Das Coronavirus sorgt gerade in der Hotellerie für viele Verlierer – nicht dazu gehören dürften die großen Ketten, die man bald wohl deutlich verstärkt auch in Deutschland finden wird.
Natürlich kennt man auch in Deutschland die Namen der großen amerikanischen Hotelketten wie Hilton, Marriott oder Hyatt. Der Fußabdruck dieser ist allerdings in Europa vergleichsweise klein, das gilt für Deutschland insbesondere. Auf die Einwohnerzahl gerechnet gibt es bei den bekannten Ketten im jeweiligen Heimatmarkt fünf bis zehnmal so viele Hotels wie in Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Das Coronavirus dürfte das in vielerlei Hinsicht ändern – wenn auch nicht unbedingt zum Vorteil der Hoteliers oder Kunden.
Individualität bei Hotels ist auf dem Rückzug
Laut Statista gab es in Deutschland vor der Krise rund um das Coronavirus mehr als 12.000 Hotels, dazu viele weitere Beherbergungsbetriebe in anderen Kategorien. Die Zahl der Kettenhotels liegt laut etwas älteren Daten bei knapp über 2.000, was darauf hindeutet, dass heute mit Blick auf das Wachstum der vergangenen Jahre vermutlich etwa ein Fünftel der Hotels in Kettenhand sind. Besonders stark sind die Ketten in Deutschland im Luxusbereich vertreten, hier dürfte etwa die Hälfte der Hotels in den Händen der großen Ketten sein – das sieht man auch bei einem Blick auf das Portfolio von reisetopia Hotels. Ähnlich sieht es im sogenannten Upscale-Bereich aus, schwächer sind die Ketten noch im Budget-Bereich aufgestellt. Klar ist allerdings, dass all diese Marktanteile noch vergleichsweise klein sind. In Märkten wie den USA sind mehr als 90 Prozent aller Hotels in den Händen von Ketten, individuelle Hotels sind die absoluten Ausnahmen. Dasselbe gilt in besonders wachsenden Märkten in Asien, etwa in Thailand oder in China.
Diese relativ starke Individualität in Deutschland wird in den nächsten Jahren dabei deutlich weniger werden. Das liegt nicht nur daran, dass die Ketten die meisten Hotels durch die Krise retten können, während das nicht jeder private Hotelier kann. Vielmehr werden nach der Krise deutlich mehr Hotels unter die Fittiche der Ketten schlüpfen, die schneller wieder für eine gute Basisauslastung sorgen können und nicht zuletzt durch ihre Loyalitätsprogramme gute Möglichkeiten haben, Zimmer auch in schwierigen Zeiten schnell wieder zu füllen. Die Kriegskassen von Hilton, Marriott, IHG, Accor & Co sind zudem gut gefüllt, wie die Bilanzkonferenzen der letzten Monate gezeigt haben. Natürlich tun sich auch die Ketten in der Krise sehr schwer, doch die Investoren stehen fest zu den Hotelriesen, sodass die Finanzausstattung im Verhältnis zur privaten Konkurrenz nach der Krise deutlich größer sein sollte. Ein entsprechender Verdrängungswettbewerb zuungunsten von privaten Hotels dürfte die Folge von dieser Entwicklung sein.
Internationale Ketten verdrängen die lokalen Wettbewerber
Doch es sind nicht nur die privaten Hoteliers, die sich im Rahmen von Franchise-Verträgen stärker an die Ketten binden werden. Auch die lokalen Ketten müssen sich auf unruhiges Fahrwasser einstellen. Besonders beeindruckend zeigt sich das schon jetzt bei Kempinski. Der Konzern hat schon vor der Krise die Franchise-Verträge von gleich drei bedeutenden Hotels an den US-Riesen Marriott verloren: Das Hotel Atlantic Hamburg hat genauso die Flagge gewechselt wie die beiden Hotels in Königstein bei Frankfurt. Ein weiteres Beispiel für die Konsolidierung auf dem Markt hin zu den großen Hotelriesen ist sicherlich, dass der französische Accor-Konzern die aufstrebende deutsche Marke 25hours übernommen hat. Zwar darf die Marke mit dem Kapital der Franzosen weiter wachsen, eigenständig ist die Boutique-Kette allerdings nicht mehr. Stattdessen ist sie Teil des enormen Markenimperiums von Accor.
In den nächsten Jahren dürfte sich dieser Prozess in der Folge der Krise fortsetzen, auch weil die Staatshilfen für die Hotelketten im Verhältnis zu den großen Investitionsvolumen der internationalen Hotelriesen eher übersichtlich ausfallen werden – und oftmals zu spät kommen, wie die aktuelle Debatte zeigt. Marken wie Lindner, Kempinski oder auch Dorint dürften es in den nächsten Jahren sehr schwer haben. Das zeigt sich schon an der Pipeline: Zwar arbeiten die Konzerne an einer Handvoll Projekte, doch US-Riesen wie Hilton oder IHG planen in den nächsten Jahren eine zweistellige Anzahl an kompletten Neueröffnungen – mögliche Übernahmen sind hier noch nicht einmal eingerechnet. So schnell gewachsen wie Marriott ist in Deutschland in den letzten Jahren zudem kaum ein Konzern. Die deutschen Marken müssen sich entsprechend warm anziehen, schon weil die US-Ketten mit günstigen Konzepten im 3- bis 4-Sterne-Bereich besonders mit günstigen Preisen zur Attacke blasen.
Interessant werden könnte dabei auch die Rolle von Steigenberger, denn die lange angestaubt wirkende Marke darf sich eines starken Investors aus China erfreuen. Entsprechend will der Konzern in den nächsten Jahren enorm wachsen und plant hunderte Neueröffnungen. In Deutschland hat mit dem Steigenberger Berlin Airport zuletzt etwa schon ein Prestigeobjekt eröffnet. Ein “deutscher” Konzern allerdings ist Steigenberger trotz der Geschichte und des Namens nicht mehr.
Gute und schlechte Nachrichten für Kunden
Wie schnell der Prozess hin zu einer größeren Dominanz der Ketten in Deutschland gehen wird, lässt sich aktuell noch nicht konkret voraussagen. Das Coronavirus dürfte hierbei allerdings als Brandbeschleuniger wirken und noch einige überraschende Flaggenwechsel mit sich bringen. Besonders große Chancen sehen die Ketten dabei auch mit ihren “unabhängigen” Marken, die sich Autograph, Luxury Collection, Unbound Collection, Curio, LXR Hotels oder Radisson Collection nennen. Durch diese neuen Marken sollen unabhängige Hotels ganz einfach die Plattform einer Kette nutzen, ohne ihre Identität zu verändern: Das Hotel Atlantic ist dafür ein gutes Beispiel, weitere könnten folgen. In anderen Märkten sind die ‘Independent Brands’ schon deutlich stärker vertreten. Hyatt etwa hat in Frankreich das berühmte Hotel du Palais unter Vertrag, genauso das Hotel Martinez in Cannes. Generell könnte Frankreich zu einem Vorbild werden, denn hier sind mittlerweile sehr viele Hotels unter die Fittiche der großen Marken geschlüpft, zudem dominiert der Hotelriese Accor den Markt.
Für Kunden sind das auf den ersten Blick gute Nachrichten: Ketten versprechen eine größere Konsistenz mit Blick auf das Hotelerlebnis, Loyalitätsprogramme werden gleichzeitig noch attraktiver. Doch es gibt nicht nur gute Seiten, denn je größer die Marktmacht der Ketten wird, desto mehr werden auch die Preise durch diese bestimmt. Auch das zeigt sich in den USA gut, wo die Hotelpreise teilweise enorm in die Höhe gestiegen sind. Gleichzeitig wurde über die Jahre schleichend das Serviceangebot immer weiter reduziert, womit das Preis-Leistungsverhältnis aus Kundenperspektive deutlich schlechter geworden ist. Der deutsche Hotelmarkt ist trotz einer gewissen Kettenpräsenz noch immer relativ günstig bepreist, auch im Luxussegment. In anderen Märkten wäre ein absolutes Luxushotel in einer Großstadt im Bereich von 200 bis 300 Euro kaum denkbar.
Selbst in Asien zeigt sich, dass Ketten trotz ihrer Konstanz und ihrem hohen Anspruch meist zu deutlich höheren Preisen führen: In günstigen Ländern wie Thailand oder Indonesien kosten Luxushotels meist ebenfalls einen dreistelligen Betrag pro Nacht – individuelle Hotels auf einem ähnlichen Niveau gibt es teilweise für weniger als die Hälfte. In vielen asiatischen Großstädten sind Kettenhotels fast genauso teuer wie in Deutschland – bei unabhängigen Hotels ergibt sich dagegen ein enormer Preisunterschied. Klar ist deshalb: Gerade langfristig sorgt die Dominanz der Ketten, die in den nächsten Jahren stärker wird, für höhere Preise durch die steigende Marktmacht. Kurzfristig allerdings dürften Kunden eher profitieren, besonders weil die gleichzeitige Expansion vieler Ketten zu einem starken Preisdruck führen dürfte.
Fazit zur Expansion der großen Hotelketten
Die großen Hotelketten sind auch in Deutschland schon lange angekommen, auch in der Luxushotellerie. Der Breidenbacher Hof in Düsseldorf gehört genauso wie das Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg oder das Adlon in Berlin zu einer Kette. Dennoch sind die Ketten hierzulande noch vergleichsweise schwach vertreten – das wird sich durch die Coronakrise als Katalysator in den nächsten Jahren ändern. Für Kunden könnten die Folgen für den Moment positiv sein, doch die langfristige Entwicklung in Märkten wie den USA gibt gleichzeitig zu denken.