Die Lufthansa möchte Statusmeilen abschaffen und stattdessen auf ein neues und einfaches System setzen – man kann sich denken, dass es dabei um ein umsatzbasiertes System geht. Ist dies ein Schritt in die richtige Richtung und schafft er die richtigen Anreize?

Das Thema Vielflieger-Status bewegt auch hier auf reisetopia immer wieder die Gemüter. Man könnte auch sagen: Egal welches System gilt, irgendwer fühlt sich immer benachteiligt. Die Diskussion geht dabei immer wieder auch darum, was Treue denn genau bedeutet und welche Rolle Geld spielt. Während die meisten Programme der Star Alliance früher eher wenig Wert auf Umsatz und stattdessen primär auf die Zahl der Flüge sowie die Zahl der geflogenen Meilen gelegt haben, deutet sich seit Jahren ein immer größerer Wandel an. Nun könnte es zu einer kompletten Trendwende kommen.

Umsatz ist der grundlegend richtige Indikator für Vorteile

Die Logik ist an sich bestechend einfach: Wenn ein Kunde bei einer Firma viel Geld ausgibt, dann bekommt er dafür Vorteile. Die Vorteile wiederum kosten grundsätzlich auch Geld, sodass es sich im Umkehrschluss eigentlich um eine Art Rabattprogramm handelt. Wer beispielsweise 10.000 Euro bei einer Fluggesellschaft ausgibt, der erhält dafür durch Lounge-Zugang, Fast Lane & Co Vorteile in einem Gegenwert von 1.000 Euro – das wäre ein Rabatt von insgesamt zehn Prozent. Aktuell ist die Situation allerdings so, dass man etwa den Senator Status oder den äquivalenten Star Alliance Gold Status für ganz unterschiedliche Summen bekommen kann.

Auf den ersten Blick wird dabei sehr schnell klar: Dass jemand für Ausgaben von gerade einmal 2.000 Euro dieselben Vorteile erhält wie jemand, der 20.000 Euro ausgibt, ist nicht fair. Das ist durchaus nachvollziehbar, zumal sich das System noch weiter ad absurdum führen lässt: Selbst wenn man im Jahr bei einer Fluggesellschaft, sagen wir der Lufthansa, nicht mehr als wenige hundert Euro, kann man von den Vorteilen im Wert von mehreren hundert Euro profiteren. Dies funktioniert, wenn man die bezahlten Meilen einfach nur bei Partner-Fluggesellschaften sammelt und dann bei besonders günstigen Tickets bei der Lufthansa von den Vorteilen eines Vielflieger-Status profitiert.

Es ist also komplett nachvollziehbar, dass ein System das auf den Umsatz eines Kunden abstellt, eigentlich die faire Regelung wäre – besonders mit einem starken Fokus auf Umsätze bei der eigenen Unternehmensgruppe statt bei einer Allianz. So würde man sicherstellen, dass die Kunden, die am meisten ausgeben und damit der Firma auch am meisten Gewinn bringen, auch die meisten Vorteile bekommen. Davon profitiert das Unternehmen auf der einen Seite und der Kunde auf der anderen Seite. Besonders diejenigen, die viel ausgeben, fühlen sich dadurch fair behandelt. Die daraus folgende Logik könnte die folgende sein: Diejenigen, die sowieso schon viel Geld bei einer Airline ausgeben, geben zukünftig noch mehr bei dieser aus, um von einem Plus an Vorteilen zu profitieren.

Hohe Ausgaben stehen mit Loyalität nicht zwingend in Zusammenhang

Das Problem dieser Logik ist allerdings eine andere, denn man kann einen Aspekt komplett in Frage stellen: Wird wirklich mehr Geld ausgegeben, wenn dem größere Vorteile entgegenstehen? Besonders viel Geld für Flugtickets geben besonders zwei Typen an Reisenden aus:

  • Reiche Privatreisende
  • Firmen und Geschäftsleute

Kommt es auf das Geld nicht an, wählt man üblicherweise den Flug, der den meisten Komfort verspricht – üblicherweise ist das entweder ein Direktflug oder das beste Bordprodukt. Dass jemand nur wegen einem kleinen zusätzlichen Plus an Vorteilen bei zukünftigen Flügen eine bestimmte Airline wählt, kann man zumindest in Frage stellen. Und wer sowieso eine enge Beziehung zu einer Airline hat, der bucht diese vermutlich sowieso präferiert – egal ob es dafür dann am Ende noch einmal etwas mehr Vorteile gibt oder nicht. Zumal ab einem gewissen Umsatz zusätzliche Vorteile sowieso nicht mehr existieren, denn wer sowieso mehrmals im Jahr in der First Class oder mit teuren Business Class Tickets fliegt, kommt unabhängig vom System sowieso schnell auf den höchsten Status.

Dasselbe “Problem” gibt es auch bei Firmen und Geschäftsleuten, denn auf der einen Seite haben hier Mitarbeiter nicht einmal unbedingt die Möglichkeit die Wahl der Fluggesellschaft zu beeinflussen. Zum anderen wird eine Firma oder auch ein Selbstständiger üblicherweise den Flug wählen, der entweder am besten zum Terminkalender passt oder der preislich am attraktivsten ist. Dass eine Firma etwa bei einem spontanen Business Class Ticket mit einem Preis von 5.000 Euro wegen der Loyalität eine bestimme Airline bucht, ist insgesamt doch eher unwahrscheinlich, wenn die Preise oder der Komfort weiter auseinander gehen. Dazu kommt auch hier das Problem, dass diejenigen mit dem höchsten Umsatz bei einer Fluggesellschaft sowieso schon automatisch zum Status kommen – unabhängig vom System.

Heißt das, dass eine Incentivierung von mehr Umsatz gar nichts bringt? Sicherlich nicht, aber bei den wichtigsten Firmen- und Privatkunden würde ein neues System vermutlich nicht unbedingt dazu führen, dass die Umsätze am Ende wirklich signifikant steigen. Bei den echten “High Spendern” ist ein Vielflieger-Status primär ein nettes Beiwerk und in den seltensten Fällen der entscheidende Faktor für die Buchung eines bestimmten Fluges.

Unfaire Statusprogramme schaffen einen neuen Kundenkreis

Daraus entsteht am Ende ein Kuriosum, das gewissermaßen auch zur ursprünglichen Existenz von reisetopia geführt hat. Gerade dadurch, dass Statusprogramme nicht fair sind und diejenigen profitieren können, die das System nutzen, gewinnt ein Programm mehr Kunden und damit auch das Unternehmen deutlich mehr Umsatz. Klingt verrückt? Ist es aber nicht, denn eine Anreizstruktur auch für diejenigen, die eigentlich nicht zur “durchlauchten” Gruppe der absoluten Vielflieger zählen, sorgt es dafür, dass diese sich für das Thema interessieren. Dadurch werden wiederum viele Flüge gebucht, die im Umkehrschluss ein Mehr an Umsatz für die Fluggesellschaften bedeuten. Dabei geht es gar nicht einmal um unnötige Flüge im Rahmen von Mileage Runs, sondern eine Verschiebung des Buchungsverhaltens.

Ein Beispiel: Als ich im Studium war, hatte ich auf vielen Strecken, die ich geflogen bin, die Wahl zwischen verschiedenen Fluggesellschaften – entschieden habe ich bei einem gleichen oder ähnlichen Preis immer für airberlin. Der Grund dafür: Mit vergleichsweise geringen Umsätzen konnte ich einen Status erreichen. Dasselbe habe ich später beispielsweise auch bei der Star Alliance gemacht, denn noch heute präferiere ich bei offensichtlich gleichem Preis und gleichem Komfort einen Flug mit der Star Alliance, weil ich entweder einen Status habe und von den Vorteilen profitiere oder einen Status re-qualifizieren können. Wenn ich ganz ehrlich bin geht die Loyalität sogar noch weiter: Ich würde sogar ein bisschen mehr bezahlen und gegebenenfalls einen zusätzlichen Stop nehmen, um mit der Star Alliance zu fliegen.

Ich könnte zahlreiche weitere Beispiele von Kunden aufzählen, die nicht bereit sind, 10.000 oder 20.000 Euro im Jahr für einen attraktiven Status auszugeben, sehr wohl aber 5.000 Euro. Würde dies nicht mehr funktionieren, würde die gesamte Loyalität dieses Kundenkreises verlieren gehen – es hat eben einen Grund, dass “langweilige” und “statische” Vielfliegerprogramme wie der Eurowings Boomerang Club von kaum einem Kunden genutzt werden. Am Ende stellt sich bei einer Umstellung auf ein wirklich “faires” Loyalitätsprogramm also die Frage: Ist die Ersparnis durch nicht gewährte Vorteile wirklich größer als der Verlust der Loyalität von “B-Kunden”?

Fluggesellschaften gewinnen keine jungen Vielflieger mehr

Die Problematik dieses Punktes geht aber sogar noch weiter. Um es überspitzt zu formulieren: Sind die Einstiegshürden für einen Status zu groß, stirbt irgendwann der Nachwuchs aus. Die Suchtgefahr von Loyalität und den damit einhergehenden Vorteilen ist unbestritten. Wir selbst bei reisetopia und auch viele unserer Leser haben dahingehend eine vergleichbare “Suchtgeschichte”. Wir haben einmal erkannt, dass man durch die Ausnutzung von Loyalitätsprogrammen mit der Investition von mehr Zeit und weniger Geld als anderen Mitgliedern der Loyalitätsprogramme dieselben Vorteilen bekommen kann. Gerade als Student ist das ein wahnsinnig reizvoller Weg, um die Welt zu sehen.

Wenn es diesen Weg irgendwann nicht mehr gibt und ein Status von Anfang an zu weit weg ist, fehlt irgendwann der Nachwuchs für ein Programm. Dabei sollte man immer auch nicht vergessen: Nur weil ein Kunde einmal ein “schlechter” ist (ergo: Wenig Geld ausgibt und viele Vorteile nutzt), heißt das noch lange nicht, dass es so bleiben muss. Auch hier bin ich wieder das perfekte Negativ-Beispiel für funktionierende Beeinflussung des Buchungsverhaltens. Noch während meines Studiums habe ich mir durch einen Status Match den Hilton Gold Status und später den Hilton Diamond Status gesichert – damals hatte ich gerade einmal zehn Übernachtungen bei Hilton im Jahr und habe überproportional profitiert. Hilton hat damals mit mir sicherlich nicht wirklich viel Gewinn gemacht. Und heute?

In diesem Jahr komme ich auf über 70 Nächte bei Hilton, darunter in zahlreichen teuren Marken der Kette und dass auch von Zeit zu Zeit an teuren Daten – bei einem Mix an privaten und geschäftlichen Aufenthalten. Hätte mich Hilton vor einigen Jahren nicht dadurch als Kunde gewonnen, weil ich damals “zu einfach” und “zu billig” an einen Status gekommen bin, wäre ich heute vermutlich kein loyaler Hilton-Kunden, der Jahr für Jahr eine fünfstellige Summe bei der Kette ausgibt. Um ganz ehrlich zu sein: Mir gefallen Hyatt Hotels sogar besser. Diese Analogie kann man perfekt auf Fluggesellschaften übertragen, denn wenn der Einstieg fehlt, dann entsteht gar nicht erst der Vielflieger von morgen.

Fazit zu den Folgen einer Umstellung von Vielfliegerprogrammen

Ich verstehe Fluggesellschaften voll und ganz, wenn es um die Umstellung auf ein umsatzbasiertes System geht. Ein solches ist auf den ersten Blick deutlich fairer und sinnvoller. Doch dabei sollte man eben nicht übersehen: Fairness sorgt nicht für überbordende Loyalität, sondern eher dafür, dass nur noch ein Kundenkreis bedient wird. Auch wenn dieser dem Unternehmen sicherlich mehr Umsatz bringt, stellt sich die Frage: Bringen diese Kunden am Ende mehr zusätzliches Geld als die Firma durch den Verlust der anderen Kunden verliert? Gerade dies würde ich in Frage stellen – besonders langfristig, wenn man den Effekt der wegbleibenden “Jugend” bedenkt.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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