Echte Konkurrenz für die Lufthansa auf besonders lukrativen Routen? Seit der airberlin-Pleite war das kaum mehr denkbar, doch die unglaubliche Transformation der Condor dürfte für den Kranich immer mehr zum Problem werden.

15 Jahre ist es mittlerweile her, dass die Lufthansa ihre letzten Anteile an Condor verkauft hat. Damals war für die Airline wohl noch nicht absehbar, dass gerade auf den besonders rentablen Strecken ein Konkurrent entstehen könnte. Insbesondere die Wirren rund um die Condor in den 2010er-Jahren und die Pleite des Mutterkonzerns Thomas Cook machte nicht unbedingt Hoffnung für die bei Passagieren beliebte Airline. Doch spätestens seit der Übernahme durch den Investor Attestor im Mai 2021 geht es für Condor nur noch bergauf – für die Lufthansa wird das mehr und mehr zur Gefahr.

Moderne Jets statt veralteter Flotte

Wie sehr die Lufthansa sich vor der Geschwindigkeit der Condor-Transformation fürchten muss, zeigt sich vornehmlich bei der Flotte. Während die Lufthansa ihr neues Business Class Produkt Allegris zwar vor mehr als sieben Jahren angekündigt hat, aber noch keinen Jet in der Luft hat, sieht es bei der Condor ganz anders aus. Die Airline hatte vor drei Jahren nahezu ausschließlich Maschinen in der Flotte, die schon ein oder gar zwei Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Besonders die veraltete Langstreckenflotte mit Boeing 767-300ER war kaum mehr konkurrenzfähig, wie ich auch selbst bei meinem Condor Business Class Review erleben durfte.

Noch vor wenigen Jahren war die Condor Flotte antiquiert

Doch was seitdem passiert ist, kann man in Zeiten von verzögerten Flugzeugauslieferungen als wahre Meisterleistung bezeichnen. Innerhalb von nur drei Jahren sind alle alten Langstreckenmaschinen aus der Condor-Flotte verschwunden – mittlerweile fliegen ausschließlich noch brandneue Airbus A330-900neo für die Condor zu den zahlreichen Zielen im Langstreckennetz. Doch damit nicht genug, denn mit dem neuen Jet hat auch ein neues Business Class Produkt Einzug gehalten, das einen direkten Zugang zum Gang von jedem Platz bietet und mit den sogenannten Prime Seats sogar ausgewählte Sitze bietet, die vor wenigen Jahren noch als First Class durchgegangen wären.

An der Business Class zeigt sich die Transformation der Condor besonders

Auf vielen Konkurrenzstrecken lässt sich mittlerweile fraglos sagen, dass die Condor gegenüber der Lufthansa ein signifikant besseres Bordprodukt bietet – nicht nur in der Business Class, sondern auch in den anderen Reiseklassen, in denen ebenfalls neue Sitze Einzug gehalten haben.

Direkte Konkurrenz statt Fokus auf Urlaubsrouten

Während man sich bei der Lufthansa ob der erfolgreichen Transformation sicherlich die Augen reibt, bläst Condor zeitgleich zum Frontalangriff. Gab es noch vor wenigen Jahren nahezu keine Überschneidungen zwischen dem Netz der Lufthansa und der früheren Tochter, sind es mittlerweile zahlreiche Routen. Das liegt zum einen daran, dass die Lufthansa mit der Tochter discover Airlines im Hoheitsgebiet der Condor wildert und zahlreiche Urlaubsrouten aufgenommen hat.

Doch damit nicht genug, denn die Condor hat die Gunst der Stunde ergriffen und sich auch auf traditionellen Lufthansa-Routen ausgebreitet. In direkter Konkurrenz ab Frankfurt fliegt die Condor zur Lufthansa mittlerweile auf den prestigeträchtigen Routen nach New York, Los Angeles und Seattle sowie saisonal auch nach Boston, Minneapolis und San Francisco. Wie sehr die Condor auch auf klassischen Strecken mit Geschäftsreisefokus sieht, zeigt sich auch an der neuen Route nach Miami, die im Mai starten soll. Mittlerweile scheint kaum ein Nordamerika-Ziel der Lufthansa mehr als eine Phalanx, die Condor nicht angreifen könnte.

Condor hebt immer öfter auch zu klassischen Lufthansa-Zielen ab

Zumal man bei der Condor auch in den nächsten Jahren weiter auf Expansionskurs bleiben wird. Neben den bereits 14 Airbus A330-900neo, die bereits zur Langstreckenflotte der Condor gehören, sollen bis 2027 noch mindestens sieben weitere Maschinen hinzukommen. Man darf entsprechend davon ausgehen, dass noch einige weitere Routen dazukommen. Dass Condor etwa zukünftig auch wieder nach Phuket und Bangkok fliegen möchte, zeigt die Ambitionen hervorragend.

Die Lufthansa muss Condor bei der Expansion unterstützen

Als wäre der Expansionsdrang der Condor noch nicht genug, muss die Lufthansa damit leben, den immer größer werdenden Konkurrenten auch noch aktiv zu unterstützen. Durch eine Entscheidung des Bundeskartellamts aus dem September 2022, muss die Lufthansa auch weiterhin Zubringerflüge für die Condor durchführen. Als wäre das nicht genug, hat das Bundeskartellamt der Airline auch die bislang übliche Steuerung der für die Condor zur Verfügung gestellten Buchungsklassen in der bisherigen Form untersagt, sodass die Lufthansa mittlerweile sogar noch mehr Plätze für Condor-Passagiere freigeben muss.

Die Lufthansa muss für die Condor Passagiere nach Frankfurt transportieren

Die Lufthansa wird durch die zeitlich unbefristete Entscheidung gezwungen, auch in den nächsten Jahren ihr Netzwerk für Zubringer, insbesondere nach Frankfurt, aber auch nach München und Düsseldorf, für die Condor zu öffnen. Das ist insbesondere deshalb bitter, weil die Inlands- und Europaflüge in der Regel nicht gerade zu den besonders gewinnträchtigen im Netzwerk der Lufthansa gehören. Sie muss also mit ihren sowieso wenig profitablen Strecken den Konkurrenten gerade in dem Bereich stärken, in dem sie selbst die größten Erträge macht: bei den lukrativen Langstrecken nach Nordamerika.

Zwar könnte das Kartellamt die Entscheidung bei veränderten Marktbedingungen ändern. Genauso ist nicht ausgeschlossen, dass Attestor zukünftig nicht mehr ganz so viel Geld in die Condor investiert, zumal die Anteilsstruktur noch immer nicht final geklärt ist. So hält die staatlich verwaltete SG Luftfahrt GmbH weiterhin 49 Prozent der Anteile an der Condor. Ob und wann Attestor diese wie geplant übernimmt, ist bislang unklar. Noch ist die Zukunft von Condor also nicht final geklärt. Klar scheint aber: Die Lufthansa hat endlich einen echten Konkurrenten, zumindest auf den lukrativen Langstreckenrouten ab Frankfurt.

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