In unserer Rubrik “On This Day In Aviation History” widmen wir uns auch in diesem Jahr den historischen Meilensteinen der zivilen Luftfahrt, aber auch den weniger erfreulichen Augenblicken.

Täglich berichten wir von den wichtigsten Nachrichten und neuesten Errungenschaften der zivilen Luftfahrt. Vor allem im vergangenen Jahr hat sich das Treiben am Himmel deutlich verändert. Flugzeuge, die gestern noch als die Zukunft galten, sind morgen bereits verschwunden. Doch nicht erst in der nahen Vergangenheit, bereits zuvor kam es dazu, dass Fluggesellschaften vom Himmel verschwinden mussten. Das prominenteste Beispiel in Deutschland dürfte wohl airberlin sein. In unserer Rubrik “On This Day In Aviation History” nehmen wir daher die Insolvenz von airberlin als Anlass, der Fluggesellschaft zu gedenken und vor allem darüber nachzudenken, wie die deutsche Luftfahrt heute mit airberlin aussehen würde.

Der 15. August 2017

Jeden Morgen, wenn ich zum Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer gehe und damit die Arbeit für den Tag antrete, passiere ich mein Bücherregal. Neben Büchern ist dieses vor allem mit diversen Flugzeugmodellen geschmückt. Abgesehen von dem Hauptstadtflieger der Lufthansa und einigen anderen Andenken dürfte wohl spätestens der Airbus A330 von airberlin beweisen: hier gibt es einen Berlin-Kontext. Das Besondere an diesem Airbus? Die Sonderlackierung mit Bezug zum eigentlich geplanten Drehkreuz am BER der Fluggesellschaft.

Die Airline hat zu Berlin gehört und passte auch zu dieser Stadt. Große Gedanken in großem Chaos. Doch die Wurzeln der Fluggesellschaft lagen gezwungenermaßen in den USA. airberlin startete als Air Berlin USA, um von Berlin aus Flüge anbieten zu dürfen. Zu Zeiten der Mauer war es nur den Alliierten gestattet, in West-Berlin landen zu dürfen. Das führte dazu, dass Pan Am Zubringerflüge nach Frankfurt durchführen musste. Die Lufthansa hingegen durfte Berlin nicht anfliegen.

Schnell positionierte man sich als Ferienflieger für die Westberliner und konnte damit eine Lücke füllen, die Pan Am und andere Airlines vorher nicht bedienen wollten. Die Direktverbindungen nach Palma de Mallorca, später auch als Mallorca Shuttle bekannt, machten airberlin endgültig berühmt. Die Geschäfte mit den vielen Veranstaltern waren durchaus lukrativ, die Airline konnte schnell expandieren. Der Mauerfall war da die erste Bremse. Denn die Erlaubnis in Berlin landen zu dürfen war wertlos geworden, airberlin konnte oder musste sich in Deutschland ansiedeln.

Moeglichkeiten an modernen Flughaefen

Der Expansionskurs von airberlin kannte dennoch kaum Grenzen. Erstmals übernahm die Airline neue Boeing 737. Mit der übernahme der dba (Deutsche BA) kamen noch mehr Flugzeuge dieses Typs zur Flotte hinzu. Doch diese Übernahme sollte nicht die letzte sein. Nur wenige Jahre später übernahm airberlin den Ferienflieger LTU. Sowohl persönlich als auch wirtschaftlich ein großer Erfolg für die airberlin-Führungsriege. Im Nachhinein muss man aber ganz klar feststellen, dass die Übernahmen in mehrerlei Hinsicht den Ruin bedeuten sollten. Die Summen für die Übernahmen waren zu hoch. Zudem setzten diese die airberlin vor eine Identitätskrise.

70 Prozent an topbonus gehören Etihad Aiways

Denn airberlin war auf einmal kein Ferienflieger mehr, sondern bediente auch die Linie – nach dem großen Vorbild des Kranichs. Die Linienfluggesellschaften nahmen unterdessen die Strategie von airberlin wahr und versuchten sich indes selbst an dieser. So oder so bestand aber auf einmal Konkurrenz auf dem Markt, und diese belebt ja bekanntlich das Geschäft. Denn airberlin konnte zum einen auf Inlandsstrecken Paroli bieten und verfügte mit der LTU über einen Ferienflieger auf der Langstrecke.

Auf der anderen Seite gelangen mehr Airbus-Flugzeuge zur Flotte von airberlin, auch für die Kurzstrecke. Die Flotte wurde immer bunter, aber vor allem mit immer weniger Eigentum. Denn die finanziellen Nöte drängten airberlin dazu, immer mehr Flugzeuge zu verkaufen und diese wiederum zu leasen. Auch die Übernahme anderer Fluggesellschaften hat ein Ende gefunden. Stattdessen wurde airberlin selbst übernommen und gehörte auf einmal zu Etihad Airways. Mehr “Moeglichkeiten” sollte diese Partnerschaft bieten.

airberlin heute noch konkurrenzfähig?

Heute vor fünf Jahren musste airberlin dann doch überraschend in die Insolvenz gehen. Zuvor hat die Airline über Jahre hinweg mehrere Milliarden Euro verbrannt und seit Ewigkeiten kein Geld mehr verdient. Der Börsengang von airberlin konnte daran auch nicht viel ändern. Etihad Airways hatte irgendwann genug von der finanziellen Unterstützung. Und auch wenn die Airline aus Abu Dhabi selbst erst noch wenige Tage vorher zugesichert hat, noch weitere finanzielle Mittel zur Verfügung stellen zu wollen, traf die damalige Krise auch Etihad. Dazu kam, dass Etihad nicht nur airberlin als Problemkind behandeln musste, sondern auch Airlines wie Jet Airways und Alitalia – die allesamt ebenfalls insolvent gingen.

Die Insolvenz kam von airberlin kam dennoch überraschend. Erst wenige Wochen zuvor hat der Ex-Lufthansa-Manager Winkelmann übernommen. Während die einen vom Totengräber sprachen, hatten andere durchaus nochmal Hoffnung. Die vertraglichen Gegebenheiten dürften wohl eher den ersteren recht gegeben haben. Und dennoch: airberlin wurde kurze Zeit später vom Bund mit einem Kredit über Wasser gehalten. Nur einen Monat später sollten Bundestagswahlen anstehen. Bilder von der gestrandeten Bevölkerung und deren Wut wollte man sich nicht leisten. Der Kredit konnte zwar zurückgezahlt werden, das Vertrauen der Mitarbeitenden aber nicht mehr.

Denn nur circa zwei Monate später fand der letzte Flug der airberlin statt. Ein Airbus A320 von München nach Berlin besiegelte das Ende. Noch einmal versammelten sich airberliner am Flughafen Tegel, um ihrem Herzensprojekt die letzte Ehre zu erweisen. Das Schicksal der Mitarbeitenden dürfte uns allen leid getan haben. Denn das Interesse von Lufthansa und easyJet lag eher bei den Fluggeräten und Slots, weniger dafür beim Personal. Viele davon sehen sich wohl noch heute als airberliner, die Passagiere gewisser Weise auch. Denn noch immer warten die kleinsten Glieder der Gläubigerkette auf die Rückzahlung der Flüge.

Hätten mehr als 150 Millionen Euro geholfen?

Die Corona-Pandemie hat bewiesen, dass der Staat das Ende einer oder mehrerer Fluggesellschaften auch verhindern kann. Die Lufthansa hat einen Kredit von bis zu 9 Milliarden Euro zugesichert bekommen, Condor wurde mit über 500 Millionen Euro gerettet, nachdem Thomas Cook bereits zuvor insolvent gegangen ist. Für airberlin regnete es 150 Millionen Euro, die genau bis nach der Bundestagswahl halten sollten. Mehr wollte oder konnte man sich nicht leisten. Ich persönlich hätte damals nicht gedacht, dass man den Wettbewerb mit airberlin quasi platzen lassen würde. Und hätte den Stellenwert von airberlin beim Bund und Verkehrsministerium höher eingeschätzt, doch der Einfluss des Kranichs dürfte noch größer gewesen sein.

Denn mehr Geld gab es für airberlin am Ende nicht mehr. Doch hätte eine größere Finanzspritze airberlin noch retten können und wäre die Airline heute konkurrenzfähig? Vielleicht war airberlin nicht ausschließlich selbst am Untergang schuldig. Denn von der finanziellen Misere litt die Airline mit der Hauptstadt im Namen unter dem Chaos der Hauptstadt selbst. Der neue Hauptstadtflughafen BER ließ weiter auf sich warten. airberlin stand damals weiterhin ohne richtiges Drehkreuz da. Die Airline konnte nur punktuell Langstrecken von Berlin und Düsseldorf anbieten, aber sicherlich nicht im geplanten Ausmaß. Dieses sah sogar die Anschaffung eines Airbus A380 vor. Der BER konzipierte dafür sogar ein eigenes Gate.

Dazu diente airberlin als Dreh- und Angelkreuz für Passagiere von Abu Dhabi nach Nordamerika. Die Partnerschaft hätte also eine Menge Potenzial gehabt. Ein Makeover bestand ebenfalls, zumindest nach außen hin. Der neue Markenauftritt konnte aber nicht mehr öffentlich in Szene treten. Dazu konnte airberlin nicht den Premium-Standard von Etihad garantieren und musste kurzerhand ausgediente Business Class-Sitze in den eigenen Airbus A330 verbauen. Ein Drehkreuz in Berlin hätte ein deutlich größeres Streckennetz mit sich gebracht, die Partnerschaft mit Etihad und der oneworld, die Passagiere und ein neues Premium-Produkt hätte sogar die Konkurrenz ausstechen könnten.

Fazit zur Insolvenz von airberlin

Die Vorzeichen waren eindeutig. Der jahrelange Misserfolg des Managements musste die Airline in den Ruin führen. Leider! Denn das Potenzial wäre meiner Meinung nach noch heute da, die Altlasten dürften aber für einen Neustart zu groß gewesen sein. Dennoch ist es schade, wie eine so große und altehrwürdige Fluggesellschaft einfach fallen gelassen werden konnte. Heute vermisst man airberlin schmerzlich am Himmel. Dass ich das eines Tages sagen würde, hätte ich selbst nie gedacht. Denn damals trauerte ich nicht unbedingt um die Insolvenz, die schlechten Erfahrungen mit airberlin haben leider manchmal überwogen. Denn so richtig zuverlässig war airberlin bei meinen Reisen nie wirklich. Heute fehlt es am Himmel über Deutschland zur Lufthansa an Konkurrenz. Der Druck fehlt, um sich selbst endlich mal wieder zum eigenen Premium-Standard zu besinnen. Stattdessen bleibt uns nicht mehr übrig als mit der einzigen wirklich großen und verbliebenden deutschen Fluggesellschaft zu leben.

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Autor

Alexander Fink ist als Content Editor seit Januar 2021 für reisetopia tätig. Zuvor war er als Account Manager in der Industrie beruflich unterwegs und schrieb von seinen Reiseerfahrungen im eigenen Blog. Heute ist er Euer Ansprechpartner für alle Airline- und Kreditkartenthemen.

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