Es hatte sich bereits angedeutet: Aus dem Wunsch der Bundesregierung zur Aussetzung der Erstattungspflicht für Airlines und Reiseveranstalter wird nichts. Die Europäische Union hat einer Gesetzgebung endgültig eine Absage erteilt.
Schon in den letzten zwei Wochen hatten sich die Berichte gehäuft, in denen EU-Kommissare sich negativ zu einer möglichen Änderung der Gesetzeslage rund um Pauschalreisen sowie Fluggastrechte geäußert. Der EU-Justizkommissar Didier Reynders hat nun allerdings endgültig und auch von offizieller Seite klargemacht, dass die Gutscheinlösung nicht kommen wird, wie die FAZ berichtet.
Kunden bekommen auch weiterhin ihr Geld zurück
Der Wunsch der Bundesregierung war eine Veränderung der Gesetzeslage in der Europäischen Union. Vorgeschlagen hatte die Bundesregierung Gutscheine statt Erstattungen, die teilweise hätten staatlich abgesichert sein sollen und bei Nicht-Einlösung Anfang 2022 vollständig erstattet worden wären. Passagier hätten dadurch nicht mehr die Möglichkeit gehabt, ihr Geld zurückzubekommen, wenn eine Reise oder ein Flug aufgrund des Coronavirus vonseiten des Veranstalters oder der Airline abgesagt wurde. Eine solche Änderung wird es allerdings nicht geben, wie Reynders der FAZ bestätigt hat:
Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass nationale Entscheidungen im Einklang mit dem EU-Recht stehen – und das lässt dem Verbraucher die Wahl zwischen Gutscheinen und der Rückerstattung der Kosten.
Das Statement des Justizkommissars ist deshalb so wichtig, weil Reynders dafür verantwortlich wäre, eine mögliche Änderung anzustoßen. Für eine solche allerdings gibt es unter den Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten keine Mehrheit. Der Vorstoß der deutschen Bundesregierung wird entsprechend nicht dafür sorgen, dass die Europäische Union die aktuell gültige Gesetzeslage für Pauschalreisen (hier gilt eine EU-Richtlinie, die Staaten in nationales Recht umsetzen müssen) und für Fluggastrechte (hier gilt eine EU-Verordnung, die auch ohne Umsetzung in nationales Recht gilt) verändert. Damit bleibt die Rechtslage für Verbraucher wie bislang: Bei der Absage einer Reise müssen sie ihr Geld zurückerhalten, ein Gutschein kann nicht die einzige Option sein.
Freiwillige Gutscheine sind die präferierte Lösung
Gegenüber der FAZ hat Reynders weiterhin klargemacht, dass er die schwierige Lage der Industrie absolut nachvollziehen kann. Dass Hilfen zwingend notwendig sind, gilt in allen Staaten der Europäischen Union ausgemacht, eine nachträgliche Gesetzesänderung, die Verbraucher verunsichern könnte, scheint dabei aber kein gangbarer Weg zu sein. Reynders fordert stattdessen:
Wir müssen deshalb pragmatische und für die Unternehmen wie die Verbraucher attraktive Lösungen finden.
Statt Verbraucher zur Annahme von Gutscheinen zu zwingen, sollten diese nicht nur freiwillig angeboten werden, sondern auch abgesichert sein. Aktuell bieten die meisten Fluggesellschaften zwar Gutscheine, diese sind aber weder gegen eine Insolvenz gesichert, noch werden sie nach dem Ablaufdatum ausbezahlt. Stattdessen verlieren die Gutscheine meist nach einem Jahr ohne Einlösung ihren Wert, ohne dass Passagiere die Leistung hätten annehmen können. Entsprechend ist die Entscheidung für einen Gutschein vielfach eine wenig attraktive Lösung, was im Umkehrschluss zu Erstattungswünschen führt.
Ein Sprecher der EU-Kommission hat in Bezug auf das Thema auch noch einmal erläutert, dass auch ein außergewöhnlicher und unvermeidbarer Umstand wie die Corona-Pandemie von der gültigen Rechtslage umfasst ist. Dies ist auch explizit in der entsprechenden Richtlinie für Pauschalreisen sowie Verordnung für Fluggastrechte vermerkt. Freiwillige Gutscheine, die für Verbraucher attraktiver gemacht werden, sind für Reiseanbieter und Fluggesellschaften demnach die einzige Möglichkeit, Kunden davon zu überzeugen, die Liquidität in der Firma zu überlassen. Damit dies allerdings passiert, sind in Hinblick auf die Rückerstattung bei Nicht-Nutzung sowie Absicherung noch weitere Schritte notwendig.
Hilfsfonds für die Tourismusindustrie als Option
Rund um das Thema Gutscheine statt Erstattungen gab es in den letzten Wochen scharfe Diskussionen. Die Tourismusindustrie fühlt sich durch die strikte Gesetzgebung der Europäischen Union benachteiligt, die Kunden bekommen ihr Geld trotz geltenden Rechts nicht zurück. Dazu kommt, dass die Entscheidung der Bundesregierung Verbraucher wie Unternehmen verunsichert hat. Dies wurde zuletzt auch von der Opposition in Deutschland scharf kritisiert, zumal eine Klarstellung seitens der Bundesregierung, dass die Gutscheinlösung in dieser Form nicht kommen wird, auch weiterhin aussteht. Stattdessen spielt die Regierung weiterhin auf Zeit.
Dabei gäbe es gute Alternativen zur nachträglichen Veränderung der Rechtslage. Dänemark beispielsweise hat einen Hilfsfonds geschaffen, aus dessen Mitteln die Forderungen von Passagieren gegenüber Veranstaltern und Fluggesellschaften ausgeglichen werden. Dadurch verlieren die Unternehmen nicht ihre Liquidität und Kunden erhalten vergleichsweise schnell und unbürokratisch ihr Geld zurück. In Deutschland werden die Verbraucher dagegen mit einer unklaren Rechtslage zurückgelassen, während die Unternehmen erklären, dass Erstattungen gar nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein – die Rechtslage sieht allerdings eine Erstattung binnen 7 oder 14 Tagen vor.
Fazit zur endgültigen Absage für die Gutscheinlösung
Es war zu erwarten, dass die Europäische Union die Rechtslage nicht nachträglich verändern würde. Spätestens jetzt steht demnach auch fest, dass die gewünschte Lösung der deutschen Bundesregierung nicht zur Geltung kommen wird. Für Verbraucher ist es nun wichtig, dass der Erstattungsprozess wieder offen kommuniziert und auch zeitnah angestoßen wird. Für die betroffenen Unternehmen sind dagegen andere Hilfen auf schnellem Wege notwendig – etwa durch einen Hilfsfonds oder durch spezifische Programme für die Tourismusindustrie.