Früher war die First Class nur etwas für Superreiche und Superbekannte. Otto Normalflieger konnte nur ahnen, was dort vorn (oder, im Fall der Boeing 747, oben) hinter den Vorhängen ablief. Berge von Kaviar. Champagner in Strömen. Beinfreiheit ohne Ende. Doch geht es mit der Reiseklasse wenige Jahrzehnte später dem Ende hinzu oder schafft die First Class ein Comeback?
Dann, im Jahr 2000, stellte British Airways seinen neuen Business Class-Sitz vor, genannt Club World. Komplett flach – ein Novum in der Business Class. Kein Vergleich zu Lufthansas „Rutsche des Grauen“, an die sich viele Lufthansa-Flieger vielleicht noch zu gut erinnern können. Dieser Lie-Flat-Sitz setzte sich in der Industrie rasch durch und wurde schon bald zum Standard in der Business Class. War es da noch gerechtfertigt, tausende von Euros mehr auszugeben, um noch ein wenig mehr Beinfreiheit zu haben?
Hat die sinkende Nachfrage für neue Innovationen gesorgt?
Die Nachfrage sank immer mehr und die Finanzkrise von 2008 tat ihr Übriges, um den Markt für die First Class schrumpfen zu lassen. Aber die Airlines rüsteten auf. Die Menüs wurden immer ausgeklügelter, der Champagner immer teurer. Außerdem lockten Zugaben: Pyjamas, Hausschuhe und kleine Rimowa-Köfferchen sollten die Kundschaft bei der Stange halten.
2017 folgte der nächste Schritt. Getreu dem Motto „Das Bessere ist des Guten Feind“ stellte Qatar auf der Internationalen Tourismus Börse in Berlin seine QSuite mit dem Slogan „First in Business“ vor. Appartements mit verschließbaren Türen, Dine on Demand, Nachbarsitze, die sich in Doppelbetten verwandeln lassen – all das ließ die Fachwelt aufhorchen. Al Baker, der wort- und redegewandte Qatar-Chef, hatte sich sein Denkmal gesetzt. Das Ende der First Class schien besiegelt. Und doch setzte sich die First Class weiterhin durch. Bars und Duschen an Bord, behandschuhte Butler – man ließ nichts unversucht, um diese Reiseklasse zu retten. Auch die Airlines sahen ein, dass sie mit ihren diversen Kostensenkungsprogrammen wohl ein bisschen zu tief gesunken waren.
Sind weniger Sitze der neue Königsweg?
First Class ja, aber weniger Sitze – so lautet das Fazit. Lufthansa halbiert die Anzahl der Sitze in der First von 16 auf acht auf den 747-8 und A380. Bei der 777X wird es wohl mit dem halbieren weitergehen – nur noch 4 Sitze sind dann geplant. Soviel, wie Air France heute schon anbietet in der Boeing 777. Emirates – die Airline mit den meisten First Class-Sitzen weltweit – reduzierte die Anzahl der Sitze auf den neukonfigurierten 777 von acht auf sechs.
Bei den A380 aus Dubai munkelt man auf eine Reduzierung von 14 auf 11. Auch bei British Airways – wahrscheinlich die Nummer zwei, wenn es um die Anzahl der First Class Sitze geht – schrumpft die Anzahl dieser Sitze mit jedem neuen Flugzeugtypen, der eingemustert wird.
Wer bucht die First Class den überhaupt noch?
Als potenzielle Kunden für die First Class fallen mir drei Gruppen ein: Superreiche; Top-Führungskräfte, die von gelockerten Reiserichtlinien profitieren und Meilensammler. Auch die Zahl der neuen Superreichen steigt beständig und so gibt es eine gestiegene Nachfrage nach luxuriösen Reisemöglichkeiten. Besonders zwischen den Finanzmetropolen wie Singapur, London, Hongkong, Dubai und New York fliegen die meisten First Class-Sitze und die Auslastung ist gut.
Auch in Firmen darf (zumindest die oberste Führungsetage) häufig wieder in der First Class statt in der Business Class fliegen. Im Zuge der letzten Finanzkrise wurden Reisebudgets zusammengestrichen und Reiserichtlinien strenger ausgelegt. Diese Regelungen lockern sich gerade wieder und auch hier steigt die Nachfrage nach komfortablen Reisen, bei denen man am Zielort ankommt und sofort ins Meeting kann. Allerdings gilt natürlich auch dies nur für ausgewählte Unternehmen und auch hier meist nur für die wichtigsten Führungskräfte.
Und dann ist natürlich die Gruppe, für die ein Flug in der First Class vermutlich die größte Faszination ausübt – leidenschaftliche Sammler von Bonusmeilen und -punkten. In unseren Kreisen ist ein Flug in der First Class noch immer das ultimative Ziel. Es entbrennt ein regelrechter Wettlauf, wie man möglichst schnell und möglichst günstig an ein solches Ticket kommt. Es ist ein ständiger Kampf – Airlines müssen auf der einen Seite versuchen, die zahlende Kundschaft nicht zu vergraulen und beschränken so die Verfügbarkeiten von Prämientickets; andererseits dürfen sie die Kundenkartenbesitzer nicht vergrätzen und müssen wenigstens ein paar der begehrten Sitze gegen Meilenwährung eintauschen. Eine Gratwanderung.
Ist die First Class überhaupt ihren Preis wert?
Ist die First Class nun ihren Preis wert – egal ob in Geld oder Meilen? Ich komme gerade von einem Flug in der Cathay Pacific First Class zurück und kann nur sagen: definitiv. Es ist weniger das ‚hard product‘ wie Sitz, Kabine und Essen. Eine Dusche über den Wolken ist sicherlich ein nettes Gimmick, aber der wirkliche Reiz für mich ist das ‚soft product‘. Die Flugbegleiter gehen individueller auf meine Wünsche ein; der Service ist aufmerksamer und fühlt sich nicht so nach „Fließbandarbeit“ an. Wer einmal den Menü-Service bei Emirates in der Business in deren Airbus A380 erlebt hat, weiß wovon ich rede.
Wenn ich nach einem Flugbegleiter klingele, ist in der Regel innerhalb von zwei Minuten jemand für mich da. Auf meinem Cathay Flug wurde ich schon komisch angeguckt, als ich meine Teetasse in die Galley brachte – ich wollte mir einfach mal ein wenig die Beine vertreten. Das war offensichtlich ein ungewöhnlicher Anblick für die Damen und Herren. Der große, überbreite Sitz war einfach gemütlich wie mein Sofa zu Hause. Und bei einem Flug über Nacht gibt es für mich einen weiteren großen Vorteil: ich werde sanfter geweckt. Das Frühstück wird individueller serviert. In der Business Class habe ich es oft erlebt, dass das Kabinenlicht schlagartig angestellt wurde – Wecken bei der Bundeswehr kann nicht schlimmer sein.
Aber schon vor dem Flug verspricht das First-Erlebnis ein ganz besonderes zu sein. Zumindest an den jeweiligen Heimatflughäfen findet man Lounges, die mit Superlativen nur so glänzen. Egal ob Lufthansas First Class Terminal in Frankfurt oder British Airways Concorde Room in London, hier gibt es (fast) alles geboten, was das Herz begehrt. Große Bäder und Duschen, Bügelservice, faszinierendes Essen. Leider ist nicht jede First Class Lounge so eine Augenweide. Einen Reiz behält die First Class auf jeden Fall noch – bleibt nur die Frage: Reicht das, um auch genügend bezahlende Kunden zu gewinnen? Eines nämlich steht fest – nur mit durch Meilen bezahlten Tickets verdient keine Fluggesellschaft Geld.
Was denkt Ihr? Kann die First Class eine Comeback schaffen?