Auch für die größte deutsche Airline und eine der größten der Welt wird es eng: Die Lufthansa braucht für ihr weiteres Überleben mit großer Sicherheit Staatshilfe – im Raum steht ein Betrag von insgesamt bis zu zehn Milliarden Euro plus zusätzliche Kredite.
Auf der Bilanzverkündung für das erste Quartal hatten die meisten Experten bereits damit gerechnet, dass die Lufthansa einen Verlust präsentieren würde. Gleichzeitig sind die Zahlen nur bedingt relevant, denn die Folgen des Coronavirus schlagen erst seit Mitte März, richtig auf das Ergebnis der Fluggesellschaft durch. Seitdem hat sich die Krise noch weiter verschlimmert, weswegen die Kapitaldecke der Lufthansa nicht ausreichen wird – die Airline möchte laut Angaben von Reuters deshalb bis zu zehn Milliarden Euro Staatshilfe in vier Ländern einsammeln.
1,2 Milliarden Euro Verlust sind nur ein Vorgeschmack
Der Verlust der Lufthansa lag im ersten Quartal des Jahres 2020 bei 1,2 Milliarden Euro, wie der Konzern verkündet hat. Dies erscheint durchaus viel, allerdings sollte man nicht vergessen, dass das erste Quartal traditionell schwach ist. Auch im starken Vorjahr hatte die Lufthansa in den ersten drei Monaten des Jahres einen Verlust von 336 Millionen Euro verkündet. Das Ergebnis des ersten Quartals ist natürlich bereits von den Folgen des Coronavirus beeinträchtigt, allerdings in den ersten beiden Monaten des Jahres nur leicht im Geschäft mit Flügen nach China (einem wichtigen Markt der Lufthansa) und nach dem ersten Drittel des Monats März auch im Kernmarkt.
Es lässt sich entsprechend absehen, dass die Verluste im zweiten Quartal gravierend schlimmer ausfallen. Dass der Umsatz im ersten Quartal von 7,8 Milliarden Euro auf nur mehr 6,4 Milliarden Euro gesunken ist, zeigt bereits recht deutlich, wo die Reise hingeht. Im dritten Quartal dürfte der Umsatz noch einmal deutlich einbrechen und während durch Maßnahmen wie Kurzarbeit natürlich auch die Kosten sinken werden, dürfte der Verlust monatlich bei mindestens einer Milliarde Euro liegen. Die größeren Fluggesellschaften in den USA beispielsweise sprechen von Verlusten zwischen 50 und 100 Millionen US-Dollar am Tag – die Lufthansa dürfte sich etwas darunter bewegen, Carsten Spohr deutete etwa einen Verlust von einer Million Euro pro Stunde an. Das würde bedeuten, dass die Lufthansa jeden Monat etwa 720 Millionen Euro verliert.
4,4 Milliarden Euro Liquidität werden nicht ausreichen
Die operativen Verluste der Lufthansa im zweiten Quartal allein sorgen bereits dafür, dass die verbleibende Kapitalausstattung von 4,4 Milliarden Euro knapp werden könnte. Bereits im Juli oder August könnte der Lufthansa bereits ohne Sondereffekte das Geld ausgehen. Dazu kommt ein weiteres Problem: Die Lufthansa muss Kundengelder zurückerstatten, ein Kostenblock, der die Bilanz noch einmal mit mehr als einer Milliarde Euro belasten kann – allein für bereits zuvor gekaufte Tickets im zweiten Quartal des Jahres. Wenngleich die Liquidität voraussichtlich für das zweite Quartal reichen sollte, dürfte es spätestens ab Juli enorm schwer für die Lufthansa werden, weiterhin in der Luft zu bleiben, sofern sich die Situation nicht gravierend verbessert.
In der Bilanzpressekonferenz ließ die Lufthansa wissen, dass die Liquidität sich schon in den nächsten Wochen deutlich verschlechtern wird. Dass man sich danach weiterhin selbst finanzieren könnte, stellt die größte deutsche Airline infrage. So hießt es bei der Verkündung der Bilanz des ersten Quartals: “Der Konzern rechnet nicht damit, den entstehenden Kapitalbedarf mit weiteren Mittelaufnahmen am Markt decken zu können.” Das bedeutet, dass die Lufthansa ohne staatliche Unterstützung möglicherweise bereits im Sommer vom Markt verschwinden würde. Was man dabei aber nicht vergessen darf: Eine solche Aussage soll natürlich auch Druck auf die Regierungen erzeugen, um schnellstmöglich Staatshilfen zu gewähren.
Staatshilfe in Höhe von zehn Milliarden Euro angepeilt
Wenngleich sich bislang weder die Lufthansa noch die deutsche Bundesregierung aktiv zu möglichen Staatshilfen für die Airline-Gruppe, zu der neben der Lufthansa auch die Töchter Air Dolomiti, Austrian Airlines, Brussels Airlines, Eurowings und Swiss gehören, geäußert haben, hat Reuters von Insidern bereits viel über die Pläne der Lufthansa erfahren. Demnach möchte die Gruppe ein Staatshilfe-Paket aus insgesamt vier Ländern schnüren. Geplant sind demnach wie folgt aufgeteilte Hilfen:
- 1 bis 1,5 Milliarden Euro Staatshilfe aus Belgien
- 1 bis 1,5 Milliarden Euro Staatshilfe aus der Schweiz
- 1 bis 1,5 Milliarden Euro Staatshilfe aus Österreich
- 4 Milliarden Euro Staatshilfe aus Deutschland
Das Hilfspaket könnte dabei von Land zu Land unterschiedlich ausfallen, wobei direkte Hilfen genauso möglich sind wie Kredite oder sogar Staatsbeteiligungen. Bei der deutschen Staatshilfe möchte die Lufthansa auf den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) setzen, denkbar ist hierbei scheinbar eine stille Beteiligung des Staates. Neben den vier Milliarden Euro aus diesem gesondert aufgesetzten Fonds des Wirtschaftsministeriums, denkt die Lufthansa auch über einen fünf Milliarden Euro schweren Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nach, um die Liquidität für die Folgemonate weiter zu stärken. Dass die Lufthansa einen solchen Kredit erhalten würde, gilt als ausgemacht.
Neben den Hilfen aus Deutschland möchte die Lufthansa allerdings auch Hilfen aus den anderen Ländern der Konzernairlines. Die Regierung von Österreich hat sich bereits offen für Hilfen gezeigt, die Austrian Airlines und dem Standort Wien zugutekommen. Auch die Schweizer Regierung hat sich bereits auf ein mögliches Paket geeinigt, um die Swiss zu unterstützen – allerdings mit scharfen Restriktionen. Aus Belgien gibt es ebenfalls Signale, dass Hilfen durchaus denkbar sind. Voraussetzung ist dabei jeweils, dass die Gelder den Betrieb der Töchter stützen und dafür verwendet werden, den jeweiligen Hub zu stärken.
Fluggesellschaften erhalten weltweit Staatshilfen
Zur Einordnung der Forderungen der Lufthansa ist es wichtig zu bemerken, dass Fluggesellschaften weltweit um Staatshilfe bitten. Während etwa Virgin Australia kein Geld von der Regierung bekommt, hat Air New Zealand bereits hunderte Millionen Hilfen der neuseeländischen Regierung erhalten. Alitalia wird in der Krise sogar verstaatlicht, während Air France und KLM zwingend Geld vom Steuerzahler benötigen werden. Auch Virgin Atlantic ist aktuell akut auf der Suche nach Hilfen der britischen Regierung, die polnische LOT wird ebenfalls vom Staat gestützt.
Auf der anderen Seite des Atlantiks ist das Thema Staatshilfe ebenfalls bereits groß. Alle US-Fluggesellschaften erhalten Hilfen in dreistelliger Millionenhöhe, manche sogar in Milliardenhöhe. Im Rahmen von einem ersten Paket hat etwa American Airlines fast fünf Milliarden Euro an Hilfen erhalten. Weitere Hilfen sind bereits in Arbeit, um die Kapitaldecke der Fluggesellschaften noch weiter zu stärken. Weltweit könnte die Summe der Hilfen für Fluggesellschaft bei mehr als 100 Milliarden Euro liegen – so viel wie nie zuvor.
Fazit zu den Staatshilfe-Plänen der Lufthansa
Auch einer stark mit Kapital ausgestatteten Fluggesellschaft wie der Lufthansa geht in der Coronakrise das Geld aus. Die gewünschten Staatshilfen von mehr als zehn Milliarden Euro wären dabei ein neuer Rekord, bislang hat keine Fluggesellschaft weltweit so viel Geld vom Staat bekommen. Insgesamt sind in den USA allerdings ebenfalls ähnliche Summen für die drei Großairlines möglich. Es bleibt abzuwarten, ob die Pläne der Lufthansa wie gewünscht aufgehen werden und wie genau entsprechende Hilfen aussehen würden – mit einer großen Sicherheit dürfte Lufthansa bald auch staatliche Eigner haben.