Während eines Lockdowns mit stetig steigenden Infektions- und Todeszahlen verreisen? Für viele ist das ein No-Go, für einige andere jedoch absolut in Ordnung. Ein Streitthema mit vielen Facetten.

Ein Thema, über das aktuell wohl mehr als oft diskutiert wird, ist mit Sicherheit das Reisen in aktuellen Zeiten und seine gesellschaftliche Akzeptanz. Wenn man einen Blick auf die Aussagen der Regierung wirft, ist die klare Antwort, dass Reisen nicht vertretbar sind. Doch ganz so einfach finde ich die Antwort nicht.

Regierung ruft zum Reiseverzicht auf

Während in Deutschland alle Restaurants geschlossen haben, ein Übernachtungsverbot verhängt wurde und die Infektionszahlen wieder in die Höhe schnellen, kann man sich in anderen Ländern der Welt problemlos bewegen und einem relativ normalen Alltag nachgehen. Nicht verwunderlich, dass einige reisebegeisterte Menschen sich so trotzdem zurzeit im Urlaub aufhalten und zum Beispiel die Sonne auf den Kanaren genießen. Doch genau hier gehen die Meinungen aktuell mehr als stark aneinander, denn die Regierung, allen voran unsere Kanzlerin sowie der Gesundheitsminister sagen ganz klar, dass Reisen aktuell vermieden werden sollen.

Ich bitte Sie: Verzichten Sie auf jede Reise, die nicht wirklich zwingend notwendig ist, auf jede Feier, die nicht wirklich zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

An dieser Stelle ist mir natürlich ganz klar, weshalb diese Empfehlung ausgesprochen wird und grundlegend halte ich sie auch für sinnvoll. Wir können nicht suggerieren, dass Reisen in andere Länder in Ordnung ist, während alle Restaurants sowie Hotels in Deutschland geschlossen sind und wir aktuell über die Schließung des Einzelhandels debattieren. Praktischerweise helfen beim Thema Reisen auf „natürliche Art und Weise“ die Einreisebeschränkungen bestimmter Länder sowie die Risikogebiets-Einstufung des RKI, die eine 10 tägige Quarantäne bei Wiedereinreise vorschreibt. So reisen unter anderem aufgrund dieser Einschränkungen sowieso nicht gerade viele Menschen – zumindest im Vergleich zum Vorjahr.

Verschiedene Faktoren sind ausschlaggebend

Nicht selten habe ich die Frage, ob es in Ordnung ist aktuell zu Reisen, mit meinen Freunden in den letzten Wochen diskutiert. Denn während mir in meiner 60 Quadratmeter Wohnung in Berlin-Kreuzberg etwas die Decke auf den Kopf fällt, sehne ich mich mehr als zuvor nach einem Abenteuer und einem Urlaub. Bereits Ende Oktober, als ich meinen Urlaub auf Zypern verbrachte und die Situation sich in Deutschland immer mehr zuspitzte – die Kanzlerin empfahl damals schon, nicht mehr zu Reisen – wurde ich von vielen Bekannten und Freunden gefragt, warum ich denn jetzt einen Urlaub mache und ob ich nicht lieber darauf verzichten sollte. Abgesehen davon, dass ich diese Reise natürlich schon geplant hatte, bevor sich die Situation verschlimmerte, war meine Antwort eigentlich immer dieselbe, nämlich dass ich es durchaus vertreten kann, gerade auf Zypern zu sein.

Ganz bewusst habe ich mich für diese Destination entschieden, da das Land zu dem Zeitpunkt deutlich weniger Fälle als Deutschland und gerade Berlin-Kreuzberg aufwies und ich vor Anreise einen freiwilligen Corona-Test absolvierte. Zudem befand ich mich dort in einem Haus mit privatem Pool und gestaltete meine Ausflüge zu Stränden und in das Landesinnere so gut es ging ohne großartige Kontaktpunkte. Zugutekam mir dabei der Umstand, dass die Insel verhältnismäßig leer war, wie es uns Einheimische immer wieder versicherten und die gesichteten Strände uns belegten. Der Supermarkt und einige wenige Restaurants waren meine einzigen Kontaktpunkte – ach ja und natürlich das Flugzeug sowie der Flughafen. Es ist mir natürlich bewusst, dass eine Ansteckung während der Reise möglich gewesen wäre.

Wenn ich jedoch darauf blicke, wie oft ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Berlin unterwegs bin sowie gedrängt in irgendwelchen Supermarktschlangen oder Ähnlichem stehe, sah ich in dem Moment da weniger das Problem. Zumal ich darauf achtete bei jedem Berührungspunkt am Flughafen, beispielsweise der Sicherheitskontrolle und dem Anfassen der Ablagebehälter, im Anschluss direkt meine Hände zu waschen und zu desinfizieren. Zudem wurde nach Einreise auf Zypern unser gesamtes Flugzeug zu einem Coronatest gebeten, an dem es keinen Weg vorbei gab. Ausnahmslos alle Passagiere wurden getestet, auch solche wie ich, die eigentlich schon einen negativen Coronatest dabei hatten. Durch diesen Umstand hatte ich eine doppelte Sicherheit, nicht infiziert zu sein. Insgesamt fühlte ich mich somit auf der Insel nicht etwa nur “sicherer” als in Berlin, sondern auch als ein geringeres Infektionsrisiko als zu Hause.

Während diese ganze Debatte nun knapp zwei Monate her ist, hat sie für mich weiterhin nicht an Bedeutung verloren. Denn meine Meinung hat sich während dieser Zeit immer weiter gefestigt: Reisen kann in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren vertretbar sein. 

Reisen müssen nach der aktuellen Situation in den Zielgebieten betrachtet werden

Während ich hier also eine nicht sonderlich negative Einstellung zum Reisen in der aktuellen Zeit beziehe, mache ich trotzdem deutliche Unterschiede. Diese mache ich hauptsächlich an den Infektionszahlen und der Inzidenz in anderen Ländern und Regionen fest, denn für mich ist es fraglich, ob man aus touristischen Gründen in eine Destination reisen muss, die ein höheres Infektionsrisiko als das eigene Land birgt, da in diesem Fall, die Wahrscheinlichkeit sich anzustecken sowie die Verbreitung des Virus steigt. Als Maßnahme gibt es bei der Rückkehr in Deutschland dafür zwar die verpflichtende Quarantäne, doch alleine damit ist es natürlich nicht getan – denn sowohl vor Ort als auch bei der Heimreise sowie im eigenen Hausstand kommt man mit anderen Personen und Oberflächen in Kontakt. An dieser Stelle sollte man nun jedoch auch das Verhalten des Reisenden mitbetrachten.

Hält der Reisende sich an alle Regeln und Vorschriften und reist weitestgehend kontaktlos, zum Beispiel durch das Buchen eines einsamen Chalets in den Bergen, kann das Risiko sicherlich niedriger sein, als wenn dieser sich beispielsweise täglich im öffentlichen Verkehr von Berlin bewegt. Entscheidet man sich jedoch dazu in ein absolutes Hotspot-Gebiet zu fahren, um dort womöglich Party zu machen – in einigen Ländern soll es das noch geben – ist das meiner Meinung nach weniger nachvollziehbar.

Zeitgleich stehe ich jedoch dem Reisen in Länder ohne Quarantäneverordnung, heißt mit einer geringen Anzahl an Infizierten, deutlich positiver gegenüber. Blickt man nun auf Länder, die deutlich geringere Infektionszahlen und einen niedrigeren Inzidenz als Deutschland vorweisen aber trotzdem als Risikogebiete gelten und somit der Quarantäneverodnung unterliegen, gehen die Meinungen deutlich weiter auseinander – schließlich warnt das Auswärtige Amt ja vor diesen Ländern. An dieser Stelle möchte ich mich jedoch Moritz Meinung aus seiner vergangenen Kolumne zur Änderung der Quarantäneverordnung anschließen, die aussagt, dass es Handlungsbedarf hinsichtlich der Einschätzung dieser Thematik gibt. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir dabei folgendes Zitat:

Das von den Rückkehrern ausgehende Infektionsrisiko stelle sich jedenfalls bei vergleichbaren Inzidenzwerten nicht anders dar, als wenn sie daheim geblieben wären.

Zitat von Moritz in seiner Kolumne zur Quarantäneverordnung

Wenn man also in ein Land reist, welches eine niedrigeren Inzidenz als Deutschland ausweist oder womöglich gar nicht als Risikogebiet deklariert ist, birgt man ein geringeres Risiko einer Infizierung und Verbreitung. Provokant gesagt, müsste man sich ja eigentlich sogar freuen, dass Person XY gerade nicht in Deutschland ist, sondern an einem Ort, an dem die Wahrscheinlichkeit bedeutend geringer ist, das Virus zu verbreiten. Doch genau an dieser Stelle der Diskussion kommen dann wieder die Fragen auf: “Was ist mit dem Reiseweg? Da ist doch die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung am höchsten?”.

Ansteckungsrisiko beim Fliegen gering

Ich weiß nicht genau, woher diese Einschätzung immer wieder kommt, jedoch ist das grundsätzlich natürlich erst mal von der Destination und der Anreise selbst abhängig. Fährt man mit seinem eigenen Auto zum Zielort, sehe ich da von Grund auf kein Problem. Wenn wir uns nun jedoch die Anreise per Bahn oder Flugzeug ansehen – gerade letzteres spielt bei den aktuellen Nicht-Riskoländern eine große Rolle – sieht es da schon anders aus. Bezogen die An- und Abreise per Flugzeug ist es gänzlich klar, dass man am Flughafen mit mehreren Leuten sowie Sachgegenständen in Kontakt kommt, die ein Risiko einer Infizierung mit sich bringen. Auch im Flugzeug selbst sitzt man auf engstem Raum mit fremden Personen zusammen und kommt mit weiteren Oberflächen in Kontakt.

Die Airlines haben das natürlich erkannt und mit Maskenpflicht sowie neuen Hygieneregeln reagiert. Bei einigen Fluggesellschaften wird dies sicherlich besser umgesetzt als bei anderen, insgesamt gab es bisher jedoch kaum nachgewiesene Fälle von einer Infizierung im Flieger selbst, was gut zeigt, dass das Risiko von Außenstehenden deutlich höher eingeschätzt wird, als es eigentlich ist. Auch eine Studie aus Harvard bestätigt das geringe Infektionsrisiko an Bord, welches durch die überwiegend virenfreie Luft in Kombination mit den Maßnahmen der Airlines zustande kommt. So steht in dieser Studie beispielsweise geschrieben, dass “das integrierte Belüftungssystem, das die Luftzufuhr kontinuierlich zirkuliert und auffrischt, mehr als 99 Prozent der Partikel, die COVID-19 verursachen, heraus[filtert].”

Die Studie geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht von einem geringeren Ansteckungsrisiko beim Fliegen als beim Einkaufen oder in einem Restaurant. Die Ergebnisse dessen stehen dabei gegensätzlich zu der Meinung vieler Passagiere, die kürzlich vom TNMT analysiert wurde. Denn dabei kam heraus, dass Reisende im Grunde die Ansteckung im Flugzeug höher einschätzen als am Flughafen selbst. Insgesamt zeigt sich somit, dass das Argument des Reiseweges als Risiko sicherlich nicht so schwer wiegt, wie von vielen angenommen wird – auch wenn denn eine Ansteckung natürlich nie ausgeschlossen werden kann. Betrachten muss man dabei nämlich auch, dass während der Zeit, in der jemand im Flugzeug sitzt, dieser sich nicht mehr im alltäglichen Lebensraum, also im Büro, Supermarkt oder dem öffentlichen Nahverkehr befindet sowie ebenso keine Freunde trifft.

Eigenes Verhalten spielt große Rolle

Insgesamt sollte man bei der Erörterung der Frage einen weiteren sehr relevanten Punkt mit einbeziehen: nämlich das eigene Verhalten. Dies beginnt bereits im Alltag. Denn, ist man beispielsweise die ganze Zeit unterwegs und minimiert beispielsweise nicht seine sozialen Kontakte – zumindest nicht in der Zeit vor der Reise – ist die Diskussionsgrundlage bei dieser Thematik für mich schon wieder eine ganz andere. Natürlich ist die Beurteilung dessen diesmal deutlich schwieriger, denn immerhin gibt es auch viele Leute, die beruflich tagtäglich mit Menschen in Kontakt kommen. Letzten Endes steht für mich jedoch im Vordergrund, dass man sich vor der Abreise zumindest sicher sein sollte, dass man nicht infiziert ist. Ob man zur Sicherheit noch einen (Schnell-)Test durchführt, ist natürlich Abwägungssache jeder einzelnen Person und sollte in Abhängigkeit zu dem eigenen Verhalten zuvor stehen. Klar ist jedoch sicherlich, dass man mit Symptomen oder gar einem Kontakt mit einer infizierten Person keine Reise antreten sollte.

Wenn man das eigene Verhalten betrachtet, sollte man aber sicherlich nicht nur das Verhalten im Alltag beleuchten, sondern auch das Verhalten im Zielgebiet selbst. Da es in jedem Land aktuell starke Unterschiede gibt, kann man natürlich nicht entsprechend pauschalisieren, wie man sich angemessen verhalten sollte. Klar ist an dieser Stelle für mich jedoch, dass vertretbares Reisen während einer weltweiten Pandemie bedeutet, sich an die vorgegebenen Regeln der Länder zu halten, auch wenn man vielleicht keine Lust hat sich im Urlaub einzuschränken.

Reisen kann in der aktuellen Zeit in Ordnung sein

Insgesamt ist es grundlegend schwierig zu beurteilen, ob es vertretbar ist aktuell zu Reisen. Jeder hat dazu seine eigene Meinung, die mit Sicherheit von seinem eigenen Verhalten während der Pandemie sowie seiner Reiseaffinität geprägt sind. Für mich ist Reisen nicht nur mein Lieblingshobby, sondern auch mein Job – und das bringt mich sicherlich auch dazu, Verständnis für die Personen aufzubringen, die aktuell im Urlaub sind. Doch trotz meiner Liebe zum Reisen kann und möchte ich nicht pauschal sagen, dass es absolut vertretbar ist, in der aktuellen Situation zu verreisen. Denn es steht für mich immer in Abhängigkeit davon, wohin man reist, wie man sich vor der Reise und vor allem während der Reise in der Zieldestination verhält. Ignoranz durch wildes und unüberlegtes herumreisen, hilft in der aktuellen Situation niemanden weiter, es birgt eher Gefahren. Jedoch hilft es uns ebenso nicht weiter, mit dem Finger auf Reisende zu zeigen, ohne zu Wissen, welche Gedanken und Vorkehrungen hinter der Reise stecken. Ich für meinen Teil würde selbst gerne im Frühjahr nächsten Jahres für eine längere Zeit in ein anderes Land reisen, Südafrika stellt für mich zum jetzigen Zeitpunkt eine gute Option dar. Von dort aus kann ich aus dem Home Office ohne relevante Zeitverschiebung arbeiten, sowohl am Strand als auch in den Bergen Energie tanken und stelle zeitgleich ein geringeres Risiko bei der Verbreitung des Virus dar – für mich eine Win-Win-Situation.

Wie steht Ihr zu dem Thema? Ist es für Euch in Ordnung aktuell zu Reisen? Lasst es mich in den Kommentaren wissen oder schreibt mir eine E-Mail an redaktion@reisetopia.de!

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Autorin

Lena Goller ist COO bei reisetopia und seit Februar 2020 Teil des Teams sowie der Geschäftsführung. Auch, wenn sie im Sommer 2021 die Redaktionsleitung übergeben hat, schreibt sie weiterhin noch gerne über ihre luxuriösen Reiseerlebnisse, ansonsten fokussiert sie sich primär auf operative Prozesse sowie ihr Lieblingsthema: das Affiliate Marketing.

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