Die Schweizer Tochter der Lufthansa Group setzt in der First Class zukünftig auf ein noch exklusiveres Erlebnis. Doch kann die Strategie mit dem eigenen Appartement über den Wolken wirklich aufgehen?
Die Ankündigung der neuen Swiss Grand Suite kam fraglos ein wenig aus dem Nichts. Das gilt insbesondere, als die Lufthansa, bei der das nahezu identische Produkt bereits im Einsatz ist, Ähnliches nicht anbietet. Wenngleich hinter der “Neuerung” bei Swiss auch viel Marketing steckt, ist das Konzept doch spannend. Doch finden sich auf dem geplanten Preisniveau auch tatsächlich Abnehmer?
Preise von 20.000 Euro und mehr zu erwarten
Per se ist die Rechnung mit Blick auf die Swiss Grand Suite vergleichsweise einfach. Die Swiss spricht von Preisen von etwa dem Dreifachen dessen, was man für ein reguläres First Class Ticket auf den Tisch legen muss. Das erscheint derweil auch logisch, bucht man doch die Mittelsuite genauso wie die Fenstersuite und nimmt somit den theoretischen Platz von drei Passagieren ein.
In Euro umgerechnet heißt das auf der Strecke von Zürich nach Boston, die ab Januar als erste mit dem neuen Swiss Senses-Produkt bedient wird, ziemlich verrückte Preise. Für ein reguläres First Class Ticket auf dem Direktflug werden für den Hin- und Rückflug im Bestfall etwas weniger als 8.000 Euro fällig. Rechnet man diesen Preis mit dem Faktor drei, ergibt sich ein Gesamtpreis von 24.000 Euro für die Swiss Grand Suite.
Bedenkt man nun, dass es auch teurere Flugdaten gibt und natürlich nicht alle Strecken gleich bepreist werden, dürfte sich zumindest auf den Direktflügen eine Spanne von 20.000 bis 40.000 Euro ergeben, sofern die regulären Flugpreise für die First Class einfach mal drei gerechnet werden. Bei Umsteigeverbindungen könnte man preislich möglicherweise noch darunter landen.
Fraglich bleibt allerdings, ob der Aufpreis für die Grand Suite möglicherweise, analog zum Aufpreis für die Alleinnutzung der Mittelsuite, fix ist. Je nach Streckenlänge werden bei Lufthansa Allegris zwischen 1.900 und 2.900 Euro fällig. Denkbar wären für die Grand Suite etwa Aufpreise von 5.000 bis 10.000 Euro.
Vergleichbare Produkte sind anderswo günstiger
Interessant ist das Konzept der Swiss Grand Suite aus verschiedenen Gründen. Einerseits will man mit diesem Konzept auf vielen Strecken ein Erlebnis bieten, das andere Airlines kommerziell gar nicht erst im Angebot haben. Andererseits dürfte man in gewissem Maße auch Privatjets als Konkurrenz sehen, bewegt man sich doch unabhängig von der konkreten Preisgestaltung, zumindest auf mehrere Passagiere gerechnet, durchaus in einem ähnlichen Bereich.
Gleichwohl zeigen andere Beispiele, dass diese Art von Sonderprodukt in der kommerziellen Luftfahrt es nicht gerade leicht hat. Etihad Airways ist dafür das beste Beispiel. So ist die ‘The Residence’ als Super First Class im Airbus A380 sicherlich ein Hit in der Vermarktung, als kommerziell erfolgreich gilt das Produkt allerdings nicht.
Das zeigt sich mehr und mehr auch an der Preisgestaltung. Für die Mehrraumsuite an Bord werden etwa auf der Strecke von London nach Abu Dhabi pro Richtung teilweise Preise von weniger als 2.500 Euro als Aufpreis aufgerufen. Das bedeutet konkret, dass es die Residence auf der kurzen Langstrecke (zusätzlich zum First Class Ticket) für weniger als 5.000 Euro für den Hin- und Rückflug gibt.
Die Swiss First Grand Suite dürfte zumindest dann relevant teurer sein, wenn eine Person sie nutzt. Prinzipiell zeigt sich bei der Recherche: Das Produkt von Swiss dürfte mit Blick auf den Gesamtpreis teurer sein, als alle anderen Produkte auf dem kommerziellen Markt. Singapore Airlines, Air France oder auch Emirates – niemand bewegt sich preislich in den Höhen, die mit Blick auf das Sonderprodukt der Swiss Senses First Class geplant sind.
Komplexe Verkaufsstrategie für mehrere Passagiere
Per se erscheint die Swiss First Grand Suite insbesondere für gemeinsam Reisende interessant. Wer zwei First Class Tickets bucht und einen Aufpreis von ungefähr einem Dritten bezahlt, käme in den Genuss einer attraktiven Kombination. In der Mittelsuite könnte man sich ein komfortables Doppelbett bereiten lassen, in der Fenstersuite könnte man gemeinsam speisen und den Blick auf dem Fenster genießen.
Schwächen, die mir bei meinem Lufthansa Allegris First Class Review, aufgefallen sind – etwa mit Blick auf die laute Lüftung oder auch den etwas begrenzten Stauraum – sollten sich so ebenfalls ausblenden lassen. Doch die Verkaufsstrategie wirkt kompliziert, in dieser Konstellation sogar eher diffus.
So könnten zwei Passagiere mit einem regulären First Class Ticket einfach kostenlos die Fenster- und gegen einen Aufpreis von 1.900 bis 2.900 die Mittelsuite zusätzlich reservieren. Zumindest nach der bekannten Preisgestaltung für die Grand Suite wäre diese Konstellation mit demselben Ergebnis günstiger als die Buchung der Grand Suite.
Entsprechend dürfte sich die Vermarktung gerade in der Zielgruppe, für die das Produkt besonders sinnig erscheint, komplex gestalten. Am Ende ist die Grand Suite ja schlicht die Kombination zweier Sitze, die man auch jetzt schon strategisch so buchen kann, dass man sein eigenes “Appartement” an Bord hat.
Die Grand Suite wird es oft auch ohne Aufpreis geben
Doch wenn man ganz ehrlich ist, fragt man sich ohnehin: Warum sollte man den hohen Aufpreis bezahlen, wenn es doch eine relevante Wahrscheinlichkeit gibt, dass man das Produkt auch so genießen kann? Wer schon einmal in der First Class geflogen ist, weiß, dass man bei freien Sitzplätzen in der Regel auch diese “mitnutzen” kann. So habe ich es schon öfter erlebt, dass das Bett einfachheitshalber auf einem frei gebliebenen Sitz präpariert wird.
Bei zwei Passagieren wird es dann gleichwohl noch interessanter: Geht man davon aus, dass ein Alleinreisender strategisch ohnehin die Suite 1K bucht, da diese mehr Privatsphäre verspricht, landet man automatisch ohne Aufpreis in der Grand Suite, sofern drei First Class Tickets auf einem Flug gebucht werden. Dann bleiben nur noch die andere Fenstersuite und die Mittelsuite, wodurch eben die Grand Suite entsteht.
Doch selbst wenn kein dritter Passagier ein First Class Ticket bucht, darf man sich fragen, ob die Crew an Bord darauf beharrt, dass beide Passagiere in den Fenstersuiten bleiben. Selbst dann, wenn sie eben nicht den Aufpreis für die Mittel- oder Grand Suite bezahlt haben und somit automatisch in den beiden kostenfrei reservierbaren Fenster Suiten gebucht sind.
Entsprechend ist es sogar fast unwahrscheinlich, dass zwei Passagiere nicht ohnehin in der Grand Suite landen. Eben das macht das Produkt zu einem solchen Kuriosum, denn mit ganz wenigen Ausnahmen dürfte es an einem Markt fehlen. Ähnlich wie bei der The Residence von Etihad Airways dürfte entsprechend gelten: Am Ende ist die Swiss First Grand Suite primär eine schöne Sache für das Marketing.