Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat vor Kurzem eine interessante Entscheidung getroffen, die aus Verbrauchersicht sehr positiv ausfällt. Die Entscheidung bezieht sich dabei vornehmlich auf Flugreisen, die aus mehreren Segmenten bestehen. Im konkreten Fall, der der Entscheidung zugrunde liegt, wurde das letzte Flugsegment nicht vom Passagier geflogen, die Airline verlange daraufhin einen Zuschlag. Nicht gerechtfertigt, so urteilte das Amtsgericht.

Urteil zu Nachforderung nach verfallenem Flugsegment – Hintergrund

Wie Ihr auch bei uns immer wieder seht, bieten bestimmte Startpunkte besonders für Business Class Flüge immer wieder sehr attraktive Preise. Besonders hervor stechen dabei regelmäßig die skandinavischen Länder, aber auch Mailand, Amsterdam und Prag sind immer wieder Ausgangspunkte wirklich attraktiver Angebote. Dabei funktionieren diese Angebote oft nach einem einheitlichen Konzept. Von einem der besagten Flughäfen geht es über einen Zubringerflug zu einem anderen Flughafen, von wo aus dann der entsprechende Langstreckenflug startet. Obwohl Ihr mehr fliegt, sind diese Angebote dann günstiger als Direktflüge, denen man in der Regel einen höheren Komfort zuspricht.

So war es auch in dem Fall, der dem Urteil zugrunde liegt. Der Passagier buchte über die Lufthansa ein Flugticket nach Nordamerika. Auf Grund des Preises entschied er sich für einen Flug von Oslo über Frankfurt nach Nordamerika. Die Ersparnis lag hierdurch bei über 2.000 Euro, so die Lufthansa. Während der Passagier den Hinflug entsprechend des Flugplans absolvierte, entschied er sich auf dem Rückflug bereits in Frankfurt, die Reise zu beenden und ließ das letzte Segment von Frankfurt nach Oslo verfallen. Stattdessen buchte er – ebenfalls über die Lufthansa – einen Flug von Frankfurt nach Berlin.

Urteil zu Nachforderung nach verfallenem Flugsegment – Reaktion der Lufthansa

Der Lufthansa gefiel das Vorgehen nicht. Auch anderen Airlines ist dieses Verhalten oft ein Dorn im Auge. Mit Konsequenzen rechnen muss man aber in der Regel nicht. So haben auch wir Euch bei Rückfragen öfter darauf hingewiesen, dass ein vorzeitiges Abbrechen der gebuchten Flugstrecke zwar nicht gern gesehen ist, Ihr aber kaum mit Konsequenzen rechnen müsst. Ganz so entspannt sollte es für besagten Passagier jedoch nicht ausgehen. Die Lufthansa verlangte kurzerhand die Zahlung eines Aufpreises in Höhe von etwa 2.100 Euro. So viel habe der Flug zum Buchungszeitpunkt ab Frankfurt direkt gekostet, argumentierte die Airline. Begründend berief sich die Lufthansa dabei auf Ihre online abrufbaren Beförderungsbedingungen, dort heißt es:

“Sofern Sie sich für einen Tarif entschieden haben, der die Einhaltung einer festen Flugscheinreihenfolge vorsieht, beachten Sie bitte: wird die Beförderung nicht auf allen oder nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge der einzelnen Teilstrecken bei ansonsten unveränderten Reisedaten angetreten, werden wir den Flugpreis entsprechend Ihrer geänderten Streckenführung nachkalkulieren. Dabei wird der Flugpreis ermittelt, den Sie in Ihrer Preisgruppe am Tag Ihrer Buchung für Ihre tatsächliche Streckenführung zu entrichten gehabt hätten. Dieser kann höher oder niedriger sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis.

War die von Ihnen ursprünglich gebuchte Preisgruppe für die geänderte Streckenführung am Tag der Buchung nicht verfügbar, wird für die Nachkalkulation die günstigste verfügbar gewesene Preisgruppe für Ihre geänderte Streckenführung zugrunde gelegt.

Sofern am Tag der Buchung für Ihre geänderte Streckenführung ein höherer Flugpreis zu entrichten gewesen wäre, werden wir unter Anrechnung des bereits gezahlten Flugpreises die Differenz nacherheben. Bitte beachten Sie, dass wir die Beförderung davon abhängig machen können, dass Sie den Differenzbetrag gezahlt haben.”

Der Passagier wollte sich dem nicht beugen und ließ die Forderung durch einen Anwalt zurückweisen. Nach längerer Zeit der Stille passierte etwas Ungewöhnliches: die Lufthansa versuchte die Nachzahlung tatsächlich gerichtlich geltend zu machen. Die Klage wurde erneut auf die Beförderungsbedingungen gestützt sowie auf ein Urteil des BGH zum Verfallenlassen eines Flugsegmentes zu Beginn der Reise.

Die aktuellen Beförderungsbedingungen können online abgerufen oder im Service Center eingesehen werden. (Quelle: Lufthansa)

Nachdem sich in einer mündlichen Verhandlung allerdings bereits eine Tendenz zugunsten des Passagiers abzeichnete, wollte man seitens der Lufthansa die Klage zurückziehen. Die Zustimmung hierzu versagte der beklagte Passagier. Bei einer Zustimmung hätte er auch in Zukunft keine Sicherheit vor Nachforderungen der Airline gehabt.

Urteil zu Nachforderung nach verfallenem Flugsegment – Entscheidung

Am 10. Dezember 2018 wurde nun das Urteil in dem Fall gesprochen. Die Klage der Lufthansa wurde vom Amtsgericht Berlin-Mitte abgewiesen. Die Beförderungsbedingungen seien als allgemeine Geschäftsbedingungen an der fraglichen Stelle, die die Nachberechnung klären soll, nicht klar und deutlich genug. Der Kunde werde hierdurch unangemessen benachteiligt. Als Begründung für die nicht ausreichende Transparenz des Abschnitts in den Beförderungsbedingungen führt das Gericht an, dass für den Passagier zum Buchungszeitpunkt nicht ersichtlich ist, welcher Preis für die geänderte Reise gültig ist, wenn er ein Segment nicht antritt.

Zudem enthalten die Beförderungsbedingungen keine Anhaltspunkte für Obergrenzen einer Nachberechnung. Diese Gründe reichten dem Gericht, um die Unwirksamkeit der Beförderungsbedingungen anzunehmen. Die Lufthansa unterliegt in diesem Fall also dem beklagten Passagier, der die Nachforderung nicht leisten muss.

Urteil zu Nachforderung nach verfallenem Flugsegment – Fazit

Auch wenn es durchaus unüblich ist, dass sich eine Airline so lange mit einem solchen Vorfall beschäftigt, so zeigt dieser Fall auch, dass man sich nicht zwingend darauf verlassen kann, dass schon alles gut gehen wird. In diesem Fall hat das Amtsgericht zwar vorläufig zugunsten des Passagiers entschieden, die Lufthansa könnte allerdings noch gegen das Urteil in Berufung gehen.

Zudem sei an dieser Stelle angemerkt, dass dieses Urteil nur einen Einzelfall klärt und auf andere Fälle keine Wirkung ausübt. Das Gericht gibt mit seiner Entscheidung zwar eine Richtung vor, der erfahrungsgemäß andere Gerichte in einem solchen Fall folgen würden, Urteile eines Amtsgerichts haben aber keine bindende Wirkung auf andere Gerichte. Anders sieht es etwa bei der Cross-Ticketing-Entscheidung des BGH aus. Auf Grundlage dieser auch für andere Gerichte bindenden Entscheidung können Airlines etwa dann Nachforderungen stellen, wenn innerhalb einer Verbindung Segmente ausgelassen werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dieses Vorgehen in den Beförderungsbedingungen klar niedergeschrieben ist.

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Amtsgericht Berlin-Mitte, Urt. v. 10.12.2018, 6 C 65/18BGH Urt. v. 29.04.2010 Xa ZR 5/09 (Cross-Ticketing-Entscheidung) sowie einem Fall der Kanzlei Franz LLP.

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