Seit nunmehr über einem Jahr wütet die Covid-Pandemie weltweit, ein klar datiertes Krisenende ist nur noch ein weit entfernter Traum. Im Rahmen einer neuen Interviewreihe sprechen wir mit Experten und Branchenkennern, Luftfahrtmitarbeitern und Krisen betroffenen über direkte und indirekte Auswirkungen der Pandemie, individuelle Ansichten, Hoffnungen, Meinungen – und natürlich die Zukunft. Unser erster Gesprächspartner: Herr Stefan Hein.

Stefan Hein ist langjähriger Mitarbeiter von Rolls-Royce Deutschland und Bezirksgruppenleiter der DGLR Berlin Brandenburg. Im Kontext dieses Interviews fungiert er nicht als offizieller Vertreter. Sämtliche im Gespräch erwähnten Statements, Meinungen und Äußerungen sind subjektiv und entsprechen keiner offiziellen Darstellungsweise des Unternehmens. 

Wie können sich unsere Leser die tägliche Arbeit eines Bezirksgruppenleiters bei der DGLR vorstellen?

SH: Die deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) ist in mehrere Einheiten strukturiert, beispielsweise die verschiedenen Bezirksgruppen und Fachbereiche, Fortbildungsmaßnahmen und weitere Angebote. Ich persönlich bin der Bezirksgruppenleiter für Berlin und Brandenburg, was sich meist auf Berlin bezieht. Meine Tätigkeiten sind beispielsweise die Organisation und Moderation von wissenschaftlich-technischen Vorträgen. Hierfür trete ich mit potenziellen Referentinnen und Referenten in Kontakt und verabrede – normalerweise – Präsenzvorträge an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), soweit das bisher eben möglich war.

Was macht die Tätigkeiten für den DGLR für Sie persönlich bereichernd? Ist es der Austausch mit anderen Mitgliedern, die Forschungsaspekte oder Jugendförderung?

SH: Bei diesen Präsenzvorträgen ist die Kontaktaufnahme meist sehr intensiv. Neben den Studierenden dürfen aber alle Interessierten an diesen Vorträgen teilnehmen – also Fachleute wie Laien – und können sich nicht nur mit den Themen, sondern auch den Referenten auseinandersetzen. Zudem bieten wir zweimal im Jahr einen sogenannten DGLR-Abend an. Da bleiben wir und die Referenten abends dann etwas länger, essen und trinken eine Kleinigkeit und laden an Stehtischen zum gemeinsamen Austausch ein. Durch die Universität haben wir glücklicherweise auch Kontakt zu diversen Nachwuchsgruppen der DGLR, deren Teilnehmer natürlich ebenfalls eingeladen sind und somit ihre eigenen Projekte im Hintergrund ausstellen und vorstellen können. Die Studierenden haben häufig Exponate oder Plakate mitgebracht und präsentieren ihre Projekte in Kleingruppen in vier verschiedenen Ecken des Raumes, wie bei einer Kunstausstellung. In diesem Bereich des Informierens und Vernetzens darf ich mich ausleben, denn wir können unsere Erfahrungen an die jungen Menschen weitergeben. Um diesen Austausch zu intensivieren, habe ich vor etwa zehn Jahren einen Stammtisch gegründet.

Inwiefern hat der Pandemiebeginn im vergangenen Frühjahr die Arbeitsweise verändert, findet Austausch und Interaktion heute vorrangig online statt? Funktioniert das besser oder schlechter? Und wird über eine langfristige Umstrukturierung der Arbeitsweise hin zu digitalem Austausch debattiert?

SH: Unsere Arbeit wurde leider sehr drastisch eingeschränkt. Sämtliche Präsenzveranstaltungen an der TU Berlin sind abgesagt worden, bis heute. Auch die Stammtische sind verschwunden, nur im letzten Sommer durften wir noch eine Veranstaltung mit etwa zwölf Personen abhalten, doch das ist nun schon auch ein Dreivierteljahr her (Anm. d. Red.: Nur wenige Tage vor Veröffentlichung dieses Textes wurde erstmals wieder ein Stammtisch abgehalten, zu welchem auch die beiden Autoren eine Einladung erhielten). Wir haben natürlich unsere Referenten gebeten, Online-Vorträge zu halten und haben erstaunlicherweise festgestellt, dass unsere Reichweite viel größer wurde. Durch das Internet hatten wir auf einmal den gesamten deutschsprachigen Raum zur Verfügung, sodass sich die Teilnehmerzahlen zu unseren Vorträgen plötzlich verdreifachten. Das führte tatsächlich zu einer kleinen Konkurrenzsituation mit den anderen zwölf Bezirksgruppen; wir mussten uns terminlich erst einmal koordinieren, damit abends nicht zwei Vorträge gleichzeitig angeboten werden (lacht). Wir haben uns natürlich Gedanken gemacht und stehen für den Stammtisch schon wieder in den Startlöchern.

Durch die gestiegenen Teilnehmerzahlen möchten wir künftig Hybrid-Veranstaltungen bieten, also den Präsenzvortrag digital aufzeichnen, um ihn anschließend im Internet als Stream freizugeben. Natürlich merken wir trotzdem mit jedem weiteren Tag der Pandemie, wie sehr die persönliche Vernetzung fehlt – und sich leider auch nicht einwandfrei mit Videotelefonaten ersetzen lässt. Ein Netzwerk ist dynamisch und muss außerdem gepflegt werden.

Blicken wir einmal etwas konkreter in die Zukunft. Am Standort Bayern tüftelt Rolls-Royce aktuell an Flugtaxis. Was können wir von den Elektroantrieben in der Zukunft erwarten, denn SAFs sollen ja vorerst die mittelfristige Lösung sein?

SH: Nun wollen wir die Flugtaxis erst einmal außen vor lassen, denn dafür sehe ich wenig Chancen in den kommenden zehn Jahren. Wir haben hier in Deutschland sehr starke Regularien, das wird wohl irgendwie in den Vereinigten Arabischen Emiraten zuerst getestet und umgesetzt werden. Aber das ist meine persönliche Meinung, das kann auch ganz anders verlaufen. 

Bezüglich der elektrischen Antriebe oder Hybridantriebe wird Rolls-Royce seine Forschung und Entwicklung deutlich steigern. Rolls-Royce betreibt ein System der Universal Technology Center UTCs um gemeinsam mit den Universitäten Entwicklungs- und Forschungsprojekte zu betreiben. Dafür werden Drittmittel und weitere Unterstützungen, wie Lehrbeauftragte gegeben. Ich unterrichte selber an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg seit vier Jahren und wir haben dort als Schwerpunktthema eben auch die Elektrifizierung von Triebwerken und natürlich Flugzeugen. Sprich, wir entwickeln mit einem lokalen Flugzeugbauer, der Firma Apus, und der BTU Cottbus zusammen einen Prototyp, der eine einzelne Jagdturbine in das Flugzeug hineingesetzt bekommt – nicht als Strahlantrieb, sondern als Generatorantrieb. Dieses Flugzeug wird so gebaut, dass das Treibwerk einen Generator antreibt, um vier sehr effiziente Propeller anzutreiben, selbst das Restabgas wird auch noch zur Schuberzeugung genutzt. 

Rolls-Royce hat gerade eine sehr große Expertise geschaffen für Elektroantriebe. Es hat den Bereich der Firma Siemens für Luftfahrt-Elektroantriebe komplett übernommen und in den Konzern eingegliedert, um dieses Know-How weiterzutragen. Wir haben hier in Rolls-Royce Deutschland mit diesem Hybridflugzeug, das wir mit bauen werden, dann also bald auch noch die Funktion eines Flugzeugherstellers, im übertragenden Sinn natürlich. Während in England schon andere vollelektrische Flugzeuge als Hochleistungsflugzeuge eingesetzt werden – da gibt es aktuell einen einzelnen Prototyp, der schon unterwegs ist. 

Andere Programme sind leider der Pandemie zum Opfer gefallen. Wir hatten beispielsweise vor, mit der Firma Siemens zusammen eine kleine Jumbolino mit vier Antrieben so auszustatten, dass einer dieser Antriebe durch einen elektrischen angetriebenen Blazer ersetzt wird. Das Projekt ist leider der Pandemie zum Opfer gefallen, denn die Kosten waren leider für alle Seiten zu hoch, sodass man sich da reduzieren musste. Aber es geht weiter und es wird in den nächsten Jahren in der Richtung mit den neuen Prototypen viel weiter gehen. 

SAFs dienen aktuell lediglich als mittelfristige Lösungsstrategie, hinter Wasserstoffspaltung steht die große Frage der vorausgehenden Energiegewinnung, immer wieder sprechen wir über fehlende Alternativen zum Flugverkehr, auch aus der Politik. Welche sind aktuell die drei größten Herausforderungen für die nachhaltige Luftfahrt?

SH: Also die größte Schwierigkeit sehe ich darin, für die bestehenden Gasturbinen eine Alternative zu schaffen. Denn die Leistungsdichte ist die größte, die ein Antrieb oder Motor überhaupt abgeben kann, und so etwas zu ersetzen ist extrem schwer. Wir wissen, dass wir mit Batterien und Elektromotoren ein enormes Gewicht mit in die Luft nehmen und diese Leistungsgröße kriegen wir gar nicht gestemmt, also in die Luft. Das wird auch noch sehr lange dauern, bis wir entsprechende Akkumulatoren haben, die die Energie auch mitnehmen können.

Zu mir hat mal einer der Vorstandschefs, der ausgeschieden ist, gesagt, dass der letzte Tropfen Kerosin, der letzte Tropfen Erdöl in der Luftfahrt verbrannt wird. Alle anderen werden schneller und einfacher umsteigen können, weil sie dieses Leistungsgewichtproblem nicht mitbringen. Ich kann einen Zug durch einen Elektroantrieb beispielsweise problemlos etwas leichter machen, aber bei einem Flugzeug funktioniert das leider nicht. Wenn ein Flugzeug plötzlich schwerer wird, brauche ich sofort neue Tragflächen und einen deutlich stärkeren Antrieb, um das Flugzeug überhaupt in die Luft zu bringen.

Die Alternativen in diese Richtung sind eben das, was zum Beispiel von Airbus vorgeschlagen wird mit Wasserstoffantrieben, aber da muss man sich die Konstruktion genau anschauen. Da werden normale Flugzeuge genommen und die Passagierräume vorne und hinten nochmal vergrößert, sodass in diesem Bereich riesige Tanks untergebracht werden, nur um dieses große Volumen unterzubringen, das Wasserstoff eben mit sich bringt. Wasserstoff ist auch in flüssigem Zustand sehr leicht, hat aber immer noch ein riesiges Volumen. Man kommt also nicht auf die Energiedichte, die man mit Kerosin erhält. 

Deshalb denke ich, dass diese Sustainable Aviation Fuels (SAFs) kurzfristig, eher mittelfristig die Zukunft sind, um emissionsneutral zu fliegen. Da sehe ich im Moment den größten Hebel, weil wir hier auch bestehende Technologien am leichtesten in diese Richtung anpassen können. Es kommt dann nur noch darauf an, wie diese SAFs erzeugt werden. Wir sehen es bei der Elektrizität, also power to fuel, oder – andersherum – waste to power/fuel. An diesen Strategien wird man ansetzen, um neutral zu werden. Doch es wird sehr schwer werden, grünen Wasserstoff oder überhaupt grüne Kraftstoffe zu entwickeln, die nicht nur Gewicht- sondern auch Kosten-mäßig im Rahmen bleiben. 

Nun, das klingt nach vielversprechenden Zukunftsaussichten. Ich würde gerne nochmal einige Monate zurückspulen, als man in den Medien von pandemiebedingt verringerten Emissionen lesen konnte, auch und vor allem aufgrund von Lockdowns, Ausgangssperren und der so massiv eingeschränkten menschlichen Mobilität. Würden Sie diese These mit Blick auf die heutige Situation etwa ein Jahr nach Pandemiebeginn stützen, dass die Coronakrise uns in Sachen Nachhaltigkeit tatsächlich geholfen hat? Oder ist die Ausgangssituation nun schlimmer als noch vor einem Jahr?

SH: Diese Frage ist nicht mit ‚ja’ oder ‚nein‘ zu beantworten. Ich könnte mich auf einen einzelnen Bereich konzentrieren, dann hätten wir praktisch sofort ein klares ‚ja’ – sehen wir uns jedoch einen anderen Bereich an, müsste die Antwort mit einem deutlichen ‚nein‘ ausfallen. Aber beginnen wir doch mit dem ‚ja’, das klingt schöner. Alle Flugzeuge, die vierstrahlig sind, sind im letzten Jahr am Boden geblieben – egal welche, sie sind alle – wortwörtlich – aus dem Verkehr gezogen worden. Nur sehr wenige Maschinen sind wieder in die Luft gekommen, sprich eine Handvoll der modernsten Jumbos sind aktuell noch unterwegs und einige wenige verbleibende A380. Das war’s dann aber auch. 

Warum? Ein vierstrahliges Flugzeug verbraucht Bauart-bedingt deutlich mehr Kerosin als ein zweistrahliges Flugzeug. Das ist eine physikalische Frage: Wenn ich zwei Antriebe habe, die das Gleiche leisten, wie vier Antriebe, dann sind diese zwei Antriebe von den Oberflächen, den Verlusten von der Leistungsausbeute schlichtweg effizienter. Damit hätten wir also bereits unsere erste Antwort, dass die Pandemie die internationale Luftfahrt also derart in die Knie gezwungen hat, dass hinterher nur noch die effizientesten aller Maschinen in die Luft zurückkehrten. Alle anderen Flugzeuge, die eigentlich noch bis zu zehn Jahre hätten weiterfliegen können, bleiben für immer am Boden und werden nicht mehr fliegen. Das also wäre der positive Effekt, allerdings wird man diese Entwicklung in der Gesamt-Co2-Belastung schlichtweg nicht merken. Sie verschwindet, ist nicht da.

Wir werden natürlich optisch sehen, dass wir insgesamt weniger Flugzeuge haben und mehr zweistrahlige Maschinen unterwegs sind. Wir werden sicherlich auch akustisch hier und da eine geringere Lärmbelästigung wahrnehmen, aber an den Gesamtemissionen haben diese fast keinen Anteil. Es ist der wirtschaftliche Zwang, durch welchen diese Flugzeuge verschrottet wurden – so leid es mir auch tut. 

War die internationale Luftfahrtindustrie auf eine Krise dieser Größenordnung vorbereitet? Gab es oder gibt es vielleicht heute Krisenmanagement und Notfallpläne für die Zukunft? 

SH: Natürlich nicht. Es gab zwar schon Erfahrungen, beispielsweise wenn wir an die Sars-Epidemie in Südostasien denken, denn dort ist der Luftverkehr zwischenzeitlich auch massiv eingebrochen, nur war das sehr weit weg. Aber die Erfahrungen und der Umgang damit sind natürlich geblieben bei den Airlines und Fluggesellschaften, wenngleich man das nicht als Strategie bezeichnen könnte, nein. Sie müssen relativ schnell und relativ kurzfristig reagieren, und wenn sie profitorientiert sind, müssen sie alles tun, um Kapital- oder Geldabflüsse eben deutlich zu reduzieren. Hätte es die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung nicht gegeben, dann wären etliche Fluggesellschaften daran zugrunde gegangen und hätten es einfach nicht geschafft. Wir haben im Rahmen der Kurzarbeit in Dahlewitz auch davon profitiert, dass unsere Arbeit uns erhalten blieb. 

Nun wird zuletzt ja immer wieder von Virologen, Medizinern und Forschern darauf hingewiesen, dass dies wohl bei weitem nicht die letzte Pandemie gewesen sein wird, die wir auf diesem Planeten erleben. Durch Mutationen und ständig neue Virusvarianten ist ein klar datiertes Ende der Pandemie ohnehin nicht absehbar, stattdessen sprechen wir aktuell von ersten Impfauffrischungen nach etwa sechs Monaten. Haben Sie ganz persönliche Einblicke, Gedanken oder auch Informationen dazu, inwiefern die nationale Luftfahrt vielleicht Absicherungen, Vorbereitungen oder Krisenstrategien erarbeitet, falls noch einmal eine vergleichbare Krise passiert?

SH: Das ist in der Tat schwierig. Meistens werden technische Lösungen herangezogen; bei den Fluggesellschaften sind das meist spezielle Filter, die die Umluft reduziert, um von Aerosolen zu befreien, denn Viren kann man nicht aus der Luft herausholen. Lediglich die Virenträger lassen sich mithilfe dieser Filter eindämmen. Das wär’s dann aber schon fast, denn ansonsten bleiben lediglich die Vorgaben der Regierungen. Aktuell sitzen die Passagiere ja mit Mundschutz in den Fliegern und die Airliner versuchen, Filter bestmöglich einzusetzen. Aus meiner Sicht ist das die einzige Chance der Luftfahrt, denn alles andere sind finanzielle und politische Strategien, in die ich keinen Einblick habe. Von der DGLR weiß ich in diese Richtung leider auch nicht viel.

Unsere nächste Frage zielt ab auf die medial so viel beachtete Trendumkehr, die die Pandemie im Bezug auf Geschäftsreisen hervorzurufen scheint. Ein langfristiger Umschwung von Geschäftsreisen und persönlichen Zusammenkünften hin zu Videotelefonaten und digitaler Kommunikation scheint postpandemisch fast schon erwartet zu werden, vielerorts wird ein Beibehalten der Home-Office-Regelungen debattiert. Sie selbst hatten bereits angesprochen, dass die Veranstaltungsreihe bei der DGRL vorübergehend digital funktioniert, der persönliche Austausch und insbesondere das Netzwerken allerdings massiv eingeschränkt ist. Würden Sie allgemein diesem Trend weg von Geschäftsreisen zustimmen und glauben Sie, dass sich das auch in ihrem eigenen Berufsalltag bemerkbar machen wird? 

SH: Sagen wir es so: Es wird sich natürlich bemerkbar machen. Es werden etwas weniger Geschäftsreisen durchgeführt, aber das Geschäft, der Verkauf, die Entwicklung und der Austausch zwischen den Ingenieuren und den Fachbereichen bis hin zu den Universitäten lebt davon, dass man dort persönlich hinfährt und sich austauscht. Wir stellen immer wieder fest, dass man in diesen Online-Gesprächen immer viel erzählt, aber einige Dinge werden dann eben doch erst in der Runde beim Kaffee am Stehtisch möglich, weil durch zufällige Gespräche neue Anwendungen oder Ideen entstehen, oft eher durch den Moment. Die Zusammenarbeit funktioniert durch Geschäftsreisen einfach deutlich persönlicher – und manchmal eben effektiver.

Ich muss aber zugeben, wir haben jetzt diese Erfahrung mit Onlinekonferenzen und Gesprächsterminen – selbst wir drei sprechen gerade in einer Videokonferenz miteinander – und in dieser Richtung wird sich viel tun, wir werden das spüren und vermutlich auch hier auf Hybrid-Lösungen setzen. Vielleicht einige Tage der Woche von Zuhause aus arbeiten. Aber die Präsenz vor Ort wird dennoch enorm wichtig bleiben.

Im Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen in diesem Herbst hatte es zuletzt immer wieder hitzige Diskussionen zur deutschen Klimaschutzstrategie gegeben, im Wahlkampf debattierte man ein Flugverbot für Kurzstrecken, wie es in den letzten Jahren zum Beispiel in Frankreich der Fall war. Auch hier möchten wir Sie gerne erneut nach ihrer ganz persönlichen Einschätzung fragen: Wie bewerten Sie ein potenzielles Inlandsflugverbot und gegebene Alternativen? Halten Sie dies für den richtigen Ansatz zur richtigen Zeit?

SH: Da fragen Sie mich nun aber wirklich nach meiner ganz persönlichen Meinung. Man muss sich zuerst einmal überlegen, was man mit Kurzstrecke überhaupt meint. Wenn man von einer Entfernung von etwa 400 bis 500 Kilometern spricht, dann kann man da die Kurzstrecke versuchen, zu verdrängen. Von Verboten halte ich grundsätzlich nicht viel. Ich finde, wenn man diese Strategie fahren möchte, dann müsste man auch sehr konsequent die Bundesbahn fördern, denn der Luftverkehr wird auch gefördert: Wir wissen, dass der Kerosinkraftstoff unbesteuert ist. Nur können wir das leider auch nicht ändern, weil wir sonst von der Konkurrenz aus dem Ausland überrollt werden. Ich möchte nur kurz erwähnen, dass die Flugzeuge ihren Kraftstoff dann einfach mitbringen (würden) und nach der Landung einfach wieder wegfliegen. Was bedeutet das? Die Flugzeuge verbrauchen deutlich mehr Kraftstoff, weil sie schwerer sind. Damit haben wir es dann wieder: Die deutschen Fluggesellschaften haben einen Nachteil und die ausländischen Fluggesellschaften kommen mit ihrem eigenen Kraftstoff an und verursachen nur noch mehr Emissionen. Man müsste eine ganz massiv gute Alternative schaffen, um den Kurzstreckenflugverkehr zurückzudrängen. Das heißt, die Bundesbahn müsste stark aufgerüstet und genauso wie der Flugverkehr subventioniert werden, und außerdem müsste man ihr steuerliche Hilfestellung geben, sodass dieses Verkehrsmittel besser genutzt werden kann. 

Wenn man längere Strecken hat als 600 bis 700 Kilometer, wird es schon schwieriger, das auf die Schiene zu verlegen. Das funktioniert langfristig nur, wenn die Züge noch deutlich schneller werden. Doch unsere ICE’s beispielsweise sind jetzt schon am Ende, es gibt zwar den ICE 2 mit fast 300 km/h, aber beim ICE 3 haben wir dann gesehen, dass es schlichtweg wirtschaftlicher ist, langsamer zu fahren. Verbote aber werden eben immer diejenigen Menschen treffen, die wenig Raum für Alternativen haben und sich sehr stark einschränken müssen. Also, grundsätzlich halte ich nichts von Verboten, sondern viel mehr von gezielter Förderung. 

Ich weiß nicht, inwiefern Sie tatsächlich Einblicke geben können in die Marktprognosen von Rolls Royce, aber wir hatten eben ja bereits den zivilen Geschäftsreiseverkehr angesprochen, der vermutlich in den kommenden Jahren eher abnehmen wird. Auf der anderen Seite haben wir bei der General Aviation in Frankfurt ein unglaublich hohes Flugaufkommen gesehen. Müssen wir das also eher als kurzfristige Veränderung wahrnehmen oder könnte man sich auch im Kontext eines potenziellen Inlandsflugverbotes vorstellen, dass es hier zu einer langfristig und nachhaltigen Umstrukturierung kommen wird? 

SH: Natürlich, hier wird in den kommenden Jahren vermutlich ein erster Schritt der Verdrängung vom zivilen hin zu vermehrtem Privatverkehr passieren. Natürlich werden einige der großen Flugzeuge verschwinden und durch mehrere kleinere Maschinen ersetzt, aber diese aktuelle Zunahme des Privatflugverkehrs im vergangenen Jahr hat tatsächlich eher etwas mit den Pandemie-Regeln zu tun. Wenn zwischen zwei Ländern die Möglichkeit besteht, zu reisen, ohne die anschließenden 14 Tage in Quarantäne zu verbringen, dann mache ich das. Wenn ich dann aber Gefahr laufe, eventuell nicht mehr nach Hause zurückzukommen, weil sich die Situation in der Zwischenzeit verschlechtert hat, dann kann ich als etwas höherer Geschäftsführer natürlich viel besser mit einem Geschäftsreisejet fliegen.

Wir haben im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, dass der Geschäftsreiseverkehr innerhalb der USA tatsächlich mehr oder weniger gleich geblieben ist, oder teilweise sogar zugenommen hat, weil es diese Art von Einschränkungen dort nicht gab. In Amerika konnte man jederzeit ohne Einschränkungen von Küste zu Küste fliegen, sodass es hier auch kaum einen Einbruch gab.  

Im zweiten Teil des Interviews mit Stefan Hein haben wir seine Tätigkeit bei Rolls-Royce und Entwicklungen des Unternehmens am Berliner Standort näher beleuchtet. Dieser Teil erscheint am 8. August 2021.

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Autorin

Lilli ist am liebsten in den Wolken - und das nicht nur mit ihrem Kopf. Schon als Kind tourte sie mit einer Tanzgruppe durch Europa, heute ist Fernweh ihr ständiger Begleiter. Wenn sie sich nicht gerade mit ihrem Studium in Berlin beschäftigt, sitzt sie irgendwo auf der Welt hinter ihrem Laptop und berichtet für Euch über die angesagtesten Travel News rund um den Globus - direkt hier auf reisetopia.de!

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