Bei reisetopia berichten wir tagtäglich über die wichtigsten Geschehnisse aus der Reisebranche, stellen die exklusivsten Luxushotels vor und berichten viel über eigene Erlebnisse – meist mit einem Hotel-, Airline- oder Lounge-Bezug. Weniger in den Fokus rücken dabei die Destinationen selbst – und das, obwohl es so viel zu erzählen gibt, was nicht in Reiseführern steht!

In dieser Kolumne betrachtet daher jeweils ein reisetopia Autor eine neue Destination aus seiner ganz persönlichen Perspektive. Ganz ungefiltert – ganz real. Sei es, die Enttäuschung über den Strand voller Plastikmüll, die Warteschlangen vor den beliebtesten Fotospots oder die überraschenden Begegnungen an Orten, von denen man nicht viel erwartet hat. Heute spricht Anna ganz ungefiltert über Ihre Erfahrungen in Bolivien.

Planung der Reise und die Ratschläge der anderen

Im Spätsommer 2019 neigte sich meine Studienzeit dem Ende zu und mir war klar, bevor ich mit dem Großprojekt Masterarbeit anfange, möchte ich für ein paar Wochen verreisen – am besten an einen Ort oder noch viel lieber auf einen Kontinent, auf dem ich vorher noch nie war. Schnell kristallisierte sich dabei für mich Südamerika heraus, da ich den Kontinent bisher nur in meinen Tagträumen besucht hatte und so gut wie alle Länder dort auf meiner persönlichen Bucket-List standen. Da ich nur einen begrenzten Zeitrahmen und auch kein allzu großes Budget für diese Reise hatte, wusste ich allerdings schnell, dass ich mich auf wenige Länder beschränken muss und so kam die Route Bolivien – nördliches Chile – Argentinien zustande. Da ich den längsten Teil der Reise allerdings – zum Teil geplant, zum Teil unverschuldet – in Bolivien verbrachte und mich das Land auf dieser Reise auch am meisten geprägt hat, spreche ich hier nur über Bolivien.

Bolivien – was weiß man über dieses Land? Vermutlich nicht ganz so viel. Ich konnte mich vage daran erinnern in der Schulzeit mal ein Referat darüber gehalten zu haben und war begeistert, dass ich erinnern konnte, dass in diesem Land die Verwaltungs- sowie die konstitutionelle Hauptstadt zwei verschiedene Städte sind. Spanisch spricht man dort, das war klar, denn das ist ja im Großteil Südamerikas so. Dass es daneben noch etliche andere Sprachen gibt, war mir etwas entfallen. Auch der Fakt, dass das Land zusammen mit Paraguay das einzige ist, das keinen Zugang zum Meer hat, ist mir erst vor Ort klar geworden. Über dieses Thema wurde übrigens immer noch im Jahr 2018 diskutiert, als Bolivien vorm internationalen Gerichtshof versuchte, einst an Chile verlorene Landesteile zurückzugewinnen, die einen Zugang zum Pazifik ermöglichen. Doch bevor ich hier zu tief in politische Themen abtauche, möchte ich mich jetzt endlich meinen Eindrücken über das Land widmen.

Eigentlich ging das Abenteuer schon bei der Flugbuchung los, denn es stellte sich recht zeitnah heraus, dass es nicht so viele (bezahlbare) Direktflüge von Europa nach La Paz gibt, wie ich gehofft hatte. Daher buchte ich eine Verbindung mit Umstieg in Santa Cruz de la Sierra und verbrachte zunächst Stunden damit, zu recherchieren, ob “Amaszonas” eine vertrauenswürdige Airline ist. Mein erster Eindruck war: Die haben Amazonas falsch geschrieben! Wie können die eine gute Airline sein!? Doch letztendlich war es die beste Option und im Nachhinein auch keine schlechte Entscheidung.

Als ich nach der Buchung im Freundes- und Bekanntenkreis erzählt habe, dass ich für ein paar Wochen nach Südamerika reise, ging es dann schon los mit den gutgemeinten Tipps und insbesondere den Warnungen über Südamerika. “Du musst unbedingt in die Stadt sowieso an die peruanische Grenze fahren”, “Du musst unbedingt den Sonnenuntergang in der Salar de Uyuni sehen”, “Du musst aufpassen, dass man dich nicht beklaut!”, “Aber in Santiago de Chile sind doch gerade Ausschreitungen, bist du dir sicher, dass du da hin willst?” Alles okay. Ich will ja gar nicht nach Santiago de Chile. Well. Lieber hätte mir jemand erzählen können, dass es auch in Bolivien Ausschreitungen gibt, die sogar später noch meine Reisepläne durcheinander werfen sollten.

Ja, Vorab-Recherche ergibt Sinn!

Den Bericht über die Ausschreitungen übernahm dann meine nette bolivianische Sitznachbarin im Flugzeug. Wir unterhielten uns bereits einige Zeit auf einem Mix aus Englisch-Spanisch-Deutsch über ihre vorherige Europareise und meine Pläne in Bolivien, bis sie beiläufig erwähnte, dass sie noch gar keine Ahnung habe, wie sie vom Flughafen nach Hause käme, da alle Straßen aufgrund von Protesten gesperrt seien und weder ihr Mann noch ihr Sohn wüssten, wie man den Flughafen erreichen könnte. Bitte was? Ich war ein bisschen perplex, denn ich wusste weder, dass es aktuell Unruhen in Bolivien gab, noch weniger wusste ich, wie ich selbst mit meinen rudimentären Spanisch-Kenntnissen und ohne Familie in Bolivien vom Flughafen zum Hotel kommen soll, wenn noch nicht einmal Einheimische das wissen! Aber diese Sorge löste sich einige Zeit später bereits, da ein sehr netter Taxifahrer ein paar Schleichwege kannte und mich dann sogar zu Fuß zum Hotel gebracht hat, als man aufgrund der Straßensperrungen nicht weiterfahren konnte.

Landeanflug auf La Paz mit Amaszonas – wider Erwarten ein angenehmes Flugerlebnis!

Auslöser für die Proteste war übrigens die kurz zuvor stattfindende Präsidentenwahl und die damit zusammenhängenden Vorwürfe gegen den damals noch amtierenden Präsidenten Evo Morales. Kurze Notiz an mich selbst: bevor man den Reisezeitraum plant, einen kurzen Blick auf die anstehenden politischen oder gesellschaftlichen Ereignisse werfen. Denn so habe ich erst während meines Aufenthaltes feststellen können: Die Bolivianer haben eine ausgeprägte Protestkultur, die zeitweise zum Stillstand des gesamten Straßenverkehrs führte. Den Höhepunkt hatten die Demonstrationen erreicht, als ich einige Tage nach meiner Ankunft in Bolivien in der Hauptstadt Sucre war und weiterreisen wollte – auf einmal ging dann gar nichts mehr. Das spannende war, dass die Proteste (zum Großteil) alles andere als gewaltvoll waren – nicht so wie die ausländischen Medien gerne mal beschrieben. Insbesondere in Sucre war es zeitweise fast amüsant, wie die Straßen mit Spielzeugautos oder Stühlen zugestellt waren und so den Verkehr “blockierten”.

“Straßensperrungen” in Sucre

Trotzdem war die Stimmung ein bisschen im Keller, nachdem alle Sehenswürdigkeiten in Sucre abgeklappert waren und kein Ende der Blockaden in Sicht war. So entschied ich mich gemeinsam mit ein paar anderen Reisenden nicht länger auf die Wiederaufnahme des innerstädtischen Nahverkehrs zu warten, sondern zu Fuß einige Kilometer aus der Stadt zu laufen, um außerhalb ein Taxi zum Flughafen zu erwischen. Auf diesem Flug stieg ich dann auch wieder in ein (noch kleineres) “Amaszonas” Flugzeug, aber dieses Mal hatte ich deutlich mehr Vertrauen in die Airline.

Wieso sehen meine Fotos nicht so aus wie im Internet?

Schließlich musste ich doch noch zur Salar de Uyuni, um die obligatorischen Bilder zu machen, bei denen man so wunderbar optische Täuschungen erzeugen und mit den Perspektiven spielen kann, wie es auf sozialen Medien und Travel Blogs gezeigt wird! Nein im Ernst, natürlich wollte ich die wohl berühmteste Salzpfanne überhaupt sehen und wenn man schon mal da ist, kann man sich doch gleich schon mal an den Bildern probieren, oder? Nun gut, ich persönlich fand es deutlich schwerer, als es einem suggeriert wird und ganz schön bescheuert sieht man auch aus, wenn man sich bückt, streckt, hüpft, nur damit man im richtigen Winkel zu der Person ist, die 200 Meter vor einem steht. Meine ersten Versuche scheiterten daher auch mehr als kläglich.

Das war das höchste der Gefühle – besser ging es nicht!

Wobei der ganze Stress für das perfekte “Spaßbild” auch wirklich nicht nötig war, denn jetzt im Nachhinein schaue ich mir deutlich lieber die ungestellten Fotos an – na ja, ich kann trotzdem nicht versichern, dass ich es nicht noch einmal so machen würde. Insbesondere, wenn es vielleicht sogar vorher geregnet hat, denn die Bilder mit der regennassen Salzwüste sehen sogar noch ein bisschen besser aus 😉.

Hier in der absoluten Weite hatte ich auch mit die schönsten Erinnerungen an die Reise, denn der Sonnenuntergang war – wie von einigen reisebegeisterten Bekannten bereits vorher angekündigt, sehr schön. Mit ein paar anderen Reisenden saß ich dann noch lange nach Einbruch der Dunkelheit da und habe auf die Sterne gewartet, die jedoch dank der Wetterlage nicht ganz so hell leuchteten, wie es gerne angekündigt wird. Das machte aber gar nichts, denn dieser Abend wurde mit lautem Gesang und Wein, bei dem der halbe Korken noch im Flaschenhals hing, mehr als perfekt. Es braucht also nicht immer unbedingt die beste Kulisse, um eine gute Zeit zu verbringen.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter – Pulsierende Städte und unendliche Weiten

Was aber definitiv immer zu einer guten Zeit beiträgt, ist dem Wetter entsprechende Kleidung dabeizuhaben. Ich habe zwar “von allem etwas” eingepackt, dennoch hatte ich nicht damit gerechnet, innerhalb weniger Tage im selben Land sowohl Sonne bei über 30 Grad als auch Schneeregen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt zu erleben. Das hat mich wirklich sehr erstaunt – doch spiegelt umso mehr die Vielseitigkeit des Landes wider. Denn Bolivien ist mehr als nur die Salzwüste und den Titicaca-See. Für mich ist Bolivien ein Land, das deutlich mehr zu bieten hat, als die bekannten Sehenswürdigkeiten – ein Land, das man im Gesamteindruck erleben muss.

La Paz, das von vielen als hässlich und zu hektisch beschrieben wird, fand ich wirklich toll – vielleicht aber auch weil die Stadt den Beginn meiner Reise einläutete und ich gerade die ersten Momente an neuen Orten besonders intensiv erlebe und erinnere. Die Stadt, die die Verwaltungshauptstadt des Landes ist, bot einen spannenden Mix aus Tradition und Moderne. Viele Menschen trugen traditionelle Kleidung, verkauften Essen auf Straßenmärkten und gleichzeitig überzog die Stadt ein unfassbar modernes Seilbahnsystem. Etwas sehr verrücktes, das man in La Paz finden kann, ist das Gefängnis San Pedro in La Paz. Dort gibt es keine Wächter und die Gefangenen organisieren sich selbst. Es hat sich zu einer eigenen Stadt inmitten der Stadt organisiert. Ein lokaler Guide hat uns erzählt, dass eine Zeitlang sogar touristische Führungen durch das Gefängnis möglich waren, dies aber aufgrund einiger Vorfälle wohl nicht mehr gemacht wird. Sicherlich kein Geheimtipp, aber einen kurzen Besuch wert ist der “Witches Market”, auf diesem findet man vor allem die typischen Souvenirs, aber auch kleinere Schmuckstücke. Was diesen Markt allerdings von vielen anderen abhebt, sind die toten Alpaka-Babys und Föten, die vor den Gebäudeeingängen hängen. Ja – das ist kein Witz. Ich konnte es auch erst nicht glauben und dachte, es würde sich dabei um Puppen handeln. Kulinarisch konnte man in La Paz eigentlich auch alles finden. Sehr überrascht hat mich das verhältnismäßig große Angebot an vegetarisch/veganem Essen, was ich dort eher weniger erwartet hätte. Außerdem waren die Mitarbeiter in jedem Restaurant flexibler als Zuhause, wenn es darum ging, Zutaten aus Gerichten hinzu- oder abzubestellen. Das ist für mich als zum Teil (leider) etwas wählerische Person immer ein Traum. Davon kann man sich in Europa gerne mal eine Scheibe von abschneiden.

Sucre, die konstitutionelle Hauptstadt Boliviens, in der ich durch die Proteste bedingt ja länger als geplant war, ist dagegen das komplette Gegenteil: ruhig, aufgeräumt und ganz in weiß gehalten – aber dafür gibt es dort auch meiner Meinung nach weniger zu entdecken. Hier spürte man noch deutlich die Relikte der Kolonialzeit, da es alles wie in einer spanischen Kleinstadt anmutete. In Sucre konnte man sich wirklich wohlfühlen und auch hier eine Reihe guter Restaurants und Cafés besuchen. Eine der größten Attraktionen der Umgebung scheinen wohl die Dinosaurierspuren in einer nahegelegenen Ausgrabungsstätte zu sein. Überall wurde einem empfohlen, dorthin zu gehen. Und ja, es gab wirklich Spuren zu sehen, allerdings aus weiter Ferne und der Großteil des Parks bestand aus nachgebauten Skulpturen. Aber wenn man länger in Sucre bleibt, muss man wohl auch die gesehen haben.

Überhaupt nicht gerechnet hatte ich in Bolivien mit den vielen traumhaften Lagunen, deren Wasser in den buntesten Farben strahlte – bis auf die “Stinky Lagoon”, bei dieser war der Name Programm. Gut, dass wir hier einen Stopp zum Mittagessen einlegten. Aber der Ausblick hat sich gelohnt. Selbst heiße Quellen, wie man sie sonst nur in Island erwartet, konnte Bolivien bieten und luden zu einer entspannten Badepause ein.

Was ich aus Bolivien mitgenommen habe

In meinem Rucksack landeten Tee, der obligatorische Backpacker Pullover mit Lama-Bestickung und… Nein, das wird hier keine Auflistung an Dingen. Natürlich habe ich auch einige Souvenirs ergattert, aber hauptsächlich hat mich das Land mit schönen Erinnerungen zurückgelassen. Die Reise hat mir gezeigt, dass die von vielen Menschen suggerierte Gefahr über Reisen in Südamerika mit einem gewissen Maß an Vernunft nicht größer ist als an anderen Orten. Ich habe nun ein Bild von einem Land im Kopf, das in den westlichen Medien nicht stark repräsentiert ist, wenn es nicht gerade um die Bodenschätze und die Gewinnung von Lithium geht. Außerdem habe ich unterwegs wirklich nette Menschen getroffen, gelernt, dass ich einfach kein Talent für gestellte Fotoshootings habe und dass es nirgendwo anders so viel Spaß macht, Karaoke zu singen.

Ich weiß, dass ich in der Zeit, in der ich in Bolivien war längst nicht alles gesehen oder erlebt habe – dafür ist und bleibt man dann doch nur ein Tourist. Wart Ihr schon mal in Bolivien? Was waren Eure schönsten Erinnerungen? Was hat Euch am meisten überrascht?

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Autorin

Wenn Anna unterwegs ist, ist sie in ihrem Element. Selten ist sie mehr als ein paar Tage am selben Ort. Der nächste Kurztrip oder eine Fernreise stehen immer schon in ihrem Kalender. Nach ihrem Tourismus-Studium konnte sie ihre Leidenschaft zum Beruf machen und teilt auf reisetopia.ch ihre Erfahrungen, Tipps und News aus der Reisewelt mit euch.

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