In vielen europäischen Ländern greift eine Art Lockdown, dennoch sind Reisen nicht gänzlich unmöglich. Das führt zu einer bizarren Situation, die für den lokalen Tourismus zu einer Katastrophe werden könnte.
Im Frühjahr war die Lage relativ klar: Reisen innerhalb von Deutschland waren genauso wenig möglich wie Grenzübertritte. Die gesamte Gesellschaft hat sich zusammengetan, um den Anstieg der Fallzahlen in den Griff zu bekommen und das Coronavirus zurückzudrängen. Seitdem hat sich viel verändert, zwischenzeitlich waren Reisen innerhalb Europas im Sommer auch wieder relativ problemlos möglich. Doch im November sieht die Welt schon wieder ganz anders aus – allerdings mit einer entscheidenden Ausnahme, die zu einer kuriosen Situation führt.
Von geschlossenen Grenzen zu vielfältigen Urlaubsmöglichkeiten
Als im März und April fast alle Länder das Coronavirus zurückdrängen wollten, waren Grenzschließungen das erste Mittel. Innerhalb von wenigen Tagen waren Einreisen für deutsche Staatsbürger – immerhin mit dem mitunter stärksten Pass der Welt ausgestattet – fast überall weltweit nicht mehr möglich. Gerade vom Tourismus abhängige Länder haben in den Monaten danach mehr und mehr den Weg eingeschlagen, die Grenzen wieder zu öffnen – zumindest in bestimmten Regionen. Während etwa Australien oder Neuseeland im Prinzip sowohl Ein- als auch Ausreisen untersagten und auch asiatische Länder selbst im Sommer keine Reisenden aus Europa willkommen heißen wollten, haben Länder wie die Malediven, aber genauso auch die Vereinigten Arabischen Emirate oder Länder in Südamerika sowie der Karibik schnell wieder die Grenzen geöffnet.
Seit das Coronavirus in Europa wieder auf dem Vormarsch ist, haben einige Länder zwar die Regeln verändert und manch einer möchte deutsche Staatsbürger schon wieder nicht mehr einreisen lassen – etwa Südafrika. Der Großteil der zwischenzeitlich wieder geöffneten Länder hat trotz der gestiegenen Infektionszahlen in Deutschland kein Problem damit, deutsche Touristen aufzunehmen. Die Zahl der möglichen Reiseländer ist dabei deutlich größer, als man im ersten Moment annehmen mag. Von Mexiko bis Brasilien, von Kuba bis Barbados und von den Malediven bis zu den Seychellen sind jede Menge interessante Ziele mit dabei, viele davon sind sogar besonders beliebte Urlaubsziele der Deutschen. Von Reisen wird im November 2020 genauso abgeraten wie noch im April oder Mai – verboten oder unmöglich sind sie anders als damals nicht. Das führt zu einer Situation, in der manch einer auf die Malediven jettet, der Urlaub in einem Ferienhaus aber verboten ist.
Keine Quarantäne bei vielen beliebten Zielen
Man mag berechtigterweise einwenden, dass ab 8. November eine Art indirektes Verbot für Reisen gilt, weil bei der Rückkehr aus einem Risikogebiet zwingend eine Quarantäne von zehn Tagen notwendig ist, die sich mit einem negativen Test nach fünf Tagen minimal verkürzen lässt. Mehr als eine Woche in Quarantäne zu müssen, dürfte die meisten aber dennoch davon abhalten, entspannt in den Urlaub zu fahren. Damit werden einige als Risikogebiete deklarierte Reiseziele in den nächsten Wochen sicherlich wieder an Beliebtheit verlieren. Gelten könnte das etwa für die Vereinigten Arabischen Emirate oder auch für die Malediven.
Gleichzeitig allerdings bleiben für diejenigen, die gerne reisen möchten, noch jede Menge andere Ziele. Zu nennen sind hier sicherlich primär die Kanarischen Inseln, die sich für einen Trip im November schon mit Blick auf das Klima anbieten. Doch für diejenigen mit höherem Budget gibt es auch noch einige andere Traumziele, die sich in diesen Zeiten erreichen lassen, ohne dass man danach in Quarantäne müsste. Die eine oder andere Karibikinsel wie Barbados ist hier genauso zu nennen wie etwa die Seychellen oder Mauritius. Es mag moralisch mit Blick auf das Abraten von Reisen zwar verwerflich sein, entspannt durch die Welt zu jetten und die schönsten Urlaubsziele zu genießen, während andere mit dem Lockdown Light kämpfen – verboten ist es aber nicht. Dass das Angebot zudem gut angenommen wird, zeigt die Zahl der verfügbaren Flüge. Beispielsweise haben fast alle Airlines das Angebot auf die Kanaren stark hochgefahren und ein Blick auf die Auslastung zeigt: Gut gebucht sind die Maschinen auch.
Nachholeffekt für den lokalen Tourismus wird abgeschwächt
Dass sich viele Hoteliers und Anbieter von Ferienunterkünften in Deutschland in dieser Situation ungerecht behandelt fühlen, dürfte niemand überraschen. Von Reisen innerhalb von Deutschland wird genauso abgeraten wie von internationalen Reisen. Gleichzeitig allerdings sind touristische Übernachtungen innerhalb von Deutschland verboten, touristische Flüge zu beliebten Urlaubszielen sind allerdings genauso erlaubt wie Übernachtungen vor Ort – bei Letzterem hat die Bundesregierung selbstverständlich auch nicht mitzureden. Dadurch, dass die Einschränkungen an vielen Urlaubszielen, etwa den Kanaren oder auch in der Karibik, zudem deutlich entspannter sind, ist eine Reise im November sogar besonders attraktiv. Genau in eine solche Situation wollte man mit einer solchen Regelung sicherlich nicht kommen.
Dennoch ist nachvollziehbar, warum manch einer jetzt noch das Weite sucht und lieber auf den Kanaren in der Sonne entspannt, in Restaurants essen geht und vielleicht sogar die eine oder andere Party feiert. In Deutschland ist all das nicht möglich – und dass voraussichtlich für viele Wochen oder vielleicht sogar Monate. Nach der Rückkehr ist dann nicht einmal ein Test auf das Coronavirus notwendig, sofern es sich beim Reiseziel um kein Risikogebiet handelt. Das führt selbstredend dafür, dass viele Reisende diese Chance nutzen und wenn sie in diesem Jahr noch verreisen möchten, lieber das Ferne suchen.
Die touristischen Betriebe im Inland, die viel Geld in Hygienekonzepte investiert haben, müssen dagegen großenteils schließen. Das ist aber anders als im Frühjahr nicht das einzige Problem, denn als gar keine Reisen möglich waren, wurde das Urlaubsgeld gespart und zu einem späteren Zeitpunkt ausgegeben. Das könnte die strauchelnde Branche noch einmal stark treffen. Ein relevanter Teil der Bevölkerung wird zwar vermutlich in diesen Zeiten nicht entspannt in den Urlaub fliegen, dennoch wird der Nachholeffekt geringer ausfallen als im Sommer – besonders wenn man bedenkt, dass bei einem “Neustart” der Reisen möglicherweise auch Reisen ins Ausland wieder möglich sein werden, zumindest innerhalb der Europäischen Union. Auch das war im Frühsommer anders, was die touristischen Betriebe im Inland besonders hart treffen dürfte.
Eine alternativlose Entscheidung mit vielen Fragezeichen
Das Schlimme an der aktuellen Situation ist, dass man niemanden wirklich einen Vorwurf machen wollte. Selbstredend war es geboten, eine politische Entscheidung zu treffen, um die Infektionszahlen zu senken. Die Mobilität und damit auch Reisen einzuschränken ist dabei ein nachvollziehbarer Schritt, allerdings sorgt die sehr allgemeine Regelung für Deutschland und gleichzeitig löchrige Regelung für Auslandsreisen dazu, dass die falschen Anreize gesetzt werden. Das wird sich wohl in den nächsten Wochen nicht ändern lassen – zum Schaden für alle touristischen Betriebe in Deutschland.