Die EU-Kommission hat mit dem “Fit for 55”-Programm neue Klimaregularien vorgestellt. Die Lufthansa und andere europäische Airlines fürchten nun Wettbewerbsnachteile.

Trotz der allgegenwärtigen Corona-Pandemie hat das Thema Klimawandel nicht an Wichtigkeit verloren. Ganz im Gegenteil: Die EU-Kommission hat ihre Klimaziele neu bewertet und neue Maßnahmen im Rahmen des Programms “Fit for 55” vorgestellt. Damit wird auch die Wirtschaft aufgefordert sich noch nachhaltiger aufzustellen und auszurichten. Europäische Fluggesellschaften, allen voran die Lufthansa, sorgen sich nun um weitreichende Wettbewerbsnachteile gegenüber Nicht-EU-Airlines ausgesetzt, wie unter anderem Aero berichtet.

EU-Kommission mit neuen Zielen bis 2030

Immer wieder drängen Klimaexperten auf eine Neubewertung der Klimaziele. Die aktuellen werden zumeist als unzureichend eingeschätzt. Dem hat sich die EU-Kommission nun erneut angenommen und die “Fit for 55“-Maßnahmen vorgestellt. Dabei geht es ganz allgemein gehalten um die Reduzierung der Treibhausemissionen um 55 Prozent bis 2030. Das neue Programm umfasst insgesamt zwölf Gesetzesvorschläge, die vor allem auch die europäische Wirtschaft in allen Zweigen zu massiven Änderungen anregt. Damit soll auch der CO2-Preis erhöht, höhere Energiesteuern und neue Standards bei der Neuzulassung von Fahrzeugen eingeführt werden.

Diese Änderungen wird auch die Airline-Branche zu spüren bekommen müssen. Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa Group, wird ohnehin nicht müde zu sagen, dass der Wettbewerb vor allem auf dem deutschen Markt enorm sei. Davon abgesehen hat aber die Corona-Pandemie die gesamte Branche in eine tiefe Krise gestürzt, die auch eine Lufthansa nur mit Milliardenhilfen von Außen auffangen kann. Trotz steigender Buchungszahlen in den aktuellen Sommermonaten wird es für alle beteiligten Unternehmen ein langer Weg raus aus der Krise sein. Auch deshalb fürchten europäische Airlines das neue Klimaprogramm der EU-Kommission.

Berechtigte Sorgen?

In Bezug auf den Luftverkehr soll im “Fit for 55”-Programm der Emissionshandel mit höheren CO2-Preisen belastet werden sowie eine erhöhte Kerosinsteuer für innereuropäische Flüge enthalten sein. Darüber hinaus soll eine neue, schnell steigende Beimischungsquote für die teureren, nachhaltigen Flugkraftstoffe, den sogenannten Sustainable Aviation Fuels SAF, Teil des Maßnahmenpakets sein. Für die Lufthansa Group könnte dies perspektivisch jährliche Belastungen zwischen ein und zwei Milliarden Euro bedeuten, laut Konzern.

Zudem bestünde die Gefahr, dass konkurrierende Airlines vom arabischen Golf, aus der Türkei oder Russland die EU begrenzten Regelungen leicht umgehen können, was zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil seitens der Lufthansa und allen anderen europäischen Netzwerkfluggesellschaften führen könnte. Deshalb reagierten der Flughafenverband ADV und die Lufthansa umgehend auf das gestern vorgestellte Klimapaket mit Forderungen, dass nicht nur europäische Fluggesellschaften die zusätzlichen finanziellen Lasten tragen dürfen. Außerdem drohten zusätzliche CO2-Emissionen, wenn Umsteigeflüge auf außereuropäische Drehkreuze verlagert werden.

Verlagerung des Problems nach draußen?

Nach Ansicht der Lufthansa und vieler Experten würde mit dem EU-Klimapaket das Problem nur nach draußen verlagert werden. Die Kranich-Airline fordert Ausgleichsinstrumente, um den fairen Wettbewerb zu gewährleisten, während andere zu Vorsicht mahnen, dass CO2-lastige Produktionen einfach über die EU-Außengrenze verlagert werden würden. Selbiges könnte mit Zubringerflügen geschehen, sollten die CO2-Preise bei Tickets europäischer Airlines teurer werden. Passagiere könnten dann zukünftig beispielsweise vermehrt den Weg über die Türkei wählen.

Das würde auch bei einer Mindestquote von SAF gelten. Viele Fluggesellschaften und Beteiligte der Branche testen bereits verschiedene alternative Kraftstoffe, der Fortschritt hält sich jedoch in Grenzen. Das liegt auch an den hohen Kosten und den bisher fehlenden Quoten für SAF – so auch zuletzt von der Lufthansa kritisiert. Sollten die neuen Regeln jedoch nur für europäische Fluggesellschaften gelten, hätten Fluggesellschaften “von außerhalb” auch hier einen klaren Wettbewerbsvorteil. Deshalb fordern Experten Investition in neue Technologien, anstatt Fluggesellschaften und Passagiere mit höheren Preisen zu bestrafen.

Der Wille ist da – die Bedingungen nicht

Immerhin sieht das neue Klimapaket der EU-Kommission auch hier Änderungen vor! Kerosinhersteller sollen ab 2025 zwei Prozent, ab 2030 fünf Prozent und ab 2050 dann 63 Prozent SAF dem Treibstoff beimischen. Für E-Kerosin sind zwar bestimmte Quoten geplant, jedoch noch nicht genau definiert. Hierzulande haben Bund und Länder bereits mit der Airline-Branche verbindliche Ziele bis 2030 vereinbart. Diese sehen vor, dass bis 2030 mindestens 200.000 Tonnen alternativer Kraftstoffe eingesetzt werden müssen. Das entspricht jedoch lediglich zwei Prozent des gesamten Verbrauchs aller in Deutschland startenden Flugzeuge.

Hersteller für SAF gibt es bereits auf dem Markt, quer über die Welt verstreut. Die Produktionskapazitäten dafür sind jedoch noch nicht ausreichend vorhanden. Sollte hier also nicht schon bald nachgesteuert werden, sehen sich europäische Fluggesellschaften höheren Kerosinsteuern und CO2-Preisen zwangsläufig ausgesetzt, trotz ihrer Bemühungen. Nach aktuellem Stand müssen diese jedoch lediglich von europäischen Fluggesellschaften geleistet werden. Airlines außerhalb der Europäischen Union erhalten damit den klaren Vorteil, den viele Airlines befürchten.

Fazit zum neuen EU-Klimapaket

Abgesehen vom Corona-Virus dürfte der Klimawandel die wohl größte Herausforderung der aktuellen Zeit sein. Vielen Beteiligten, Experten und Politikern ist bewusst, dass die Ziele verschärft werden müssen, um massive Folgen für spätere Generationen zu vermeiden. Das EU-Klimapaket verfolgt ein gutes und berechtigtes Ziel, an der Umsetzung vor allem im Reiseverkehr hapert es jedoch massiv. Europäische Airlines befürchten berechtigterweise einen massiven Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Airlines. Eine Mindestquote für SAF bringt wenig, wenn die Produktionskapazitäten nicht vorhanden sind. Höhere Ticketpreise wegen gestiegener CO2-Preise und Kerosinsteuern sind ebenfalls wenig hilfreich, wenn Passagiere einfach den Umweg über das nicht-europäische Ausland wählen.

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Autor

Alexander Fink ist als Content Editor seit Januar 2021 für reisetopia tätig. Zuvor war er als Account Manager in der Industrie beruflich unterwegs und schrieb von seinen Reiseerfahrungen im eigenen Blog. Heute ist er Euer Ansprechpartner für alle Airline- und Kreditkartenthemen.

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