Kunden müssen sich nicht mit verpflichtenden Reisegutscheinen für wegen des Coronavirus abgesagten Pauschal- und Flugreisen zufriedengeben. Die Koalition zieht einen entsprechenden Vorschlag zurück und will sich auf eine andere Lösung konzentrieren.
Eigentlich wollte die Bundesregierung dafür sorgen, dass Reisekunden nicht mehr die Möglichkeit haben, eine Erstattung für abgesagte Flüge sowie Pauschalreisen zu bekommen – ein entsprechender Beschluss wurde am 2. April 2020 veröffentlicht. Angedacht waren bis Ende 2021 gültige Gutscheine, die nach ihrem Ablauf ausbezahlt werden hätten müssen. Die umstrittene Lösung hätte eine nachträgliche Änderung der geltenden Rechtslage bedeutet und wäre von den in der Europäischen Union geltenden Gesetzen abgewichen. Mittlerweile ist klar: Die verpflichtenden Gutscheine kommen nicht.
Union und SPD rücken von der Gutscheinlösung ab
Das sogenannte Corona-Kabinett hatte auf Druck der Reisebranche beschlossen, dass Gutscheine statt Erstattungen aufgrund des außergewöhnlichen Umstandes durch das Coronavirus die richtige Lösung wären, um den betroffenen Unternehmen zu helfen. Zuständig ist für die Gesetzgebung in diesem Bereich allerdings die Europäische Union, die eine Erstattung für Flugpassagiere in der Fluggastrechteverordnung und eine Erstattung für Pauschalreisen in einer entsprechenden Richtlinie regelt. In beiden Fällen war die Rechtslage zum Zeitpunkt des Beschlusses der Bundesregierung klar: Gutscheine können nur auf freiwilliger Basis angeboten werden, eine Erstattung innerhalb von 7 bis 14 Tagen muss alternativ ebenfalls eine Option sein.
Die Bundesregierung hatte allerdings gehofft, mit anderen EU-Mitgliedern Druck auf die Kommission auszuüben, um die Rechtslage nachträglich zu ändern. Zuletzt allerdings hatten die für eine Entscheidung wichtigen EU-Kommissare einer solchen Lösung noch einmal eine klare Absage erteilt. Die Bundesregierung hat darauf bislang nicht reagiert, sehr wohl aber die Koalitionsparteien. Nachdem in den letzten Tagen bereits die CDU immer mehr auf Abstand zu den verpflichtenden Gutscheinen gegangen ist, distanziert sich nun auch die SPD, wie das Handelsblatt berichtet.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, ließ gegenüber dem Handelsblatt verlauten:
Die Zwangsgutscheine werden nicht kommen, weil wir keinen nationalen Alleingang machen werden. Wir hatten gehofft, dass die CDU ihre Parteifreundin an der Spitze der EU-Kommission (Ursula von der Leyen) mal zu einer Aussage zu verpflichtenden Reisgutscheinen bewegt. Deswegen sind die Zwangsgutscheine vom Tisch.
Auch aus der CDU kommen ähnliche Töne, Jan-Marco Luczak, rechtspolitischer Sprecher der CDU, hatte dem Handelsblatt gesagt:
Wenn das europäische Recht keine Spielräume für eine verpflichtende Gutscheinlösung lässt, brauchen wir andere Regelungen.
Entsprechend deutet sich an, dass es keine politische Mehrheit mehr für die Gutscheinlösung gibt, stattdessen werden wieder andere Lösung diskutiert, um Reisebüros und Veranstaltern zu helfen.
Milliardenhilfen in Form von einem Fonds geplant
Dass mit der Absage von verpflichtenden Gutscheinen eine andere Lösung für die schwierige Situation der Reisebranche gefunden werden muss, steht außer Frage. Entsprechend arbeitet die Bundesregierung mittlerweile wohl intensiv an einer Fondslösung zur Unterstützung der Reisebranche. “Eine Lösung könnte so aussehen, dass mit einem staatlich finanzierten Fonds Reisegelder zurückerstattet werden”, heißt es von etwa von Fechner. Weiter erklärt der rechtspolitische Sprecher der SPD: “Damit die Kosten nicht am Steuerzahler hängenbleiben, würde die Reisebranche den Fonds innerhalb einer bestimmten Frist wieder auffüllen.”
Auch CSU-Tourismuspolitiker Paul Lehrieder bringt einen ähnlichen Weg ins Spiel:
Wir überlegen deshalb, einen Reise-Rettungsfonds aufzulegen, der Reiseunternehmer vor einer Insolvenz schützt und zugleich Verbrauchern die Rückerstattung für ihre stornierten Reisen sichert.
Ein solcher Schutzschirm für die Reisebranche könnte einen Umfang von bis zu zehn Milliarden Euro haben, weswegen der rechtspolitische Sprecher der CDU, nicht dem Steuerzahler aufgebrummt werden dürfe. Vielmehr solle der Bund die Hilfen zwischenzeitlich übernehmen, danach könnten die Gelder über einen längeren Zeitraum wieder in den Haushalt zurückfließen, beispielsweise dadurch, dass ein Prozent des Umsatzes aller verkauften Pauschalreisen in den Fonds fließt.
Wenngleich die Details einer solchen Fondslösung noch debattiert werden müssen, sind die Entwicklungen in dieser Hinsicht positiv. Wichtig ist allerdings, dass die Hilfen schnell umgesetzt werden, denn viele Reisebüros und Veranstalter in Deutschland halten laut dem Reiseverband DRV nicht mehr lange durch, auch nicht mit Kurzarbeitergeld. Allein bis Ende Juni schätzt der Verband, dass die Einbußen der Branche bei mehr als zehn Milliarden Euro liegen. Es wäre entsprechend wünschenswert, wenn die Bundesregierung sich schnell auf eine Lösung für den Tourismus einigt – mit Hilfen für die Einnahmeausfälle auf der einen und einem klaren Zukunftsplan auf der anderen Seite.
Fazit zur Absage an die Gutscheinlösung
Es hatte sich bereits angedeutet, dass verpflichtende Gutscheine statt Erstattungen auf Ebene der zuständigen EU-Kommission keine Mehrheit finden werden. Mittlerweile gibt es eine entsprechende Einsicht darüber auch seitens der Koalitionsparteien, weswegen das Thema vom Tisch zu sein scheint. Stattdessen wird intensiv über einen Fonds zur Unterstützung der Branche gesprochen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser schnell umgesetzt wird, damit Reisebüros und Veranstaltern geholfen wird und Kunden ihre geforderten Gelder zurückbekommen.