Doch kein so großer Erfolg? Die Lufthansa Group dreht das Rad bei der kostenpflichtigen Verpflegung auf Europa-Flügen teilweise zurück. Kommen echte Verbesserungen für Kunden, die sogar zu einem großen Wurf werden könnten?
Es ist schon wenig kurios: Als die Lufthansa vor vielen Jahren angekündigt hat, die kostenfreien Snacks und Getränke auf Flügen innerhalb von Europa zu streichen, hatten die US-Airlines gerade das Gegenteil angekündigt. Dort gab es die Idee, die Kosten zu senken und zusätzliche Einnahmen durch den Verkauf von Speisen und Getränke zu generieren, schon früher. Dreht nun auch die Lufthansa den Zeiger komplett zurück?
Die Konkurrenz scheint einen Schritt voraus
Zwar scheint die Lufthansa nur einen „Test“ für den Sommer zu planen, aber zumindest vorerst kommen damit Kaffee und Tee neben dem kostenfreien Wasser zurück ins Angebot der Airline. Die Premium-Tochter Swiss verwöhnt zeitweise zudem auch Statuskunden mit einem kostenlosen Getränk, was zur Offensive der Mutter passt.
Dass all das allerdings schon positiv wirkt, scheint rückblickend, aber auch seitwärts blickend, doch etwas kurios. Der Konkurrent Air France bietet beispielsweise weiterhin einen kleinen Snack und Getränke kostenlos in der Economy Class, sogar British Airways – üblicherweise immer noch einen Tick weniger großzügig als die Lufthansa – hat Kaffee und Tee schon Ende 2023 wieder eingeführt.
Die Lufthansa rennt – nicht nur bei der Kundenzufriedenheit – also wieder ein kleines Stück hinterher. Das soll die Initiative nicht schmälern, zeigt allerdings, dass die Lufthansa hinsichtlich des Premiumprodukts auch weiterhin weit weg von einer Vorreiterrolle ist. Ob die kostenfreien Heißgetränke Kunden nun umstimmen und viel glücklicher machen, darf man bezweifeln.
Komplexe Differenzierung im Cent-Bereich
Laut eines Investorenberichts aus dem Jahr 2023, hat die Lufthansa durch das kostenfreie Catering vor dessen Beendigung gerade einmal 89 Cent pro Passagier und Flug ausgegeben. Heute liegen die Kosten bei nur noch 33 Cent im Schnitt – scheinbar für die kostenfreie Flasche Wasser. Entsprechend hat die Lufthansa durch die Änderungen 56 Cent gespart – pro Flug & Passagier.
Nun klingt das nach unglaublich wenig, im Airline-Geschäft mit engen Margen dürften die Ersparnisse aber doch nicht unbedeutend sein. Das gilt allerdings insbesondere deshalb, weil gleichzeitig auch die zusätzlichen Einnahmen im Bordverkauf gesteigert werden konnten. Genaue Zahlen fehlen hier, aber zumindest pro Passagier dürfte die Airline hier im Schnitt noch einmal mindestens genauso viel verdienen.
Bleibt die Frage: Lohnt es sich für eine Airline mit Premiumanspruch, 1 bis 2 Euro pro Passagier mehr zu verdienen und gleichzeitig hinzunehmen, dass es bei der Kundenzufriedenheit bergab geht? Und wie viel Differenzierung bringen die kostenlosen Leistungen wirklich? Man darf infrage stellen, ob gerade Kaffee und Tee in dieser Hinsicht den großen Unterschied machen.
Zeit für einen großen Wurf in Zeiten teurer Tickets
Es lässt sich nicht abstreiten, dass die Margen in der Luftfahrt knapp sind und die Passagiere sicherlich nicht des Caterings allein wegen einer Entscheidung für oder gegen eine Airline treffen. Doch heutzutage unterscheidet sich das Erlebnis zwischen einem Billigflieger und einer “Premium”-Fluggesellschaft im Grunde auch an anderen Stellen fast gar nicht mehr – nicht beim Gepäck, nicht bei der Umbuchung und auch nicht bei den Sitzen oder dem Sitzabstand. Die größte Differenzierung gibt es gemeinhin noch beim Boarding oder dem Flughafenterminal.
Bei solchen Vorzeichen sind kostenfreie Heißgetränke bei der Lufthansa sicherlich eher ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wichtiger wäre ein großer Wurf, der dazu führt, dass Menschen sich bewusst auch bei einem höheren Preis wieder für die Lufthansa entscheiden und im Zweifel sogar einen Umstieg in Kauf nehmen. Aktuell nimmt man das maximal bei denjenigen wahr, die einen Status haben und somit ohnehin mit Privilegien unterwegs sind.
Wie wäre etwa eine Rückkehr zu einem generell kostenfreien Catering oder zumindest kostenfreien Getränken? Gerade mit Blick darauf, wie viel teurer Flugtickets auf Europaverbindungen im Schnitt geworden sind, dürfte dies bei der Kalkulation heutzutage kaum mehr ins Gewicht fallen. Wie wäre es alternativ damit, Passagieren am Gate wieder eine Zeitung bereitzustellen (in München und Frankfurt ist das sogar teilweise der Fall) oder das Internet auf Europaflügen generell kostenfrei anzubieten?
Wenn United Airlines zum Vorbild wird
Geht es ums Sparen, ist der US-Partner der Lufthansa United Airlines gemeinhin das Vorbild. Vielleicht wäre es denkbar, dass dies auch beim Sinneswandel der Lufthansa der Fall wäre? Die Partner in den USA bieten mittlerweile wieder Snacks und Getränke in der Economy Class kostenlos an, haben zumindest teilweise kostenfreies WLAN und in neueren Maschinen sogar wieder Entertainment-Screens mit einer breiten Auswahl.
Wenn ich zurückdenke, war das Erlebnis bei United früher immer ziemlich bescheiden – egal ob im Flugzeug oder in den Lounges, bei denen sich in meiner Erinnerung Salzbrezeln und Käsewürfel eingebrannt haben. Heute bieten die United Lounges meist mehrere warme Wahlzeiten, zahlreiche Snacks und ein angenehmes Ambiente auf dem Niveau der Lufthansa Lounges – an manchen Standorten sogar darüber. Die Polaris Lounges für Langstreckenpassagiere sind sogar durch die Bank besser als die der Lufthansa.
Wozu führt das in den USA? Die großen drei Netzwerkairlines haben gegenüber Billigfliegern wie Spirit Airlines oder Frontier Airlines enorm an Marktanteilen gewonnen und sind hochprofitabel, während die Billigkonkurrenz finanzielle Probleme hat. Airlines aus dem Spektrum dazwischen – etwa JetBlue – streben beim Angebot nach oben und nicht in die Gegenrichtung. In Europa scheint es dagegen genau andersherum: Besonders erfolgreich sind Billigairlines.
Die Lufthansa muss eine klare Richtungsentscheidung treffen
Blickt man auf andere Märkte, scheint mittlerweile klar: Jede Fluggesellschaft muss sich klar positionieren, um erfolgreich zu sein und gegenüber der Konkurrenz gut aufgestellt zu sein. Mit Blick auf die Kostenstruktur der Lufthansa bleibt in der Konsequenz eigentlich nur die Option, sich relevant im Premiumsegment zu positionieren und konsequent das Leistungsangebot aus- und nicht abzubauen.
Ob das am Ende Wunschdenken ist, lässt sich gerade noch nicht sagen. Immerhin scheint sich nach einem langen Fokus auf das Sparen langsam ein Sinneswandel einzustellen. Weg vom reinen Blick auf Centbeträge hin zum Blick auf das große Ganze. Traurig nur, dass es dafür Jahre der negativen Entwicklung der Kundenzufriedenheit gebraucht hat.
So bleibt zu hoffen, dass die Lufthansa daraus lernt und den Anspruch neu definiert – United ist dafür das perfekte Beispiel, nicht nur mit Blick auf eine gestiegene Kundenzufriedenheit, sondern insbesondere auch hinsichtlich des auch aus der Sicht des Lufthansa-Vorstands besonders wichtigem Betriebsergebnis.