In den letzten Monaten hatte ich die Gelegenheit insgesamt eine dreistellige Zahl an Strecken mit dem TGV zu fahren, auch mit dem ICE war ich schon genauso häufig unterwegs. Bleibt die Frage: Warum klappt es in Frankreich insgesamt besser?

Man könnte fast sagen, dass Zugfahren und die Bahn ein emotionales Thema sind. Vermutlich war jeder schon einmal von einer Verspätung, oft auch einem Ausfall betroffen. Besonders in Deutschland scheinen die Leute teilweise gar einen regelrechten Hass gegen die Bahn zu haben. Das ist natürlich übertrieben, aber ohne Zweifel liegt viel im Argen. In Frankreich dagegen ist die Situation eigentlich nicht groß anders, doch die Leute scheinen die Bahn ganz anders wahrzunehmen. Warum?

Mehr Komfort, neuere Züge – in Deutschland

Das ist besonders deshalb etwas verwunderlich, weil der Zustand und der Komfort der Züge in Deutschland generell eigentlich höher ist. Im Besonderen will ich mich hier auf den Fernverkehr konzentrieren, wo die meisten TGVs doch ziemlich in die Jahre gekommen sind.

In Deutschland dagegen ist zwar beileibe nicht alles Rollmaterial neu, die meisten ICEs haben aber im Schnitt etwas jüngere Wagen. Doch das ist nicht alles, auch der Sitzabstand ist im ICE signifikant angenehmer, die Sitze scheinen nicht nur auf den ersten Blick bequemer.

Auch im Nahverkehr zeigt sich ein ähnliches Bild, teilweise sind die Züge in Frankreich hier so schlecht, dass man denkt über 50 Jahre in der Zeit zurückversetzt zu sein. Am Komfort kann es also eigentlich nicht liegen, dass die Deutschen Bahn unbeliebt und SNCF vergleichsweise beliebt ist.

Mehr Pünktlichkeit, weniger Ausfälle – in Frankreich

Ganz anders, und genau das ist sicherlich ein wichtiger Faktor, sieht es bei der Pünktlichkeit aus. In Deutschland hat man das Gefühl, dass die Züge fast chronisch unpünktlich sind. Persönlich nehme ich das weniger schlimm wahr, von zehn Zügen ist im Schnitt nur einer stark verspätet, mindestens fünf sind aber leicht verspätet – nicht problematisch, aber irgendwie nervig.

In Frankreich dagegen hatte ich bei über 100 Fahren gerade zwei Mal eine Verspätung von mehr als 30 Minuten, in mehr als 80 Prozent der Fälle bin ich auf die Minute genau angekommen, die restlichen Züge waren ebenfalls kaum verspätet. Ein Grund dafür findet sich im Streckennetz, denn auf einigen Schnellfahrstrecken ist (fast) ausschließlich der TGV unterwegs.

Auch die Zahl der Zugausfälle war in Frankreich extrem gering, eigentlich fast nicht vorhanden. Eine geänderte Wagenreihung habe ich zudem nicht ein einziges Mal erlebt.

Mehr Streiks, mehr Kommunikation – in Frankreich

Vermutlich erinnert sich fast jeder an Klaus Weselsky, die Lokführergewerkschaft und die Dutzenden Streiks der vergangenen Jahre. Nun, das ist im Verhältnis ein guter Witz, denn allein in meinen letzten drei Monaten in Frankreich wurde in zweien insgesamt 45 Tage gestreikt.

Das klingt natürlich jetzt auf den ersten Blick ganz schlimm, aber in Frankreich hat man sich an diesen Status gewöhnt. Die Passagiere sind absolut entspannt, die Kommunikation über Zugausfälle funktioniert sehr gut, neue Buchungen werden einfach von vorneweg provisorisch geblockt. Möglich ist eine Buchung erst dann wieder, wenn ein Zug auch sicher fährt.

Während im ersten Streikmonat die Situation noch etwas komplexer war, wurde es im zweiten Monat deutlich entspannter. Man wusste, an welchen Tag gestreikt wird und an den jeweils anderen ist alles bestens gelaufen, ich hatte weder einen Zugausfall noch eine echte Verspätung. Zudem fuhren auch an den Streiktagen vereinzelte Züge, welche war meist schon Tage vorher klar.

War der Streik deshalb nicht mehr nervig? Natürlich war es das weiterhin, aber wenn ich an die Streiks in Deutschland zurückdenke, kann ich nur sagen: Beim Thema Kommunikation kann sich die DB eine Menge von SNCF abschauen… und die Deutschen möglicherweise auch von der Lockerheit der Franzosen.

Mehr Verbindungen, mehr Geschwindigkeit – in Frankreich

Was mich an der Bahn in Frankreich allerdings wirklich fasziniert hat, ist das enorme Streckennetz und die schier unglaublichen Frequenzen. Auf Strecken wie von Paris nach Bordeaux, vergleichbar etwa mit der Strecke von Berlin nach München, fährt teilweise alle zehn Minuten ein TGV. In Deutschland fahren auf vergleichbaren Strecken nicht einmal die Hälfte der Züge.

Doch das ist nicht alles, die Geschwindigkeit ist ein weiterer Faktor, der im Prinzip vollkommen irre ist. Paris und Bordeaux sind 550 Kilometer voneinander entfernt, der Zug braucht im Idealfall gerade einmal 2 Stunden. In Deutschland feiert man die neue ICE-Verbindung zwischen Berlin und München, auf der man im Idealfall in knapp 4 Stunden fährt – bei derselben Distanz.

Man könnte jetzt von Äpfeln und Birnen sprechen, aber das Beispiel lässt sich in Frankreich auf zahlreichen Strecken abbilden: Paris – Lyon, Paris – Bordeaux, Paris – Straßburg, Paris – Lille, um nur einige zu nennen. Auch in Frankreich gibt es natürlich Strecken, auf denen es deutlich länger dauert, zum Beispiel von Marseille nach Nizza oder von Bordeaux nach Marseille, wer aber auf dem Schnellfahrnetz unterwegs ist, kann nicht nur alle 15 Minuten einen Zug nehmen, sondern braucht im Schnitt auch nur halb so lange wie in Deutschland.

Dass ich also nie ernsthaft darüber nachgedacht habe, einen Inlandsflug zu nehmen, sollte nicht überraschen. Doch noch angenehmer finde ich in Frankreich eigentlich, dass man (zumindest ab Paris) jeden Ort mit dem TGV erreichen kann. Anders als in Deutschland sind die Orte nicht einfach vom Fernverkehrsnetz abgeschnitten. Es gibt zwar auch in Deutschland ICEs, die an mehr Bahnhöfen halten und solche, die abseits der Hauptstrecken unterwegs sind, es gibt aber dennoch viele Orte, die von ICEs überhaupt nicht bedient werden – darunter sogar Großstädte.

In Frankreich ist die Welt eine ganz andere, durch die zahlreichen Verbindungen und Varianten der Streckenführung kommt man eigentlich überall mit dem TGV hin, egal ob es um kleine Badeorte wie Saint-Malo, wirtschaftlich wenig relevante Städte wie La Rochelle oder Grenzstädte wie Annemasse geht. Wirtschaftlich ist das mit Sicherheit nicht immer, aber die Möglichkeit zu haben das ganze Land mit Schnellzügen zu entdecken ist durchaus einzigartig.

Fazit zur DB und SNCF im Vergleich

Die Deutsche Bahn und SNCF haben natürlich auch etwas gemeinsam: Beide fahren Verluste ein, die Franzosen allerdings deutlich größere und das seit Jahren. Die hohen Geschwindigkeiten, engen Taktungen und andere Aspekte, welche die Bahn in Frankreich so attraktiv machen, haben ihren Preis. Rein wirtschaftlich macht es die Deutsche Bahn also sicher besser, zumal es in Deutschland zumindest kein vollständiges Monopol mehr gibt – anders als in Frankreich. Aus Passagiersicht ist die französische Bahn für eine Reise durchs Land dennoch eine andere Welt und das nicht, weil der Komfort viel besser wäre.

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Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels auf der ganzen Welt. Mittlerweile konnte er über 500 verschiedene Hotels testen und dabei mehr als 100 Städte auf allen Kontinenten kennenlernen. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen besonderen Erlebnissen teilhaben!

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