In der aktuellen Zeit sind Hygienemaßnahmen und Kontaktreduzierung so wichtig wie nie – doch Fluggesellschaften nutzen die Gunst der Stunde, um beim Catering zu sparen. Ein Trauerspiel.
In den letzten Monaten waren Flugreisen kaum möglich und zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus absolut nicht ratsam. Langsam allerdings wendet sich das Blatt mitsamt der zurückgehenden Fallzahlen. Die Fluggesellschaften haben darauf mit einem stark vergrößerten Angebot reagiert und wollen Passagiere wieder in den Urlaub bringen. Alles wie immer? Fast alles, denn beim Catering setzen Lufthansa & Co den Rotstift an, ohne dabei aber nachvollziehbar zu agieren. Dabei wäre genau das möglich, denn zumindest in aktuellen Zeiten braucht niemand wirklich eine Verpflegung auf kurzen Flügen.
Weniger Kontakt scheint nur in der Economy Class gefragt zu sein
Was die Lufthansa und ihre Tochter Swiss als sogenannte Hygienemaßnahmen vorgestellt haben, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Es gibt viele nachvollziehbare Maßnahmen, etwa eine Maskenpflicht (oder ein Gebot bei der Swiss) oder Abstandsregeln beim Boarding. Auch gewisse Einschränkungen beim Bordservice, ein Verzicht auf Magazine oder eine gründlichere Reinigung sind gute Ansätze. Dass man zudem darüber nachdenkt, den Kontakt zu reduzieren, etwa durch einen besseren Boarding-Prozess, einen Verzicht auf Bus-Boarding und ähnliche Maßnahmen, ist gut und sinnvoll. Eigentlich würde das auch für Einschränkungen beim Catering gelten, eigentlich.
Die Lufthansa und ihre Premium-Tochter interpretieren Hygienemaßnahmen beim Catering primär mit Blick auf die Kosten. Wie sonst ist zu verstehen, dass Passagiere in der Economy Class auf besonders kurzen Flügen bei der Lufthansa nicht einmal eine Flasche Wasser in die Hand gedrückt (man könnte sie auch einfach auf den Sitz legen) bekommen, in der Business Class aber ein Tablett mit Speisen sowie ein normaler Getränkeservice geboten wird? Die einzige Logik dahinter ist der höhere Preis, den Passagiere “vor dem Vorhang” bezahlen, denn weniger groß ist die Ansteckungsgefahr wohl besonders bei kosmopolitanen Geschäftsleuten in der Business Class statistisch sicher nicht.
Bezahltes Essen ist weniger ansteckend als kostenfreie Mahlzeiten
Die Ironie der eingeführten “Hygienemaßnahmen” beim Catering geht aber noch weiter, denn die Lufthansa konnte sich scheinbar nicht einmal mit ihrer Tochter Swiss abstimmen, was das Catering-Konzept angeht. Wer etwa von Zürich nach Frankfurt fliegt, der bekommt bei der Lufthansa eine Flasche Wasser und bei der Swiss eine volle Getränkerunde. Eine Packung Nüsse oder einen anderen Snack gibt es bei beiden Airlines nicht. Wer allerdings schon einmal geflogen ist, wird sich fragen, warum das Austeilen von einer Packung Nüsse (auch diese könnte man übrigens auf den Sitz legen) eine größere Ansteckungsgefahr bedeuten soll als eine Getränkerunde mit Tomatensaft, offenem Ausschank und einer längeren Konversation.
Bei der Swiss werfen die Neuregelungen aber generell ein paar mehr Fragen auf, denn im Sinne einer perfekten Abstimmung hat man selbst ab Genf und Zürich jeweils abweichende Regelungen. Ab Zürich, hier war eine Verpflegung in der Economy Class bislang kostenfrei, fallen Mahlzeiten bis 170 Minuten Flugzeit (und damit auf fast alle Flügen innerhalb von Europa) weg. Ab Genf, wo die Verpflegung seit einiger Zeit kostet, bleibt der Bordverkauf allerdings erhalten, wenn auch mit kleinerem Angebot. Auch hier wird die Logik schnell klar: Bezahltes Essen aus dem Bordverkauf mit deutlich mehr Kontakt zum Swiss-Mitarbeiter ist selbstredend weniger gefährlich als eine kostenfrei ausgeteilte Packung Nüsse.
Ehrlichkeit und ein nachvollziehbares Konzept wären wichtig
Was die Lufthansa und die Swiss falsch machen, ist die wenig ehrliche Kommunikation mit dem Kunden. Das war schon beim Blick auf die Erstattungen für Flüge, die nicht angetreten werden konnten, der Fall. Es ist sicherlich richtig, dass es aktuell deutlich länger dauert, Erstattungen abzuwickeln, weil die Systeme nicht für solche Mengen an Erstattungen ausgelegt sind und auch die Kapazitäten im Service-Center nicht reichen. Wenn man aber gleichzeitig die Möglichkeit zur Online-Erstattung entfernt, Kunden an der Hotline erklärt, dass es nur Umbuchungen als Option gibt und Reisebüros im Regen stehen lässt, macht das keinen guten Eindruck. Auch wenn die Erstattungen wohl irgendwann kommen, ist bis dahin viel Vertrauen verspielt – besonders in der Kommunikation. Genau dasselbe Problem gibt es bei den Catering-Maßnahmen auch. Dabei hätte man bereits viel davon lernen, wie viel Ärger Turkish Airlines durch die Reduzierungen beim Catering auf sich gezogen hat – obwohl diese im Sinne des Gesundheitsschutzes sogar nachvollziehbar, wenn auch drastisch, sind.
Würde man das Catering komplett einstellen, könnte man das nachvollziehen. Auch wenn man statt einer Getränkerunde nur noch Dosen oder eine Flasche Wasser bereitstellt und dazu abgepackte Snacks reicht oder diese auch nur schon vor dem Start auf den Sitz legen würde – all das könnten die Kunden nachvollziehen, vermutlich selbst in der Business Class. Was die Lufthansa Group aber stattdessen macht ist, beim Economy Class Catering aus Kostengründen zu streichen und die Maßnahmen als Kontaktreduzierung zu verkaufen. Statt Vertrauen nach der Krise aufzubauen, ziehen die Airlines der Gruppe zurecht Ärger auf sich.
So bleibt ein wenig nachvollziehbares Konzept beim Catering, das den Eindruck aufkommen lässt, dass die kostenfreien Snacks und Mahlzeiten in der Economy Class nie zurückkommen werden. Das ist – besonders in Zeiten des Coronavirus auch in Ordnung – aber man müsste es zumindest fair und offen kommunizieren. Diese Chance hat die Lufthansa verpasst. Das ist tragisch, denn eigentlich hätte die Lufthansa das Momentum gehabt, um Passagieren im Sinne der Krise fair und offen zu kommunizieren, dass man aktuell sparen muss, um auch im Laufe der nächsten Monate nicht zu viel (Steuer-)Geld zu verbrennen.
Fazit zum Trauerspiel um das Lufthansa-Catering
Fliegen wird in den nächsten Monaten nicht wieder so sein wie zuvor und das ist auch absolut in Ordnung. Es braucht sicherlich auch niemand zwingend Mahlzeiten auf Kurz- und Mittelstreckenflügen. Doch wie die Lufthansa das Catering (temporär) zusammenstreicht und dies unter dem Deckmantel der Hygienemaßnahmen versteckt, ist ein Trauerspiel. Man darf sich sicherlich auch fragen, ob die temporären Änderungen beim Catering nicht generell ein Blick darauf sind, was Passagiere bei Lufthansa und Swiss in der Economy Class in Zukunft erwartet.