.
Contra: Airlines stellen sich auf neues Reiseverhalten ein
Im Gegensatz zu David, halte ich es für unwahrscheinlich, dass das Reiseverhalten von vor der Krise wieder im selben Maße zurückkehren wird. Zumindest würde das ein paar Jahre dauern, womit sich das generelle Reiseverhalten verändert haben dürfte. In manchen Bereichen wird dies sicherlich deutlicher sichtbar sein, als in anderen. Mit Letzterem beziehe ich mich in erster Linie auf die Flexibilität – etwa in Form kulanter Tarifregeln in Bezug auf Storno- und Umbuchungsgebühren –, die zur Hochzeit der Krise plötzlich den wichtigsten Aspekt eines Flug- und Zugtickets ausmachte. Und genau diese Flexibilität, wenngleich sie bei vielen Airlines nur temporär ist, werden viele Reisende nicht mehr missen wollen. Sei es aus Sorge um eine weitere Ausnahmesituation, oder einfach die Vorteile, die eine solche Flexibilität und ihre Möglichkeiten mit sich bringt.
Eine der Kernfragen wird dabei natürlich sein, was sich besonders die Fluggesellschaften das in Zukunft kosten lassen werden. Die Lufthansa etwa hat bereits neue Tarife für die Langstrecke angekündigt, die zwar auch wieder den bekannten Light-Tarif mit sich bringen, jedoch nun insgesamt vier Tarifoptionen bieten, die mit unterschiedlichen Umbuchungs- und Stornierungsmöglichkeiten daherkommen. Allgemein ist deutlich zu erkennen, dass die Unternehmen der Reisebranche auf den potenziellen größeren Wunsch zu mehr Flexibilität ihrer Kunden reagieren. Ob in Form neuer Tarifstrukturen, oder weiterhin der Verlängerung der kulanten Umbuchungs- und Storno-Optionen, zumeist unabhängig des gebuchten Tarifs.
Befragungen können natürlich immer Meinungen und Ansichten stützen, allerdings zeigen diese auch immer nur einen kleinen Bruchteil auf. Zudem ist es keine Garantie, dass die Menschen auch nach ihren Aussagen handeln. Selbst wenn das Reiseverhalten von vor der Krise zumindest in einem ähnlichen Maße zurückkehren wird, werden es sich viele Buchende wahrscheinlich zweimal überlegen, ob es tatsächlich dieses Ziel, diese Airline, diese Reiseklasse und Buchungsklasse, dieses Hotel etc. sein soll – gerade mit „Blick zurück“ auf die Pandemie. Die Anforderungen sind dann andere. Flexibilität ist dabei nur ein Punkt von vielen, hinzu kommen Dinge wie Hygiene, Sicherheit und mehr. Zudem wird es für viele Deutsche nach der Krise erst einmal andere Prioritäten geben, als das Reisen.
Auch bei den Geschäftsreisenden bin ich ähnlich pessimistisch wie die Airlines. Klar dürfte der persönliche (Kunden-)Kontakt immer noch wichtig sein, aber viele Unternehmen haben inzwischen bemerkt, welche Vorteile online abgehaltene Sitzungen und Gespräche bringen können, ganz zu schweigen von den finanziellen Ersparnissen. Geschäftsreisen werden wieder mehr werden, aber auch hier bezweifle ich ganz stark, dass diese dasselbe Niveau wie vor der Krise erreichen werden. Das Digitale wird immer leichter, schneller und verlässlicher – das spielt den Airlines ganz sicher nicht in die Karten, auch ganz unabhängig von der Pandemie. Diese hat den Prozess womöglich lediglich beschleunigt.
Natürlich kann ich meine Annahme (noch) nicht anhand von vielen Zahlen belegen, außer beispielsweise an einer Umfrage des Bayerischen Zentrums für Tourismus, wonach 31 Prozent der Deutschen es ähnlich wie ich sehen. Aber wie bereits erwähnt, ist das so eine Sache mit den Umfragen. Dennoch sehe ich es etwa vermehrt in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis, dass Flexibilität höher gefragt ist, denn je. Und Corona hat nun mal deutlich gezeigt, wie wichtig eine solche Flexibilität sein kann. Das heißt natürlich nicht, dass die günstigsten und eingeschränktesten Tarife nun Geschichte sein werden. Geschweige denn, dass jene meist als „Light“-Tarife bezeichnete Optionen nun mit mehr Flexibilität daherkommen werden. Dennoch bin ich mir sicher, dass mehr Menschen künftig lieber den ein oder anderen Euro mehr bezahlen werden, wenn dadurch die Möglichkeiten zur einfachen, günstigen oder gar kostenlosen Umbuchung oder Stornierung gegeben ist.
Fazit zum kommenden möglichen Reiseverhalten
Ob das Reiseverhalten von vor der Krise zurückkehren wird, ist „von außen“ natürlich nur schwer zu beurteilen und muss schlicht beobachten werden. Dennoch gibt es gewisse Anzeichen, die so oder so gedeutet werden können. Vielleicht werden wir künftig aber auch lediglich einen Mix aus Reisenden erleben, von denen ein Teil Wert auf mehr Flexibilität legt und der andere Teil weiterhin so – teils eingeschränkt – reisen wird, wie schon vor der Krise. Am Ende ist die Entwicklung von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, die nicht alle etwas mit der Pandemie zu tun haben, oder zu tun haben werden.
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