Bei der Lufthansa Group läuft es weiterhin ziemlich gut, die Kernmarke Lufthansa steht dagegen nicht nur vor einem schweren Jahr, sondern einer komplexen Zukunft – fehlt es schlicht an einem tragfähigen Geschäftsmodell und einer sinnvollen Kostenbasis für normale Zeiten?
Eine Gewinnwarnung an der Börse, ein interner Brandbrief – die Kernmarke Lufthansa (nicht zu verwechseln mit dem Gesamtkonzern Lufthansa Group) sorgt aktuell für viel Aufruhr. Während selbst langjährige Sorgenkinder wie Austrian Airlines oder Brussels Airlines voraussichtlich für Gewinne sorgen, steht das bei der Kernmarke in Zweifel – im ersten Halbjahr konnten im Gegensatz zum Vorjahr keine Gewinne eingeflogen werden. Im Gegenteil: Es steht ein dickes Minus. Doch kann die Lufthansa in einem normalen Marktumfeld überhaupt Gewinne machen? Die Aussichten sind alles andere als gut.
Aktionismus überschattet das eigentliche Problem
Dass Lufthansa-CEO Jens Ritter nun mit einer gehörigen Portion Aktionismus ankündigt, dass Projekte gestoppt und keine neuen Mitarbeiter – nicht einmal mehr Praktikanten – eingestellt werden, mag eventuell helfen, um in diesem Jahr nicht in die roten Zahlen zu rutschen. Doch das eigentliche Problem lässt sich mit dieser kurzfristigen Strategie wohl kaum ändern: Die Kosten und die Erträge passen bei der Kernmarke des Konzerns nicht mehr zusammen.
Dass sich Ritter darüber beklagt, dass die Kosten 20 Prozent höher sind als vor der Pandemie, obwohl man 20 Prozent weniger Flüge anbietet, klingt an sich dramatisch. Fakt ist gleichzeitig allerdings, dass in diesem Fünfjahresturnus mit Inflation und größeren Gehaltssprüngen ein Wert von 20 Prozent höheren Kosten auch bei anderen Unternehmen keine Seltenheit ist. Einzig scheinen andere es besser geschafft zu haben, gleichzeitig auch die Produktivität zu erhöhen.
Bei der Lufthansa stellt sich dagegen die Frage, wie der Konzern schon im Jahr 2024 wieder in die roten Zahlen rutschen kann. Die Flugpreise steigen zwar nicht mehr so extrem wie in den Jahren 2022 und 2023, doch sie verbleiben auf einem enorm hohen Niveau und liegen je nach Saison signifikant, teils doppelt so hoch wie vor der Pandemie. Vorwiegend muss man sich bei solchen Werten ernsthafte Sorgen um die Zukunft der Lufthansa machen.
Sinkende Flugpreise erscheinen nicht unwahrscheinlich
Das liegt allen voran daran, dass eher nicht damit zu rechnen ist, dass die Flugpreise bis Ende des Jahres oder auch im Jahr 2025 weiter steigen werden. Im Gegenteil: Die Nachfrage kühlt aktuell ab, besonders im besonders starken US-Markt läuft es nicht mehr so rund wie in den letzten beiden Jahren. Dazu kommt ein wieder stärker wachsendes Angebot, insbesondere weil neben Airbus nun auch Boeing langsam aber sicher wieder mehr Flugzeuge ausliefert.
Wenn allerdings ein erhöhtes Angebot auf eine sinkende oder zumindest eine gleichbleibende Nachfrage trifft, dürften die Preise weiter sinken. Wenn die Lufthansa aber schon beim aktuellen Preisniveau keine Gewinne erwirtschaften kann, fragt man sich, wie das in Zukunft gelingen soll. Zwar hofft man in der Konzernzentrale in Frankfurt, dass man sich dank des Allegris-Produktes freischwimmen kann, ob sich die Hoffnungen auf einen echten Effekt im Jahr 2025 allerdings bestätigen, darf man ebenfalls kritisch hinterfragen.
Dazu kommt, dass bei der Konkurrenz gefühlt alles ein wenig schneller geht. Zwar gibt es bei der Lufthansa viel Wirbel um Allegris, währenddessen bauen große Konkurrenten wie Air France-KLM oder auch Iberia allerdings still, heimlich und viel schneller in ihren Maschinen schon wieder ein neues Business Class Produkt mit Türen an jedem Sitz ein.
Fraglich erscheint da, wie die Lufthansa sich in diesem Marktumfeld erhofft, dank Allegris die Einnahmen zu erhöhen – vielmehr ist das neue Produkt wohl eher die einzige Möglichkeit, um die Erträge auf den lukrativen Premiumstrecken konstant zu halten.
Schlecht aufgestellt für die Passagiere der Zukunft
Das Problem für die Lufthansa-Kernmarke dürfte der Fokus sein, der seit der Corona-Pandemie nicht mehr zum Markt passt. Die Lufthansa hat über Jahrzehnte erfolgreich ein System aufgebaut, das ideal auf Geschäftsleute abgestimmt ist. Deshalb war der Airline die Produktkonsistenz über Jahre so wichtig, deshalb sieht das Streckennetz der Airline so aus, wie es ist und deshalb wurde insbesondere Frankfurt zum zentralen Hub aufgebaut.
Doch im Jahr 2024 sind Geschäftsreisende für eine Fluggesellschaft nicht mehr so ertragsstark und insbesondere nicht mehr so vielfältig wie noch vor der Pandemie. Dass sich das in den nächsten Jahren wieder ändern wird, hofft mittlerweile wohl niemand mehr. Auch die Lufthansa erwähnt zuletzt immer wieder, dass man sich stärker auf zahlungskräftige Privatreisende konzentrieren möchte.
Dabei bleibt allerdings die Frage: Passt das Geschäftsmodell zu diesen Passagieren und ist die Lufthansa in diesem Markt gut für die Zukunft gerüstet? Das Hub-Modell mit Umsteigeverbindungen ist in diesem Segment weniger attraktiv, weil Privatreisende Umstiege eher scheuen und auch das Thema Loyalität spielt für privat verreisende Passagiere eine weniger große Rolle. Ebenfalls weniger bedeutend ist ein enger Takt, durch den sich die Lufthansa auf vielen Strecken auszeichnet und gerade von Low-Cost-Airlines abhebt.
Die Lufthansa muss sich an eine neue Realität anpassen
Sind es nun Management-Fehler, welche die Lufthansa in die aktuelle Situation gebracht haben oder hat sich der Markt schlicht unglücklich entwickelt? Final lässt sich das sicherlich nicht beantworten, aber man muss fairerweise sagen, dass sich der Gesamtkonzern trotz einer ähnlichen Ausgangslage ähnlich entwickelt hat – die anderen Marken waren aber seit jeher etwas weniger stark von Geschäftsreisenden abhängig als die Kernmarke.
Klar scheint allerdings, dass sich die gesamte Lufthansa an die neue Realität anpassen muss. Notwendige Investitionen und ein stärkerer Wandel hin zu den neuen Zielgruppen sind zwingend notwendig und wahrscheinlich, so schmerzlich es auch scheint, müssen auch die Kosten gesenkt werden. Die goldenen Zeiten bei der Lufthansa scheinen vorbei, was wohl für viele schmerzhafte Einschnitte bedeutet.
Ob die Brechstangen-Strategie mit einer neuen Günstigtochter dabei der richtige Weg ist, darf man zwar infragestellen. Etwas muss allerdings passieren, damit die Lufthansa-Kernmarke auch in Zukunft eine starke Rolle innerhalb des Konzerns behalten soll. Ansonsten droht analog zu anderen Firmen wie der Telekom eine stärkere Abwendung vom Kernmarkt.
Wie schon in der Vergangenheit beim Beispiel der Austrian Airlines gilt, dass das Geld wohl dort investiert wird, wo mehr verdient wird. Statt in die Kernmarke und ihre Mitarbeiter zu investieren, könnte die Lufthansa etwa noch stärker auf die starke Swiss oder auch neue Töchter wie ITA und zukünftig potenziell TAP Portugal setzen. Für Passagiere in Deutschland wären das keine guten Nachrichten.