Das Worst Case-Szenario ist eingetreten: Der älteste und einer der größten Reiseveranstalter der Welt, Thomas Cook, ist pleite. Der Insolvenzantrag wurde gestellt, ob Reisen mit Abreisedatum am 23. oder 24. September stattfinden können, ist ungeklärt.
Der britische Reiseveranstalter Thomas Cook, der auch in Deutschland einer der wichtigsten Veranstalter ist, hat den Betrieb eingestellt. In der Nacht auf Montag hat Thomas Cook einen Antrag auf Insolvenz gestellt. Der Verkauf von Reisen wurde mit sofortiger Wirkung gestoppt, auch die deutschen Veranstalter-Töchter sind davon betroffen. Ob Reisen mit einer Abreise am 23. oder 24. September stattfinden können, steht in den Sternen. Unklar ist auch, was mit danach gebuchten Reisen passiert. Thomas Cook hatte bis zuletzt versucht, 200 Millionen Pfund zur Refinanzierung aufzutreiben, war mit den Bemühungen aber schlussendlich gescheitert – auch bei der britischen Regierung.
600.000 Touristen von der Thomas Cook Pleite betroffen
Die schiere Größe von Thomas Cook sorgt dafür, dass insgesamt 600.000 Touristen von der Pleite der Briten betroffen sind – wohlgemerkt nur aktuell und mit zukünftig gebuchten Reisen. Darunter befinden sich laut verschiedenen Medienangaben nicht nur bis zu 300.000 Briten, sondern auch viele zehntausend Deutsche. Darüber hinaus ist Thomas Cook auch in Nordamerika stark vertreten. Betroffen sind primär Kunden, die sogenannte Pauschalreisen, also eine Kombination aus Flug und Hotel, gebucht haben. Allerdings hat Thomas Cook auch Hotels, Mietwagen und Flüge als Einzelleistungen verkauft, wenngleich dieser Geschäftsbereich insgesamt weniger relevant war.
Von der Einstellung des Veranstalter-Geschäfts und möglichen Absagen von gebuchten Reisen sind neben der Hauptmarke Thomas Cook auch die folgenden in Deutschland bekannten Marken betroffen:
- Neckermann Reisen
- Bucher Last Minute
- Öger Tours
- Air Marin
- Thomas Cook Signature
Wer mit einem dieser Veranstalter gebucht hat, sollte sich ebenfalls schnellstmöglich über seine Möglichkeiten informieren. Nicht betroffen von der Thomas Cook Pleite sind die anderen großen deutschen Veranstalter, darunter die Dertouristik Gruppe, Tui, Fti oder Schauinsland Reisen.
Condor fliegt vorerst weiter und bittet um Überbrückungskredit
Neben dem Veranstaltergeschäft waren die hauseigenen Fluggesellschaften einer der wichtigsten Geschäftsbereiche von Thomas Cook. Unter diesen Airlines befinden sich Thomas Cook Airlines in Großbritannien, die beiden gleichnamigen Töchter ‘Balearics’ und ‘Scandinavia’ sowie eben auch die wichtige deutsche Airline Condor. Letztere will den Betrieb vorerst aufrechterhalten. In der Nacht hieß es auf Twitter “Condor erhält den Flugbetrieb” aufrecht. Weitere Informationen zu den Entwicklungen sollen in Kürze folgen, vermutlich im Laufe des Montagmorgens.
Condor ist die zweitgrößte Fluggesellschaft in Deutschland und hat eine Flotte von knapp 45 Maschinen, mit denen primär Urlaubsziele bedient werden. Darunter zählen neben vielen Verbindungen nach Südeuropa auch Langstreckenflüge in die USA, nach Kanada sowie in die Karibik und nach Südamerika. Mit über sieben Millionen Passagieren im Jahr ist Condor seit der Pleite von airberlin die zweitgrößte Fluggesellschaft im Land. Nach Angaben des Konzernchefs ist die Fluggesellschaft profitabel, genauso wie die anderen Airline-Töchter von Thomas Cook. Entsprechend hofft man den Flugbetrieb unabhängig von der Pleite der Mutter fortzusetzen. Unklar ist allerdings, ob Condor autark überhaupt agieren kann, da ein Großteil der Buchungen bei der Airline über Thomas Cook oder eine andere Firma des Konzern erfolgt sind, womit der wichtigste Kunde der Airline mit der Pleite der Mutter weg fällt.
Nach Angabe der Süddeutschen Zeitung hat die Fluggesellschaft bei der Bundesregierung einen sogenannten Überbrückungskredit angefragt. Einen solchen hatte auch airberlin von der Pleite erhalten und schlussendlich nach der Insolvenz über zwei Jahre auch wieder zurückgezahlt. Dass der im Gegensatz zu airberlin profitablen Condor ein solcher ebenfalls gewährt werden könnte, erscheint realistisch – eine Entscheidung wird im Laufe des Montags erwartet. Bis dahin wird der Flugbetrieb voraussichtlich fortgesetzt, alle Flüge sollen nach Plan stattfinden.
Pauschalreisen sind abgesichert, einzelne Buchungen nicht
Die Pleite von Thomas Cook schlägt zweifelsfrei hohe Wellen und könnte zehntausende Urlauber in Deutschland Geld kosten. Aktuell ist noch unklar, wie es weitergeht, besonders mit der Fluggesellschaft Condor. Sobald es weitere Informationen dazu gibt, könnte eine “Rückhol-Aktion” gestartet werden, an der sich andere Fluggesellschaften beteiligen. Damit sollen gestrandete Passagiere in Urlaubsregionen zurück nach Deutschland geholt werden, sofern der Flugbetrieb von den Thomas Cook-Töchtern nicht mehr gewährleistet werden kann. In Großbritannien wurde eine solche Aktion unter dem Namen ‘Matterhorn’ bereits ins Leben gerufen.
Wer eine Reise bei Thomas Cook gebucht hat, die allerdings erst in einigen Tagen, Wochen oder Monaten stattfinden soll, ist unter Umständen geschützt. Bei einer Pauschalreise, also einer kombinierten Buchung aus Flug und Hotel oder zweier anderer kombinierter Reiseleistungen, wird ein sogenannter Sicherungsschein ausgestellt. Mit diesem erhält man von der Versicherung im Falle einer Insolvenz – also wie in diesem Fall bei Thomas Cook – das Geld zurück. Um eine Neubuchung (möglicherweise auch zu einem höheren Preis) muss man sich allerdings dennoch kümmern, hierfür springt die Versicherung leider nicht ein.
Schwieriger sieht es für Kunden aus, die eine einzelne Leistung bei Thomas Cook oder einer der deutschen Töchter gebucht haben. Sowohl bei einem einzeln gebuchten Flug als auch bei einem Hotel oder einem Mietwagen greift der Insolvenzschutz nicht. Hier helfen nur gesondert abgeschlossene Versicherungen. Möglicherweise könnte zudem ein sogenannter Chargeback über die Kreditkarte eine Option sein. Einen solchen gibt es bei allen Kreditkarten. Nach Abstimmung mit der eigenen Kartenbank sollte ein solcher Antrag gestellt werden, sofern eine Leistung (in diesem Fall eine Reise) zwar schon bezahlt wurde, die entsprechende Leistung aber nicht bereitgestellt wird.
Inwiefern und ob ein Chargeback am Ende Erfolg verspricht, lässt sich nicht abschließend klären. Uns haben bereits Berichte erreicht, dass American Express einen Chargeback im Insolvenzfall ablehnt, Visa und Mastercard haben diesen Fall dagegen konkret als Möglichkeit für eine Rückerstattung vorgesehen. Dennoch gibt es auch hier möglicherweise noch Komplikationen, denn einerseits werden die Chargeback-Verfahren von den individuellen Banken abgewickelt. Zum anderen kommt die Problematik hinzu, dass der Insolvenzmasse Geld entzogen wird – hier könnte wiederum der Insolvenzverwalter den Kunden verklagen. Rechtliche Unsicherheiten sind auch hier im Prinzip garantiert.
Komplette Absicherung von Thomas Cook ist fraglich
Unklar ist auch, wie es nun wirklich konkret um die Zukunft von Thomas Cook steht. Laut einem Bericht des Handelsblatt könnte die Rückversicherung, die für die ausgestellten Sicherungsscheine haftet, nicht vollständig gedeckt sein. Dies liegt daran, dass die seit 1990 gültige EU-Pauschalreiserichtlinie in ihrem Kern eben eine Richtlinie ist. Das heißt konkret: Jedes Mitgliedsland kann diese mit Variationen ins nationale Recht überführen. Genau dieser kleine, aber feine Unterschied zu einer Verordnung, die in allen Ländern gleichermaßen gilt, könnte deutschen Urlaubern zum Verhängnis werden. Im deutschen Gesetzt ist die Absicherung, die ein Reiseveranstalter leisten muss, nämlich nur auf 110 Millionen Euro festgesetzt.
Dies war bislang insofern kein Problem, dass kein Veranstalter dieser Größenordnung von einer Pleite betroffen war. Mit der Insolvenz von Thomas Cook könnte sich das nun ändern, denn bei der letzten Bilanzveröffentlichung vor etwa einem Jahr hatte das Unternehmen insgesamt 1,39 Milliarden Pfund – und damit mehr als 1,5 Milliarden Euro bereits vorgestreckte Kundengelder in der Bilanz ausgewiesen. Davon sollte etwa die Hälfte auf den Kernmarkt, Großbritannien, entfallen. Mindestens ein Fünftel, so schätzen Experten, könnte allerdings auch auf Deutschland entfallen. Dies wären bereits mindestens 300 Millionen Euro. Zwar sind die Zahlen aus dem letzten Jahr und damit nicht komplett repräsentativ, es ist aber davon auszugehen, dass die aktuelle Summe bei deutschen Kunden zwischen 200 und 400 Millionen Euro liegen sollte.
Bei einer Deckungslücke ist die konkrete Rechtslage im ersten Moment unklar. Anstatt einfach und unkompliziert das Geld zurückzubekommen, könnte für Kunden eine juristische Tortour folgen. Möglicherweise werden Kundengelder nur anteilig im Sinne des Sicherungsscheins zurückerstattet – auch wenn dieser eine vollständige Deckung garantieren sollte. Kunden könnten allerdings die Möglichkeit haben die Bundesrepublik Deutschland auf Grund ihrer Umsetzung der Richtlinie zu verklagen – Erfolgschancen ungewiss. In jedem Fall würde entweder der Kunde oder am Ende der Steuerzahler für die Insolvenz von Thomas Cook aufkommen, Sicherungsschein hin oder her.
Reisebüros müssen teilweise ebenfalls haften
Experten halten es zudem für möglich, dass auch Reisebüros in die Haftung genommen werden. Bei bekannten Problemen eines Reiseveranstalter, die dem Kunden nicht vor Buchung konkret mitgeteilt wurden, könnte eine Haftung entstehen. Unklar ist auch hier, wann genau das der Fall ist. Diese Möglichkeit könnten Kunden allerdings zumindest dann in den Blick nehmen, wenn sie eine Reise erst in den letzten Tagen über einen der Veranstalter gebucht haben – die Meldungen um eine mögliche Insolvenz von Thomas Cook machen nun einmal bereits seit Tagen und je nach Interpretation sogar seit Wochen oder Monaten die Runde.
Fest steht aber in jedem Fall, dass die Rückerstattung von bezahlten Geldern für Kunden zu einer echten Tortour werden könnte – auch wenn es über einen Sicherungsschein eigentlich so einfach sein sollte. Immerhin macht die mögliche Reisebüro-Haftung insofern Hoffnung, dass Kunden theoretisch auch überwiesene Gelder für Einzelleistungen, also etwa Hotel- oder Flugbuchungen ohne Sicherungsschein, zurückerhalten können. Ob sich ein entsprechender Rechtsstreit allerdings wirklich gewinnen lassen kann, steht momentan in den Sternen.
Fazit zur Insolvenz von Thomas Cook
Die Insolvenz von Thomas Cook ist ein schwerer Schlag – betroffen sind voraussichtlich mehrere zehntausend deutsche Touristen und hunderttausende Verbraucher in anderen Ländern. Hoffnung gibt es allerdings gerade noch bei der Airline Condor, die den Flugbetrieb für den Moment aufrecht erhalten kann. Wir halten Euch über die Entwicklungen auf dem Laufenden und hoffen, dass Ihr entweder nicht betroffen seid oder zumindest Euer Geld zurückbekommt!