Gibt es bald weniger Entschädigung bei Flugausfällen und -verspätungen? Die Europäische Kommission könnte bald das dazugehörige Gesetz reevaluieren.
In den letzten Monaten sind Flugausfälle und -verspätungen immer häufiger geworden. Wegen des anhaltenden Personalmangels und dem damit einhergehenden Flugchaos müssen Airlines ihre Kunden und Kundinnen immer häufiger entschädigen. Die Beträge belaufen sich dabei auf 250 bis 600 Euro – je nach Schwere der Unannehmlichkeit für den Passagier. Nun machen Fluggesellschaften Druck auf die Europäische Kommission, die überprüfen soll, ob das Gesetz einer Änderung bedarf, so Politico. Die Entschädigungssummen könnten in Zukunft weitaus geringer werden.
EU-Kommission soll Gesetz überprüfen
Diverse Fluggesellschaften haben sich an die EU-Kommission gewendet. Das Gesetz, das die Entschädigungssummen bei Flugausfällen und -verspätungen definiert, soll überprüft und gegebenenfalls erneuert werden. Der Grund für diese Forderung sind die massiven Mehrkosten, die Fluggesellschaften durch diese Regelung tragen müssen. Bereits 2013 gab es einen Versuch, die Entschädigungssummen zu senken. Jedoch wurde das Vorhaben wegen eines Streits zwischen Großbritannien und Spanien blockiert.
Die Corona-Pandemie brachte hohe finanzielle Verluste für die Luftfahrtbranche mit sich. Eine Erholung von der Krise sei nicht möglich, wenn die Entschädigung für Verspätungen und Ausfälle dreimal so hoch ist als der eigentliche Ticketpreis, so das Argument der Airlines.
Ich denke, jeder würde zustimmen, dass wenn Sie 50 Euro für das Ticket bezahlen und dann 300 Euro zurückbekommen, dann ist das nicht richtig. Es ergibt keinen Sinn.
Thomas Reynaert, Geschäftsführer der Brüsseler Industrielobby Airlines for Europe
Verfechter von Passagierrechten halten dagegen
Verbraucherschützer sowie Verfechter von Passagierrechten sind da anderer Meinung. Sie argumentieren, dass signifikante Flugverspätungen oder Ausfälle weitreichendere Konsequenzen haben. Airlines ignorieren den Aspekt, dass es durchaus zu Mehrkosten kommen kann – besonders in den Hotels. Beispielsweise, wenn aufgrund eines kurzfristigen Flugausfalls die Unterkunft nicht mehr storniert werden kann.
Wenn Sie für 30 Euro von Litauen nach Portugal reisen und dort zwei Tage zwischen dem Flug festsitzen, ist es dann fair, nur [ein paar] Euro Entschädigung zu erhalten? Wir müssen das Entschädigungsniveau halten und die Durchsetzung verstärken.
Steven Berger, Rechtsreferent bei der Verbrauchergruppe BEUC
Die aktuelle Regelung
Momentan stehen Passagieren, die von Flugverspätungen oder -ausfällen betroffen sind, laut dem Gesetz gewisse Beträge an Entschädigung zu. Dabei variiert die Summe zwischen 250 und 600 Euro. Wie viel dem Fluggast zusteht, berechnet sich nach verschiedenen Parametern. So kommt es darauf an, wie lange sich das Flugzeug verspätet hat oder ob der Flug komplett storniert wurde. Bei beiden Fällen bemisst sich der von der Airline zu zahlende Betrag an der Entfernung, die das Flugzeug zurückgelegt hätte, beziehungsweise hat. Pauschal kann man folgende Regelung aufstellen:
- Kurzstrecken innerhalb der EU (bis zu 1.500 km) – 250 Euro
- Mittelstrecken innerhalb der EU (ab 1.500 km) – 400 Euro
- Mittelstrecken mit Destination außerhalb der EU (1.500 – 3.500 km) – 400 Euro
- Langstrecke (ab 3.500 km) – 600 Euro
Die Entschädigung steht Passagieren auch dann zu, wenn diese den verspäteten Flug letztendlich nicht mehr wahrgenommen haben. Die Ansprüche können bis zu drei Jahre nach der geplanten Reise geltend gemacht werden.
Von der Regelung ausgenommen sind Verspätungen und Ausfälle, die aufgrund von außergewöhnlichen Umständen nicht zu vermeiden waren. Dazu zählen unter anderem extreme Wetterbedingungen, Vogelschlag sowie in manchen Fällen auch Streiks. Allzu detailliert werden die Ausnahmebedingungen jedoch nicht definiert.
Fazit zur Revision des Gesetzes zu Flugausfällen und -verspätungen
Airlines pochen auf die Revision des Gesetzes, das die Entschädigung bei Flugausfällen und -verspätungen regelt. Während Verbraucherschützer die derzeitige Regelung begrüßen, sehen Fluggesellschaften darin eine finanzielle Mehrbelastung, die nicht verhältnismäßig ist. Bis Ende 2022 liegt die Ratspräsidentschaft noch bei Tschechien. Die Airlines erhoffen sich hier eine Chance auf eine Erneuerung des Gesetzes. Doch auch beim Nachfolger Schweden, der ab 2023 übernimmt, rechnet sich die Luftfahrtbranche gute Chancen aus. Es bleibt abzuwarten, ob sich die EU-Kommission diesem Thema zeitnah widmet.