Die Skandale rund um Boeings Sorgenkind 737 MAX wollen einfach nicht abreißen. Das liegt aber scheinbar allen voran an Boeing selbst.
So hat der Konzern nun zugegeben, dass dem amerikanischen Flugzeugbauer bereits seit dem Jahr 2017 bekannt ist, dass eine wichtige Warnanzeige nicht funktioniert, wenn der Käufer ein optionales Feature nicht hinzugekauft hat.
Probleme seit Erstauslieferung bekannt
Die “AOA Disagree” genannte Warnanzeige für fehlerhafte Sensoren des Anstellwinkels hatte bereits seit der Erstauslieferung der Boeing 737 MAX im Sommer 2017 mit Softwarefehlern zu kämpfen und Boeing wusste zu diesem Zeitpunkt bereits davon. Der Flugzeughersteller gab in einer Pressemitteilung zu, dass die eigenen Ingenieure beim “Disagree Alert” feststellten, dass dieser nur funktionieren konnte, wenn der Kunde sich zuvor für die optionale und kostenpflichtige Anstellwinkel-Anzeige “AOA Indicator” entschied. Dabei verzichteten etwa 80 Prozent aller MAX-Kunden – darunter auch die von den Abstürzen betroffenen Airlines Lion Air und Ethiopian Airlines – auf diese Option.
In der Vorgängerversion der 737 MAX, der 737 NG (Next Generation), ist diese Funktion bereits ab Werk freigeschaltet. So ging Boeing davon aus, dass dies auch der Fall bei den MAX’ wäre, bis eine interne Untersuchung gegenteiliges ergab. Jedoch kam diese Untersuchung zu dem Ergebnis, dass durch das Fehlen dieses Features keine Gefahr für die Flugsicherheit bei den Maschinen bestehen würde.
Führungsebene wusste angeblich von nichts
Bei dieser internen Untersuchung sei laut Boeing das obere Management nicht informiert worden, genauso wenig wie die amerikanische Luftaufsichtsbehörde FAA. Erst nach dem ersten Boeing 737 MAX-Absturz in Indonesien im Oktober 2018 wurde das Management und die FAA in die Untersuchungsergebnisse involviert. Im darauffolgenden Dezember wurde eine weitere Untersuchung eingeleitet, die allerdings zum selben Ergebnis wie schon zuvor kam. So seien der künstliche Horizont und der “Stick Shaker”, das Vibrieren der Flugsteuerung im Falle eines drohenden Strömungsabrisses, genug für einen sicheren Flugbetrieb der MAX. Die von Boeing selbst als zwei der wichtigsten Indikatoren der MAX-Steuerung bezeichneten Funktionen würden denn auch die Basis für alle Checklisten und Trainings der Piloten bilden.
Nach einem großen Software-Update soll die AOA Disagree-Anzeige in den 737 MAX künftig wieder standardmäßig aktiviert sein, sodass Piloten dann auf einen womöglich fehlerhaften Anstellwinkel besser reagieren können. Darüberhinaus werde sich das sogenannte MCAS – welches im Falle eines drohenden Strömungsabrisses eine automatische Trimmung des Flugzeuges vornimmt – künftig bei fehlerhaften, beziehungsweise sich widersprechenden Daten automatisch abschalten. Diese Daten sollen dann auch wie in der Luftfahrt eigentlich üblich von zweien, statt wie zuvor von einem Sensor stammen. Das MCAS gilt dabei als wahrscheinlichster Verursacher der beiden Boeing 737 MAX-Abstürze. Während der AOA Disagree-Alarm also künftig standardmäßig aktiviert und bedienbar sein soll, wird der Anstellwinkelindikator weiterhin optional zum Zukauf angeboten.
Fazit zu Boeings Vorgehen
Wie sich Boeing, immerhin der weltgrößte Flugzeugbauer, in dieser Krisensituation verhält, ist oder war zumindest alles andere als vorbildlich. Immer wieder kommen neue Details ans Licht, die die Amerikaner in immer größere Erklärungsnot bringen. Wenn dann zudem die oberste Führungsebene teilweise über gravierende Mängel nicht aufgeklärt wird, zeugt das von enormen kommunikativen Problemen innerhalb des Konzerns. Auf wessen Kosten das ging, wissen wir inzwischen. Boeing täte gut darin mal “kräftig aufzuräumen” und über eine komplette Umstrukturierung innerhalb der eigenen Reihen und der internen Firmenstruktur nachzudenken, um den SuperGAU noch abzuwenden, oder zumindest zu retten, was noch zu retten ist. Gerade in der Luftfahrt muss die Sicherheit stets an allererster Stelle stehen.