Kurz- oder Langstrecken? Eine weniger poetische Frage mit einer Menge Konsequenzen. Auch die Lufthansa stellt sich diese Frage und ihre Piloten damit vor die Wahl.
Wie die Lufthansa aus der Pandemie hervorgehen wird? Laut Schreiben des Managements auf jeden Fall mit bis zu zehn Milliarden Euro an Schulden. Der Fokus der Airline bleibt derweil ein Geheimnis. Klar ist, dass die Lufthansa die lang benötigte Flottenanpassungen bereits erfolgreich vorantreibt. Als Möglichkeit dafür zieht die Airline auch eine drastische Reduzierung in Betracht, was auch das Personal treffen könnte. Nach Kündigung der Perspektivvereinbarung liegt das jedenfalls im Rahmen des Möglichen. Laut aero.de droht das Management nun mit einer Neuausrichtung des Kranichs ausschließlich auf die Langstrecke!
Leerflüge hier, Flugstreichungen da
Während die Lufthansa sich aktuell noch gezwungen sieht, Leerflüge durchführen zu müssen, um die wertvollen Slots an ihren Drehkreuzen Frankfurt und München zu halten, eskaliert intern ein wahrer Streit zwischen Management und den Piloten. Dabei geht es konkret um die Ausrichtung der Lufthansa ab dem kommenden Sommer. Dem vorhergegangen war die Kündigung der Perspektivvereinbarung aus dem Jahr 2017 seitens der Lufthansa. Die Airline sicherte dabei den Piloten unter anderem eine Flotten-Bereederung von mindestens 325 Flugzeugen zu sowie 600 neue Stellen für Kapitänsanwärter und Einstellung von 700 Nachwuchskräften schaffen zu wollen. Die Piloten hingegen versprachen, keine Streiks während der Laufzeit dieser Vereinbarung durchzuführen.
Mittlerweile sind jedoch neue Details ans Licht gekommen. Die Konzernleitung spricht von unmittelbaren Folgen der Corona-Pandemie und kann ihren Teil der Zusicherung hinsichtlich der Flotte und dem Personal nur noch schwer umsetzen. Die Piloten samt der Vereinigung Cockpit wittern ein anderes Vorhaben und werfen dem Management vor, die Kündigung mit dem Freiwilligenprogramm aus dem Sommer 2021 von langer Hand geplant zu haben. Das Ziel dabei soll die umgehende Flottenreduzierung von bis zu 72 Flugzeugen sein. Die Verhandlungen zwischen beiden Parteien dauern bereits dementsprechend seit einigen Wochen an und verlaufen bislang sehr zäh. Dabei hat die Lufthansa das vermeintlich größte Druckmittel mit den bisherigen Argumenten in der Hand. Doch damit noch nicht genug! Nun droht man den Piloten sogar mit einer Neuausrichtung der Airline ausschließlich auf die Langstrecke.
Handelt es sich um einen “Sick-Out”?
Dafür wiederholt die Lufthansa ihr Vorhaben, die Kosten um bis zu 30 Prozent reduzieren zu wollen. Nur dann könne sie auch weiterhin die Bereederung von 325 Flugzeugen gewährleisten. Anderenfalls, so heißt es nun, will sich die Lufthansa aus dem Kurz- und Mittelstreckensegment nahezu komplett zurückziehen und nur noch die lukrative Langstrecke bedienen. So soll die Mainline die kostenintensive Kurz- und Mittelstrecke gegebenenfalls an ihre Tochter-Fluggesellschaften abgeben. Eine Prophezeiung der Pilotenvereinigung könnte sich damit bewahrheiten. Diese befürchtete bereits die Auslagerung der Arbeitsplätze ins Ausland oder zu den Billigtöchtern im Inland. Die Lufthansa verteidigt derweil die Kündigung mit dem Argument, dass die Perspektivvereinbarung nicht als allgemeine Konstante verstanden werden dürfe.
Gleichzeitig könnte die Lufthansa bereits jetzt die ersten Auswirkungen der Eskalation zu spüren bekommen. So musste die Airline circa 33.000 Flüge annullieren, was ungefähr zehn Prozent des aktuellen Flugplans entsprechen soll. Das sei damit zu erklären, dass es zu deutlich mehr Krankmeldungen, besonders auf der Airbus A330-/A340-Teilflotte in Frankfurt, gekommen sei. Dabei könnte es sich laut aero.de um einen sogenannten “Sick-Out” handeln. Piloten verabreden sich zu einem indirekten Streik mit einer hohen Anzahl an Krankmeldungen zur gleichen Zeit. Ein solches Vorgehen konnte bislang jedoch noch nie bewiesen werden. Die Pilotenvereinigung Cockpit wollte dazu kein Kommentar abgeben. Wie es weitergeht, bleibt derweil offen. Die Pilotenvereinigung fürchtet, ähnliche Vereinbarungen immer wieder neu verhandeln, und diese damit teuer bezahlen, zu müssen.
Fazit zum aktuellen Stand der Verhandlungen
Die Lufthansa-Leitung sieht sich gezwungen, die Perspektivvereinbarung nach fünf Jahren zum 30. Juni 2022 aufzukündigen. Vor allem die Zugeständnisse im Rahmen der Flotte und des Personalmanagements könne man kurz- und mittelfristig nicht umsetzen. Während die Piloten andere Gründe hinter der Kündigung vermuten, drohen die Verhandlungen weiter zu eskalieren. So fordert die Lufthansa auch weiterhin die Reduktion der Kosten um mindestens 25 Prozent. Vor allem die Kurz- und Mittelstrecke wäre zu kostenintensiv und wenig gewinnbringend. Daher droht die Lufthansa anderenfalls die Fluglinie zu einer reinen Langstrecken-Airline umzubauen, sollten die Angestellten nicht kooperieren.