In den Premiumklassen der Lufthansa soll alles besser werden – erste Testflüge des Projekts Fox sollen dafür im Mai starten. Doch wo sollte die Lufthansa bei ihren Verbesserungen zuerst ansetzen?
Jedes einzelne Detail soll auf links gedreht werden, denn der Nachholbedarf sei groß, heißt es aus der Führungsriege der Lufthansa. Den Handlungsbedarf hat man entsprechend treffend analysiert, als man Anfang des Jahres das Projekt Fox (“Future Onboard Experience”) angekündigt hat. Was sich genau ändern soll, ist bisher nicht bekannt. Allerdings stehen die Chancen auf einen positiven Wandel tatsächlich gut, muss man für offensichtliche Verbesserungen doch nur einen Blick auf die Konkurrenz werfen.
Weg vom austauschbaren Produkt in den Premiumklassen
Dass die Personalvertretung der Lufthansa Kabinencrews aktuell von “einem zunehmend austauschbaren und emotionslosen Produkt, das in allen Klassen an Strahlkraft eingebüßt hat” spricht, dürfte auch regelmäßige Passagiere der Lufthansa nicht überraschen. Das gilt besonders in der Business Class und First Class, in der man seit mehr als zehn Jahren im Grunde genau dasselbe erlebt. Vom Sitz über die Mahlzeit bis zum Entertainment hat sich hier gefühlt im gesamten Jahrtausend kaum etwas geändert.
Zur Falle für die Lufthansa ist hier insbesondere etwas geworden, das die deutsche Industrie so erfolgreich gemacht hat: Standardisierung. Während Kunden in anderen Branchen schätzen, dass sie immer genau dasselbe erwarten können, scheint dies bei Fluggästen eben nicht der Fall zu sein. Wer viel im Flugzeug sitzt, will Abwechslung, Überraschungen und Kreativität – nichts dergleichen konnte man von der Lufthansa in den vergangenen Jahren erwarten, nicht einmal in der First Class.
Selbstredend bleibt Konstanz ein wichtiges Gut, und es spricht nichts dagegen, eingespielte und gut funktionierende Prozesse zu haben. Gleichwohl gibt es einen Grund, dass im Kino unterschiedliche Filme laufen und Restaurants gelegentlich ihre Karte ändern. Schon ein paar Schritte hin zu mehr Abwechslung könnten gerade die Premiumprodukte der Lufthansa wieder interessanter und eben auch weniger austauschbar machen. Aktuell steht die Airline wohl wie keine andere für Konstanz, Kritiker würden gleichwohl auch von Langeweile sprechen.
Kleine Verbesserungen zur Aufwertung der Business Class
Fraglos spielt mit Blick auf die Kundenzufriedenheit auch der Sitz in den Premiumklassen eine entscheidende Rolle, weswegen die neuen Allegris-Sitze sicherlich alleine eine positive Wirkung haben dürften. Gleichzeitig bedarf es in der Lufthansa Business Class auch an vielen anderen Stellen einer Verbesserung, wobei tatsächlich Kleinigkeiten den Unterschied machen könnten.
Ein anschauliches Beispiel dafür sind die Bettwaren, war doch etwa die Einführung einer Matratzenauflage vor wenigen Jahren ein großer Gewinn für den Schlafkomfort in der Lufthansa Business Class. Würde man nun auch noch einen kompletten Pyjama und möglicherweise ein zweites, festeres Kissen, reichen, könnte man bereits dafür sorgen, dass Passagiere komfortabler schlafen – ganz ohne große Zusatzkosten.
Weitere Beispiele gefällig? Wie wäre es beispielsweise mit einem Paar günstiger Hausschuhe, wie man es bei immer mehr Airlines findet und die sogar in 3- und 4-Sterne-Hotels teils die Regel sind? Oder vielleicht eine kleine Snackbar mit ein paar kreativen Knabbereien und Getränken, die sich Passagiere zu jedem Zeitpunkt des Fluges selbst holen können? Und wäre es vielleicht sogar finanzierbar, dass man das WLAN in der Business Class kostenfrei anbietet?
Das gewisse Extra für das Erlebnis Lufthansa First Class
Auch in der First Class gibt es bei der Lufthansa fraglos noch Spielraum, denn wenngleich ich bei meiner Allegris First Class Bewertung in Teilen durchaus begeistert war, ist das “Soft Product” bisher nicht ganz auf dem Niveau der Weltspitze. Wenngleich es schon viele positive Aspekte gibt, könnte beim oben aufgeführten Beispiel der Bettwaren etwa eine Auswahl an zwei bis drei Kissen mit verschiedenen Härtegraden dazu führen, dass die Lufthansa noch einmal einen Schritt nach vorn macht.
Bei anderen Themen wurde mit der Allegris-Einführung schon nachgeholfen: Kluge Ideen, wie den Einstieg für die Business Class über die zweite Tür durchzuführen, wurden zwar bisher nicht ideal umgesetzt, gehen aber in die richtige Richtung. Dasselbe gilt für Neuerungen wie den kleinen City Guide für die Destination, der mir sofort positiv aufgefallen ist. Das allerdings nur für die ersten Flüge gesonderte Amenity Kit in einem kleinen Köfferchen konnte mich auch begeistern.
Doch es gibt auch Bereiche, in denen das gewisse First Class Extra noch fehlt. Wie wäre es beispielsweise mit einem kreativen Menü, mit Kaffeespezialitäten oder Cocktails, die über das hinausgehen, was man überall bekommt? Initiativen wie Oliven zum Willkommensgetränk als Ergänzung zu den Macadamia-Nüssen gehen hier auch bereits in die richtige Richtung, werden aktuell aber bisher nicht für alle Passagiere geladen.
Das wirkt wie ein wenig relevanter Nebensatz, stellt gleichwohl aber auch ein Problem dar: In der First Class sollte nicht bei Oliven rationiert und grundlegend jeder Wunsch erfüllt werden. Genau hier muss man mit Projekt Fox ansetzen, damit man dem Anspruch gerecht wird, mit dem neuen Produkt wirklich zur Weltspitze zu gehören. Vielleicht sogar mit einer speziellen Überraschung für First Class Passagiere auf jedem Flug?
Interne Vorbilder für das neue Lufthansa Catering
Im Rahmen des Projekts Fox will die Lufthansa nicht nur Decken, Kissen und Amenity Kits unter die Lupe nehmen, sondern insbesondere auch einen Blick auf das Thema Catering werfen. Das ist auch bitter nötig, denn gerade hier kann die Lufthansa schon lange nicht mehr mit der Konkurrenz mithalten. Ob Air France oder British Airways – Präsentation, Qualität und Auswahl haben mich in den vergangenen Jahren bei fast allen Konkurrenten mehr überzeugt.
Dabei zeigt die Lufthansa Group tatsächlich, dass es auch anders geht. Dafür muss sich die Stammmarke nur an ihren Töchtern oder sogar ihrem eigenen neuen Konzept orientieren. Zu meiner eigenen Überraschung ist es der Airline nämlich gelungen, für die Flüge innerhalb Europas mit dem neuen Konzept für Speisen & Getränke trotz identischem Caterer und wohl kaum veränderten Budgets ein signifikant besseres Erlebnis zu schaffen.
Von der Präsentation über die Wahl der Gerichte bis hin zur Qualität hat sich hier alles verbessert. Doch damit nicht genug: In der Business Class besticht auch heute schon die Tochter Austrian Airlines mit einem überdurchschnittlichen Catering, an dem man sich hinsichtlich der Gerichte und auch der Qualität orientieren könnte. Nicht schaden würde dabei allerdings auch, wenn man sich beim Geschirr und der Präsentation allgemein weg von der Langweile und Austauschbarkeit orientiert.
Noch mehr Handlungsbedarf gibt es allerdings in der First Class, wo die Konkurrenz die Nase ganz klar vorn hat. Unbedingt sollte die Lufthansa in den Premiumklassen zukünftig auf ein Menü zur Vorbestellung mit mindestens einem Dutzend Optionen in der First Class – als Vorbild dient hier der Star Alliance Partner Singapore Airlines. Dass man selbst in der Business Class mehr als zehn verschiedene Optionen bieten kann, zeigen die Asiaten übrigens eindrucksvoll.
Ein wenig mehr Budget, etwas mehr Technik und ein bisschen mehr Kreativität – mit diesen drei einfachen Schlagwörtern könnte die Lufthansa dafür sorgen, dass sie beim Catering, aber auch in anderen Bereichen nicht nur zur Konkurrenz aufschließen, sondern diese in der Business und First Class sogar zu überholen. Die Chance ist da, jetzt muss sie von der Airline im Rahmen ihrer Testflüge und der geplanten flottenweiten Einführung im Jahr 2026 auch genutzt werden.