Aktuell haben Kunden erst nach einer Zugverspätung ab 60 Minuten einen Anspruch auf Entschädigung durch die Deutsche Bahn. Verbraucherschützer möchten das nun ändern.

Verspätungen oder Zugausfälle sind bei der Deutschen Bahn nicht unbedingt eine Seltenheit. Strengere Regelungen mit Bezug auf Erstattungen könnten das Unternehmen entsprechend unter Druck setzen, wie unter anderem der Spiegel berichtet. Ein Überblick.

Deutsche Bahn zahlt mehr als 50 Millionen Euro Erstattungen jährlich

Das aktuelle Prinzip funktioniert eigentlich für keine Seite: fortlaufende Verspätungen bei der Deutschen Bahn provozieren immer wieder Ärger bei Kunden und Reisenden. Allein im vergangenen Jahr belief sich die Summe aller gezahlten Überweisungen auf knappe 52,6 Millionen Euro. Dass diese enormen Geldsummen deutlich effizienter verwendet werden könnten, liegt wohl auf der Hand. Der Chef der Verbraucherzentrale des Bundesverbands, Klaus Müller, formuliert eine Lösung für dieses Problem. Er möchte die Erstattungspolitik deutlich verschärfen und Kunden künftig schon bei einer Verspätung ab 30 Minuten einen Teilbetrag des ursprünglichen Ticketpreises zugestehen.

Bisher bekomme ich ja erst nach einer Stunde eine Entschädigung. Wir appellieren und werben dringend bei der Politik dafür, dies auf eine halbe Stunde zu reduzieren.

Chef der Verbraucherzentrale des Bundesverbands, Klaus Müller

Diese Maßnahme soll nicht nur das Vertrauen und die Zufriedenheit auf Kundenseite erhöhen, wenngleich das vermutlich ein positiver Nebeneffekt wäre. Insbesondere ginge es darum, die Politik zu animieren, deutlich verschärften Druck auf das Unternehmen und dessen stagnierende Zuverlässigkeit auszuüben. Wenn der Deutschen Bahn durch eine aktualisierte Erstattungspolitik noch höhere Beträge ihres Jahresbudgets verloren gehen, könnte dies eine optimierte Durchführung des Fahrplans erzwingen – so die Argumentation.

Verwaltungsaufwand für Erstattungen als finanzielle Belastung

Unterstützung erfährt der Verbraucherschutz durch den Fahrgastverband Pro Bahn, wie der Bundesvorsitzende Detlef Neuß im Radioprogramm SWR Aktuell laut dpa-Informationen bestätigt. Selbst wenn die zu erstattenden Beträge bei einer halbstündigen Verspätung auch in Summe nicht sonderlich relevant sind, so wirke zumindest der immense Verwaltungsaufwand abschreckend – und aus finanzieller Sicht absolut ineffizient. Zudem setzt sich Neuß dafür ein, im Falle einer Erstattung künftig auch die gesamte Reisekette der Passagiere miteinzubeziehen:

Wenn ich nach München in Urlaub fahre und komme da eine Stunde später an, ist das nicht weiter tragisch. Wenn ich aber mit einem Supersparpreis zum Flughafen will und da dann mein Flugzeug versäume, nutzt mir eine Entschädigung von fünf oder 10 Euro herzlich wenig.

Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn

Kritisiert wird außerdem auch die aktuelle Beantragungsform bei Erstattungen. Laut Verbraucherschützer Müller hatte sich “Herr Scheuer bereits vor einem Jahr für ein automatisiertes Entschädigungssystem ausgesprochen. Sichtbar geschehen ist seitdem nichts”. Bereits im vergangenen Jahr hatte es vonseiten der Deutschen Bahn eine Ankündigung für digitalisierte Erstattungsmöglichkeiten bis spätestens 2021 gegeben, worauf bis heute allerdings keinerlei Änderungen publik wurden. Noch immer müssen Kunden die teilweise auch sehr niedrigen Erstattungsbeträge durch ein umständliches Formular in Papierformat beantragen. Für die Durchsetzung einer solchen Neuregelung müsste Verkehrsminister Scheuer laut Müller gezielten Druck auf die Führungsebene der Bahn ausüben – dieser blieb bislang allerdings aus.

Debatte über das Prinzip der “höheren Gewalt”

Ende des vergangenen Jahres hatte bereits ein anderer Appell aus direkten EU-Kreisen für eine hitzige Debatte zum Thema Verspätungen bei der Deutschen Bahn gesorgt. Nach einer Einigung der Verkehrsminister der Europäischen Union sollten Personentransportunternehmen im Falle von “höherer Gewalt” – wie zum Beispiel bei extremen oder unvorhersehbaren Wetterbedingungen – von der Zahlungspflicht befreit werden. Auch dieser Vorschlag hatte allerdings überwiegend negative Kritik provoziert und zu den Vermutungen geführt, die Deutsche Bahn würde sich künftig bei jeglichem Verspätungsfall auf das Prinzip der “höheren Gewalt” berufen und entsprechende Zahlungen somit umgehen – unabhängig von deren Rechtmäßigkeit.

Fazit zur möglichen Verschärfung der Erstattungspolitik bei der Deutschen Bahn

Dass die Erstattungspolitiken bei der Deutschen Bahn einer grundlegenden Renovierung bedürfen, liegt vermutlich auf der Hand. Insbesondere durch die Digitalisierung der Erstattungsanträge ließen sich nicht nur relevante Gelder, sondern außerdem auch wertvolle Zeit auf Kunden- und Unternehmensseite einsparen. Ganz nebenbei sind die unzähligen Erstattungsanträge in Papierform zudem umweltschädlich. Ob sich die Deutsche Bahn vonseiten der Politik und mit Bezug auf Erstattungsfälle nach nunmehr 30 Minuten Verspätung tatsächlich herunterhandeln lassen wird, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten zeigen.

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Autorin

Lilli ist am liebsten in den Wolken - und das nicht nur mit ihrem Kopf. Schon als Kind tourte sie mit einer Tanzgruppe durch Europa, heute ist Fernweh ihr ständiger Begleiter. Wenn sie sich nicht gerade mit ihrem Studium in Berlin beschäftigt, sitzt sie irgendwo auf der Welt hinter ihrem Laptop und berichtet für Euch über die angesagtesten Travel News rund um den Globus - direkt hier auf reisetopia.de!

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