Obwohl die EU-Kommission der verpflichtenden Gutscheinlösung eigentlich eine Absage erteilt hat, kommt sie den Airlines mit einem Kompromiss entgegen. Sie gibt nun genaue Empfehlungen und Richtlinien zum Umgang mit den, auf freiwilliger Basis angenommenen, Gutscheinen – und verärgert damit die Branche.
Nachdem die Europäische Kommission am Mittwoch die Empfehlung erlassen hat, wie genau Fluggesellschaften die Gutscheine an Passagiere verteilen wollen, sind einige Airlines mit der Lösung unzufrieden. Wir geben einen Überblick.
Rückerstattungen kosten Milliardensummen
Aus Expertenkreisen wurde befürchtet, dass Veranstalter sowie Airlines Insolvenz anmelden müssen, falls Kunden allesamt auf eine sofortige Rückzahlung bestehen würden. Schon jetzt kommen die Airlines nicht mehr mit den Rückzahlungen hinterher, weshalb die gesetzlich vorgeschriebenen sieben Tage für eine Rückerstattung selten eingehalten werden.
Um der Reisebranche unterstützend unter die Arme zu greifen, wollte die Bundesregierung zuletzt ein Gesetz für ein Gutscheinmodell auf den Weg bringen, wodurch Anbieter von der Verpflichtung zur Rückzahlung für eine begrenzte Zeit entbunden werden und alternativ auch Gutscheine ausgeben dürfen. Nach langem Hin und Her und einer Absage der EU-Kommission ist jedoch auch die Bundesregierung wieder von dieser Lösung abgerückt.
Nach einer Massenstornierung wegen der Corona-Pandemie geht es inzwischen um Rückerstattungsforderungen von Milliardensummen – genauer gesagt von bis zu 9,2 Milliarden Euro.
EU-Kommission kommt mit einem Kompromiss entgegen
Die Europäische Kommission hat sich für eine freiwillige Annahme des Gutscheins ausgesprochen und somit den Antrag von der deutschen Regierung auf eine gesetzlich verankerte Gutscheinpflicht abgelehnt. Deshalb hat die Europäische Kommission am gestrigen Tag Empfehlungen ausgesprochen, wie weiterhin mit den Rückerstattungen verblieben werden soll.
“Um Anreize für Fluggäste und Reisende zu schaffen, Gutscheine anstelle von Rückerstattungen zu akzeptieren, sollten Gutscheine vor der Insolvenz des Ausstellers geschützt werden und nach spätestens einem Jahr rückerstattet werden können, wenn sie nicht eingelöst werden.”
Die EU-Kommission beharrt somit weiter auf Gutscheinlösungen auf freiwilliger Basis. Gutscheine sollen jedoch möglichst attraktiv gemacht und gegen eine Insolvenz der Airline abgesichert werden. So soll gewährleistet werden, dass der Kunde sein Geld auf jeden Fall wiedersehen wird – sei es auf dem Konto oder in Form eines Gutscheins. Abgelaufene Gutscheine sollten gegen Geld eingetauscht werden können und möglichst flexibel auch hinsichtlich der Übertragbarkeit und bei den Einsatzmöglichkeiten des Gutscheins sein. Bei Emirates beispielsweise können die Gutscheine für jede Dienstleistung, Flug und materielle Sache eingelöst werden. Somit will die Europäische Kommission das Vertrauen der Passagiere wiederherstellen. Weiterhin heißt es:
“Dies würde es den Passagieren ermöglichen, sich bei neuen Buchungen sicherer zu fühlen.”
Die Gutscheinlösung ist eine gute Möglichkeit für die Airlines, trotz der Krise weitestgehend liquide zu bleiben, da sie nicht die Kosten der zahlreichen Rückerstattungen tragen müssen.
Die Empfehlungen der EU stoßen in der Luftfahrtbranche auf Unzufriedenheit
Für die europäischen Fluggesellschaften hätte eine einheitliche Gutscheinlösung Liquiditätssicherung bedeutet. Auf die neuen Empfehlungen der EU-Komission reagieren diese deswegen nicht gerade euphorisch – so stehen die Empfehlungen als unklare und unverbindliche Richtlinien in der Kritik.
Thomas Reynaert, Geschäftsführer des Airline-Verbandes A4E, hat sich wie folgt zu den vorgelegten Richtlinien der EU-Kommission geäußert:
“Während Passagiere ein klares Recht auf Rückerstattung ihrer Tickets haben, glauben wir, dass Gutscheine oder eine verzögerte Rückerstattung angesichts der beispiellosen Liquiditätssituation, in der sich die Fluggesellschaften derzeit befinden, einen fairen und vernünftigen Kompromiss darstellen.”
Weiterhin ist man in der Airline-Branche unzufrieden, da die Airlines aktuell mit Milliardensummen konfrontiert werden, die durch eine Verordnung kommet, die nie auf Massenstornierungen aufgrund einer globalen Pandemie ausgelegt war. Laut der Airlines wäre eine Anpassung an die akute Situation nötig gewesen.
Die Kommission bleibt jedoch weiterhin bei ihrer Meinung und werde deswegen ein Schreiben hinsichtlich der Gutscheinlösung an alle EU-Mitgliedsstaaten schicken, um so die Einhaltung der Gesetze im Bereich der Passagierrechte und Pauschalreisen zu garantieren. Diese Briefe sollen jedoch noch mal individuell an das jeweilige Land und dessen aktuelle Besonderheiten angepasst werden. Diese Schreiben sollen den EU-Mitgliedsländern deutlich machen und insofern eine Erinnerung daran sein, dass die EU Maßnahmen ergreifen wird, wenn die Empfehlungen nicht eingehalten werden. Formell leiten die Briefe jedoch kein Vertragsverletzungsverfahren ein.
Fazit zu den Empfehlungen der EU-Kommission in Sachen Gutscheinlösung
Es ist grundsätzlich gut, dass die EU-Kommission der Gutscheinlösung entgegenkommt. Die Richtlinien und Empfehlungen sollen die Fluggastrechte schützen und sicherstellen, dass Passagiere das Vertrauen in Buchungen und die Branche nicht verlieren. Es ist aber auch verständlich, dass die Airlines angesichts der Rückerstattungskosten in Milliardenhöhe vor einem großen Finanztief stehen und nicht all zu begeistert von den neuen Regeln sind. Wir sind gespannt, wie sich die Sache weiterhin entwickelt!