Flugpassagiere zahlen momentan bereits hohe Steuern und Zuschläge – über die Jahre dürften es noch mehr werden. Gleichzeitig ist es bei der Besteuerung Zeit für einen Paradigmenwechsel.
Höhere Steuern sind aus Verbrauchersicht nie eine gute Sache und auch Unternehmen opponieren aus nachvollziehbaren Gründen gegen höhere Abgaben. Da mag es nicht überraschen, dass KLM gegen eine neue Idee der niederländischen Regierung auf die Barrikaden geht. Statt nur für Passagiere, die in Amsterdam starten, sollen Steuern zukünftig auch für Transitpassagiere gelten. Der Vorschlag würde unilateral wenig ausgegoren und verzerrt den Wettbewerb, doch ein Paradigmenwechsel wäre ein richtiger und wichtiger Schritt, denn die Besteuerung von Flügen ist aktuell weder nachvollziehbar noch fair.
Nur Verlierer bei unilateralem Vorgehen
Ein guter Vorschlag kann immer zur falschen Zeit oder in falscher Form kommen und genau das ist auch mit Blick auf die niederländische Regel der Fall. Die Regierung möchte ohne Abstimmung mit Nachbarländern und der Europäischen Union eine Veränderung der Besteuerung für Flugpassagiere vornehmen, die einzig und allein eine Verlagerung zur Folge hätte. Sofern Passagiere doppelt (am Abflughafen und beim Umstieg) zur Kasse gebeten werden, wird bei der Wahl der Flugverbindung zukünftig schlicht ein anderer Umsteigeort vorgezogen. Statt über Amsterdam fliegt man dann eben via Paris, London, Dublin oder Frankfurt.
Dabei gibt es im Grunde genommen nur Verlierer: Für Passagiere werden die Tickets durch weniger Wettbewerb teurer, für KLM wird das Bestehen im Wettbewerb fast unmöglich und niederländische Passagiere müssen mit einem Abbau des Flugangebots rechnen und dann paradoxerweise selbst zu manchen Zielen, die sie heute noch direkt erreichen, zukünftig mit einem Umstieg fliegen. Der Umwelt ist damit keineswegs geholfen – im Gegenteil. Die einzigen potenziellen Gewinner sind die Einwohner im Umland des Flughafens, denn die Regelung könnte KLM so schwächen, dass zukünftig viel weniger Flüge in Amsterdam landen. Um dieses Ziel zu erreichen, gäbe es aber auch andere Maßnahmen, die von der niederländischen Regierung mit einer Reduzierung der erlauben Flugbewegungen sowieso schon ergriffen wurden. Entsprechend kurios mutet das Vorgehen an, zumal es in aktueller Ausgestaltung eine Doppelbesteuerung bedeuten würde (am Abflugort und beim Umstieg).
Zeit für eine Veränderung der Passagierbesteuerung
Schade ist der einseitige Vorschlag der niederländischen Regierung insbesondere deshalb, weil eine zumindest europäische Regelung Signalwirkung haben könnte. Die Veränderung der Passagierbesteuerung ist nämlich fraglos evident, denn momentan werden schlicht komplett falsche Anreize geschaffen. Abflugsteuern werden an allen Flughäfen in Europa unabhängig davon erhoben, ob es sich um einen Direktflug oder eine Umsteigeverbindung handelt. Sofern die umweltpolitische Lenkungswirkung an erster Stelle stehen soll, müssten Umsteigeverbindungen aber stärker besteuert werden. Doch damit nicht genug, denn selbst in Deutschland und den Nachbarländern gibt es nicht einmal ansatzweise vergleichbare Abflugsteuern.
Das hat zur Folge, dass es günstiger ist, erst ins Ausland (etwa nach Polen oder Tschechien) zu fahren, um dann beispielsweise von dort über Frankfurt oder München in die USA zu fliegen. Für Passagiere bedeutet das mehr Aufwand, für den deutschen Staat sind die Einnahmen geringer und der Umwelt ist erst recht nicht geholfen. Hintergrund dieses Kuriosum ist, dass die Abflugsteuern ausschließlich am Abflugort und eben nicht bei Umstiegen erhoben werden, wie sich in den Detailerklärungen zur deutschen Luftverkehrssteuer nachlesen lässt. Deshalb spielt es auch keine Rolle, ob man direkt von Frankfurt nach New York fliegt oder von Frankfurt via München und Chicago nach New York – an der reinen Steuerbelastung verändert sich nichts.
Ein Paradigmenwechsel wäre dabei durchaus möglich, erfordert dabei allerdings ein gemeinsames Bestreben. Eine Veränderung der gängigen Praxis funktioniert nur, wenn sich entweder alle Länder oder zumindest alle Länder mit größeren internationalen Fluggesellschaften auf einem Kontinent zusammentun – in der Europäischen Union hätte man zumindest das Potenzial dazu, ein Vorbild zu sein.
Anteilige Steuern für Umstiege und Abflüge
Nun ist die Luftfahrt ohne Frage internationaler als ein Kontinent, denn es geht eben nicht nur um Flüge von Europa nach zum Beispiel Nordamerika, sondern beispielsweise auch um Verbindungen von Nordamerika nach Indien, bei denen eine Airline wie die Lufthansa auch mit Fluggesellschaften aus dem Mittleren Osten konkurrieren. Dennoch wäre eine neue Strategie denkbar, zumindest in ausgewählten Märkten, in denen die Verlagerungswirkung vergleichsweise gering wäre. An Bord holen müsste man in Europa allerdings mindestens noch Großbritannien und die Schweiz, um die wichtigsten Märkte abzudecken.
Dann gäbe es immerhin auf vielen Routen die Möglichkeit, das Geschäft nachhaltig zu verändern und den richtigen Weg zu gehen und statt auf Abflugsteuern auf anteilige Steuern für Umstiege und Abflüge zu setzen. Die Gesamtsteuerbelastung muss dabei nicht unbedingt steigen, die Einnahmen- und Lastenverteilung würde sich nur verbessern. Würden beispielsweise alle von der Regelung umfassten Flughäfen eine Abflugsteuer von 15 Euro und eine Transitsteuer von ebenfalls 15 Euro erheben statt bislang theoretischen 30 Euro Abflugsteuer, würde man als Passagier denselben Betrag bezahlen, wenn man umsteigt, aber sogar weniger, wenn man einen Direktflug bucht.
Umweltfreundlichere Direktflüge würden so attraktiver werden, Umsteigeverbindungen teurer. Jeder Stopp würde dabei extra kosten, was etwa dazu führen würde, dass weniger Umwege geflogen werden und zudem auch Zubringer mit der Bahn statt des Flugzeuges attraktiver werden. Die Gesamtzahl der Flugbewegungen würde potenziell sinken, weil es weniger Umsteigepassagiere gäbe und Länder mit größeren Hubs würden einen größeren Anteil der Steuereinnahmen erhalten. Dies wäre insofern nur fair, als sie gleichzeitig auch die höchste Belastung durch die Flugbewegungen haben, etwa durch Geräuschemissionen rund um den Flughafen oder die notwendige Bereitstellung der Infrastruktur.
Wenig Hoffnung für ein theoretisches Modell
Nun kann man wie bei jedem Vorschlag viele Gegenargumente finden, etwa mit Blick darauf, dass die Neuregelung insbesondere Ländern dienen würde, die viele Umsteigepassagiere haben. Infragestellen kann man auch, ob eine europäische oder sogar globale Steuerlogik für Flugpassagiere je fair sein könnte, muss man bekanntlich auch Einkommensunterschiede zwischen den Ländern in den Blick nehmen. Zweifel darf man auch wettbewerbsrechtlich haben, können niedrigere Steuern in einem Land doch ein Argument für Ansiedlungen sein. Doch sofern eine Lenkungswirkung im Luftverkehr gewünscht ist, wäre die Regel dennoch deutlich besser als das momentane Vorgehen – eine perfekte Strategie ohne Verlierer gibt es bekanntlich nie.
Dennoch sollte man sich keine großen Hoffnungen auf allzu viel Veränderung machen, denn die Besteuerung ist selbst auf Ebene der Europäischen Union ein Bereich, in dem Brüssel kaum eine Rolle spielt – vielmehr sehen die Staaten die Steuersetzung als souveränes Recht, in dem eine Kompetenzabgabe schwer denkbar ist. Das zeigen auch Vorstöße anderer Art, zuletzt etwa zur globalen Mindeststeuer für Unternehmen. Wenn eine solche Initiative nun schon auf EU-Ebene kaum denkbar ist, kann man sich vorstellen, wie schwer eine globale Umsetzung wäre.
Viel Hoffnung auf eine Veränderung gibt es allerdings nicht – der Vorstoß der Niederlande zeigt allerdings immerhin, dass ein Umdenken stattgefunden hat und manche Länder selbst dann vorangehen wollen, wenn sie davon durch die Wettbewerbsverzerrung einen Nachteil haben. Man darf gespannt werden, ob alle Länder die Regelung adaptieren und sich so zumindest langfristig Wandel zeigt.