Zwei Jahre Corona-Pandemie und nun zieht sich die größte Airline am BER weiter zurück. Stehen dem Berliner Hauptstadtflughafen weiterhin schwierige Zeiten bevor?
Die Passagierzahlen ziehen wieder ordentlich an – auch in Berlin. Die Prognosen lassen zuversichtlich stimmen, das neue Terminal 2 musste bereits eröffnet werden. Aber der größte Player in der Hauptstadt muss seine Präsenz weiter reduzieren. Stehen dem BER nach zwei Jahren Corona-Pandemie auch weiterhin schwere Zeiten bevor? Wir betrachten die aktuelle Situation und haben bei easyJet zu den Beweggründen nachgefragt.
Wie schwer sind die Zeiten noch?
Der Berliner Hauptstadtflughafen soll der drittgrößte Flughafen Deutschlands werden. Vor der Pandemie gab es noch die beiden Flughäfen Berlin Tegel und Berlin Schönefeld. Zusammen haben beide Flughäfen im Jahr 2019 noch über 35 Millionen Passagiere abgefertigt, was die Hauptstadt tatsächlich zum drittgrößten Standort machte. Eine Drehkreuz-Funktion hat Berlin dabei spätestens seit der Insolvenz von airberlin nicht mehr. Umso beeindruckender lesen sich die Zahlen von vor der Pandemie.
Die größten Airlines heute am BER sind neben der Lufthansa Group vor allem Lowcost-Carrier wie easyJet und Ryanair. Doch ausgerechnet der größte Player am BER scheint die Präsenz in Berlin weiter eindämmen zu müssen. Damit verschwindet auch das letzte Erbe der airberlin. easyJet hat dem Ende der Berliner Fluggesellschaft einen Großteil der Kurz- und Mittelstrecken übernommen und dafür sogar eigens eine zweite Basis am ehemaligen Flughafen Tegel eingerichtet.
Für easyJet stellt der BER die größte Basis außerhalb der Heimat in Großbritannien dar. Doch bereits mit Beginn der Corona-Pandemie musste die Fluggesellschaft Flugpläne und Personalschlüssel anpassen. Doch ausgerechnet, als allgemein in der zivilen Luftfahrt die Passagierzahlen wieder massiv steigen, muss easyJet in Berlin einen weiteren Schritt zurückgehen. Die Schlagzeilen titelten, dass circa 250 Angestellte im Cockpit und der Kabine die Airline verlassen müssten. Zudem soll der Flugplan erneut massiv zusammengestrichen werden.
easyJet vor weiterem Teilrückzug
Doch was steckt tatsächlich hinter der erneuten Reduktion der Basis am Berliner Hauptstadtflughafen von easyJet? Vor allem dominierte die Reduktion der Basis in Berlin die Schlagzeilen. Zum Winter sieht sich die Airline gezwungen, weitere Stellen in Berlin zu streichen. Auf Anfrage stellt easyJet jedoch lediglich klar, dass dies auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen ist. Vor allem ein Faktor spielt dabei eine Rolle, den auch bereits Ryanair moniert hat.
Die vorgeschlagenen Anpassungen der easyJet-Flotte am BER sind auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen, einschließlich hoher und steigender Flughafenkosten und einer langsamer als erwarteten Erholung der Nachfrage für den Luftverkehr in Deutschland. Dies ist Teil der easyJet-Strategie, um die gesamte Geschäftsentwicklung zu einem langfristigen Erfolg zu führen, das Streckennetz zu optimieren und einen langfristig profitablen Flugbetrieb am Flughafen BER sicherzustellen.
Ryanair aber hat die gleichen Argumente bereits in Frankfurt gebracht und sich letztlich entschieden, den Flughafen wieder zu verlassen. Lowcost-Carrier fordern im Allgemeinen Vergünstigungen. Im Falle von Ryanair sind diese in Frankfurt ausgelaufen, die herkömmlichen Gebühren wären fällig gewesen. Im Falle von easyJet in Berlin dürfte vor allem die neue Infrastruktur ausschlaggebend sein. Am BER sollen höhere Gebühren gefordert werden, als noch in Tegel oder Schönefeld. Der Betrieb am neuen Flughafen ist deutlich kostenintensiver. Tatsächlich sollen die Gebühren laut Aussagen von easyJet in Berlin mit die höchsten in Deutschland sein:
Die Flughafenentgelte am BER sind mit die höchsten in Deutschland und machen ihn zu einem der teureren Flughäfen, von denen aus wir operieren. Da die Flughafenkosten etwa 27 Prozent der Betriebskosten von easyJet (exkl. Treibstoffkosten) ausmachen, hat dies erhebliche Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb.
Davon abgesehen sind momentan viele Airlines gezwungen, die Flugpläne anzupassen und Flüge zu annullieren. Hauptgrund ist vor allem der Personalmangel, welcher sich durch die gesamte Branche zieht. Wie airliners.de am 13. Juni berichtete, muss easyJet aber etwa tausend Flüge von und zum BER annullieren. easyJet teilt auf Anfrage uns aber mit, dass Berlin auch weiterhin ein wichtiger Standort in der Gesamtstrategie der britischen Fluggesellschaft verbleibt. Darüber hinaus beabsichtigt easyJet “den Sommerflugplan wie geplant durchzuführen und im Sommerflugplan 2022 am Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) zu 71 Destinationen” zu fliegen.
Eurowings will Chance nutzen
Eurowings versucht hingegen die Gelegenheit zu nutzen und möchte die Präsenz am BER ausbauen. Das Personal soll dafür von easyJet übernommen werden. easyJet sieht sich dennoch weiterhin als attraktiven Arbeitgeber und entgegnet:
easyJet beschäftigt die Mitarbeitenden mit lokalen Arbeitsverträgen entsprechend den nationalen Vorschriften und unter Anerkennung der Gewerkschaften und bietet attraktivere Konditionen als der Branchendurchschnitt.
So oder sind die Auswirkungen für den BER durchaus verheerend. Durch die Teilreduzierung der Flotte von easyJet am BER muss der Flughafen auf ungefähr 2,3 Millionen Passagiere verzichten, wie airliners.de am 27. Mai berichtete. Dennoch geht die Geschäftsführerin Aletta von Massenbach auch weiterhin davon aus, die prognostizierten Passagierzahlen für das aktuell laufende Kalenderjahr 2022 zu erreichen. Insgesamt rechne die Flughafengesellschaft mit 17 Millionen Passagieren im gesamten Kalenderjahr 2022.
Das Langstrecken- und Drehkreuzproblem
Das größte Problem für den BER dürfte aber wohl weiterhin die internationale Bedeutung sein. Denn wie bereits eingangs erwähnt, ist der BER für keine internationale Fluggesellschaft ein Drehkreuz. Lowcost-Carrier offerieren ohnehin nur Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, die Lufthansa Group führt ausschließlich Zubringerflüge zu ihren Drehkreuzen in Frankfurt, München, Wien, Zürich und Brüssel durch. Lediglich die Lufthansa-Tochter Eurowings hat eine kleine Basis am BER eingerichtet und führt diverse Flüge zu europäischen Sommerdestinationen durch.
Doch keine dieser Fluggesellschaften führt relevante Langstreckenflüge durch. Vor der Pandemie führten noch Delta Air Lines und United Airlines aus den USA, Air Canada Rouge aus Kanada, Scoot aus Singapur, Qatar Airways aus Doha, Hainan Airlines aus China und Mongolian Airlines aus der Mongolei Langstreckenflüge zum BER durch. Nach der Pandemie sind lediglich United Airlines, Scoot und Qatar Airways am BER verblieben. United Airlines fliegt seit dem Sommerflugplan wieder von Newark nach Berlin. Die zweite angekündigte Langstreckenverbindung zwischen Washington D.C. und Berlin musste jedoch bis auf Weiteres ausgesetzt werden.
Scoot kehrte bereits während der Pandemie wieder nach Berlin zurück, flog von Singapur aber über Athen nach Berlin. Der Fifth Freedom Flug verbleibt an wenigen Tagen in der Woche, die restlichen Flüge wurden durch Direktflüge ergänzt. Und auch Qatar Airways steuert weiterhin den BER an und erwägt sogar eine Erhöhung der Frequenzen, die rechtlich gesehen in den kommenden Jahren auch ohne Einschränkungen möglich ist. Emirates hat dabei weiterhin das Nachsehen und darf ihr Angebot nach Deutschland mit einer fünften Verbindung nach Berlin nicht ergänzen. Weitere Fluggesellschaften aus Nordamerika fliegen vorerst ebenfalls nicht den BER an, sodass ein weiterer Lowcost-Carrier die Rettung zu sein scheint.
Die noch junge Fluggesellschaft Norse Atlantic hat erst kürzlich ihren Jungfernflug durchgeführt. Von Oslo, der Heimat der Fluggesellschaft, ging es nach New York JFK. Die Fluggesellschaft versteht sich jedoch viel mehr als europäische Langstrecken-Airline und baut momentan ein Netz von verschiedenen Basen in Europa auf. Berlin wird der dritte Standort. Ab Mitte August fliegt die Airline täglich nach New York JFK. Dreimal wöchentlich will die Airline von Berlin aus Los Angeles ansteuern. Eine feste Basis eröffnet die Airline dabei nicht. Die Flugzeuge rotieren über die Destinationen in den USA.
Fazit zur aktuellen Situation am BER
Die Corona-Pandemie muss erst noch vollständig überwunden werden, da tut sich bereits die nächste Krise für den BER auf. Über zwei Millionen Passagiere verliert der Berliner Hauptstadtflughafen, da sich easyJet erneut gezwungen sieht, die größte Basis außerhalb Großbritanniens zu reduzieren. Als Hauptgrund nennt die Fluggesellschaft uns die zu hohen Gebühren, die am BER aufgerufen werden. Für die Airline scheint demnach die Nachfrage an Flügen die Gebühren nicht zu übersteigen. Ich persönlich kann es mir gar nicht wirklich vorstellen. Ein weiterer Grund dürfte dementsprechend wohl auch der Personalmangel sein. Inwiefern es dann förderlich ist, Piloten und Kabinencrewmitglieder im Winter sogar zu entlassen, ist natürlich fraglich.