Wie wir bereits in den letzten Tagen berichteten, geht die derzeitig omnipräsente Krisensituation auch an unserem Team nicht spurlos vorbei. Die oftmals sehr kurzfristig umgesetzten Einreisesperrungen, abgesagte Flugstrecken und die starke Verengung der Flugpläne bringen Touristen und Passagiere weltweit in extreme Situationen. Die Mitarbeiter des Kundenservice großer Airlines, Hotels oder Viefliegerprogramme sind weithin überlastet und reagieren teilweise bereits mit eingeschränkten Service-Zeiten oder zusätzlichen Gebührenpflichten.
Eine der wohl wichtigsten Fragen gestrandeter Urlauber, festsitzender Touristen und grundsätzlich Reisender derzeit zielt auf den Versicherungsschutz im Ausland ab. Greift meine Auslandskrankenversicherung auch im Falle einer Pandemie? Wie verhält es sich bei Erkrankungen vor Ort? Welche Rechte habe ich, wenn ich meinen Aufenthalt unfreiwillig verlängern muss? In diesem Artikel möchten wir versuchen, die teilweise doch sehr unübersichtliche Informationslage zur Krankenversicherung im Ausland für Euch zu überblicken.
Nun seid ihr gefragt: Erlebt Ihr selbst gerade eine Ausnahme-Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie, oder möchtet uns und den anderen Reisetopia-Lesern von Euren (geplatzten) Reiseplänen erzählen? Ihr arbeitet im Gesundheitswesen, der Versicherungsbranche oder im Pflegedienst und möchtet Eure Informationen mit uns teilen? Schreibt uns eine Mail oder Facebook-Nachricht mit Euren persönlichen Erfahrungen und Berichten und lest bald Eure eigene Geschichte hier auf reisetopia.de!
Grundlegende Informationen zur Krankenversicherung im Ausland
Wie hinreichend bekannt sein sollte, gilt innerhalb der Bundesrepublik Deutschland eine Versicherungspflicht im Rahmen des Deutschen Sozialversicherungssystems. Neben der Arbeitslosen-, Pflege-, Renten-, und Unfallversicherung ist außerdem eine gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für alle nicht als versicherungsfrei eingestuften Bürger verpflichtend. Die in der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltenen Leistungen variieren teilweise von Anbieter zu Anbieter, ein Blick in die persönlichen Vertragsbestimmungen des jeweiligen Anbieters sollte also erst einmal Klarheit schaffen.
Grundlegend gilt: Auslandsleistungen, also die Gültigkeit des bestehenden Versicherungsschutzes auch über die Landesgrenzen der Bundesrepublik hinaus, ist aufgrund des Territorialprinzips erst einmal nicht gewährleistet. Teilleistungen werden je nach Anbieter möglicherweise übernommen. Im Jahre 2004 wurde der bis dahin für Auslandsfälle gültige Auslandskrankenschein von der European Health Insurance Card (EHIC) abgelöst, die einmalig bei der zuständigen Krankenkasse beantragt wird. Diese befindet sich je nach Versicherer entweder auf der Rückseite der regulären Versicherungskarte, oder wird gegebenenfalls separat an die Teilnehmer*innen versendet. Als medizinisch notwendig eingestufte Leistungen können hierdurch auch während eines Aufenthaltes in denjenigen Auslandsstaaten übernommen werden, die als EU-Mitglieder verzeichnet sind. In solchen Fällen würde die zuständige Krankenkasse des betroffenen Patienten eine Kostenübernahme der notwendigen Leistungen also tragen.
In diesen Staaten greift die Gültigkeit der European Health Insurance Card (EHIC)
Die Gültigkeit der European Health Insurance Card (EHIC) greift in sämtlichen Mitgliedsländern der Europäischen Union (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern). Zudem könne eine Kostenübernahme durch die zuständige Heimatkrankenkasse bei Erkrankungen im Ausland durch den Besitz einer EHIC in folgenden Staaten gewährleistet werden:
- Island
- Liechtenstein
- Mazedonien
- Montenegro
- Norwegen
- Schweiz
- Serbien
Eine abgelaufene EHIC werde durch die zuständige Krankenkasse normalerweise automatisch ersetzt. Zudem existiere für bestimmte Staaten mit einem externen Sozialversicherungsabkommen auch weiterhin die Gültigkeit sogenannter Auslandskrankenscheine. Beispielsweise führt die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) hierzu folgende Nationen auf:
- Bosnien-Herzegowina
- Türkei
- Tunesien
Ein solcher Auslandskrankenschein kann meist sehr bequem über den Online-Auftritt der jeweiligen Krankenkasse angefordert werden. Zudem gilt es zu beachten, dass die Kostenübernahme durch die Heimatkrankenkasse meist nur greift, wenn die entsprechende Krankheit nicht schon vor dem Reiseantritt diagnostiziert wurde. Darüber hinaus sollten Versicherte beachten, dass die entsprechenden Auslandsleistungen durch die Kasse häufig dahingehend begrenzt werden, dass lediglich der Kostenanteil übernommen wird, der auch bei einer Behandlung in Deutschland angefallen wäre.
Wie die zweitgrößte Krankenkasse Deutschlands, die Barmer Ersatzkasse auf der offiziellen Website bestätigt, kann eine Ablehnung der EHIC im Ausland auch aus anderen Gründen erfolgen. Alternativ gibt es für Reisende die Möglichkeit, selbstständig eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung abzuschließen, um im Extremfall abgesichert zu sein. Diese Versicherungen werden sowohl von privaten als auch gesetzlichen Krankenkassen angeboten und unterscheiden sich je nach Anbieter in ihren enthaltenen Leistungen. Eine solche Zusatzversicherung muss in jedem Fall bereits vor dem Reiseantritt abgeschlossen werden und wird von Versicherungen, Gesundheitsämtern und Beratungsstellen uneingeschränkt empfohlen!
Auslandskrankenversicherung im Kontext der Coronakrise
Das Wichtigste mal vorab: Grundsätzlich gilt – wie übrigens in jedem anderen Versicherungsfall auch, – die Details Eurer Auslandskrankenversicherung sind in den Vertragsbedingungen explizit aufgeführt. Da die enthaltenden Leistungen abhängig vom Anbieter sowie der gewählten Versicherung variieren können, ist es dringend notwendig, die eigenen Vertragsbedingungen zu überprüfen und sich nicht auf allgemein formulierten Aussagen im Netz zu verlassen. Derzeit kursieren offenbar ungewöhnlich viele Falschmeldungen zum Thema Krankenversicherung im Ausland – und das auch und vor allem im Internet.
Die besonders relevanten Informationen findet Ihr innerhalb Eurer Vertragsbedingungen unter dem Punkt Ausschlüsse. Hier sollten alle wichtigen Ausnahmen und Härtefälle aufgeführt sein, in denen Eure Versicherung keine Kostenübernahme garantiert. Ganz grundsätzlich übernimmt eine solche Versicherung Krankheitsfälle im Ausland natürlich, sofern dies in den Bedingungen geregelt ist. Allerdings ist die Situation besonders im Zusammenhang mit COVID-19 leider deutlich komplizierter, weswegen es einige teils etwas versteckte Fehlerquellen gibt, die wir im folgenden für Euch auflisten möchten.
Greift meine Auslandskrankenversicherung im Falle einer Pandemie?
Bereits am 11. März 2020 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das sich international ausbreitende Coronavirus mit der Bezeichnung einer Pandemie versehen. Diese Entwicklung kann leider durchaus erhebliche Einschränkungen Eurer Auslandskrankenversicherung mit sich bringen. Einige Anbieter sichern sich in den Ausschlüssen ihrer Vertragsbedingungen für den Extremfall einer Pandemie ab, weswegen Ihr in einem solchen Fall nicht mit einer Kostenübernahme rechnen könnt. Als Beispiel findet Ihr hier einen Auszug der Vertragsbedingungen für die Auslandskrankenversicherung der Cosmos Direkt.
8. Ausschlüsse
8.1 Nicht versichert sind Schäden durch Krieg, Bürgerkrieg und kriegsähnliche Ereignisse sowie durch innere Unruhen, Pandemien, Kernenergie oder sonstige ionisierende Strahlung, Streik und andere Arbeitskampfmaßnahmen, Beschlagnahme und sonstige Eingriffe von hoher Hand.
Findet Ihr einen solchen Ausschluss in Eurer Auslandskrankenversicherung, müsst Ihr Euch also darauf einstellen, dass im Bezug auf die COVID-19-Pandemie keinerlei Leistungen erfolgen werden. Doch auch wenn Eure Versicherung die Bezeichnung der Pandemie nicht explizit in den Bedingungen aufführt, ist die Kostenübernahme noch nicht abschließend gesichert.
Greift meine Auslandskrankenversichung im Falle einer Infektion mit COVID-19?
Ist der Extremfall einer Pandemie nicht wie oben beschrieben ausdrücklich in den Ausschlüssen der Vertragsbedingungen geregelt, übernimmt die Auslandskrankenversicherung die Kosten für medizinisch-ambulante Behandlungen grundsätzlich – auch im Zuge einer Erkrankung mit COVID-19. Sollte eine ambulante Behandlung für den akuten Krankheitsfall nicht ausreichend sein und daher eine medizinische Notwendigkeit für einen stationären Krankenhausaufenthalt bestehen, so sind auch diese Kosten im Ausland grundsätzlich erst einmal versichert.
An dieser Stelle ist es allerdings notwendig, sich das Krankheitsbild einer COVID-19-Infektion vor Augen zu führen. Besonders die anfänglichen Symptome bei herkömmlichen Patienten, die nicht zu einer der Risikogruppen zählen, gleichen dem eines grippalen Infekts – weswegen ein stationärer Klinikaufenthalt erst einmal keine medizinische Notwendigkeit aufweist. Zudem wird ein nicht unwesentlicher Teil der COVID-19-Patienten zur Verminderung der Ansteckungsgefahr auch im Ausland vorsorglich unter Quarantäne gestellt. Dies kann je nach Kapazität und Anordnungen des entsprechenden Gesundheitsamtes entweder in privatem Umfeld oder im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes passieren. In beiden Fällen ist aufgrund des Gesundheitszustandes des Patienten jedoch keine medizinische Notwendigkeit gegeben, womit entsprechende Kosten für Unterkunft und Verpflegung ausdrücklich nicht versichert sind.
Greift meine Versicherung im Falle einer internationalen Reisewarnung?
8.2 Es besteht jedoch Versicherungsschutz, wenn Krieg, Bürgerkrieg, kriegsähnliche Ereignisse oder innere Unruhen für die versicherte Person nicht vorhersehbar waren und sie während der versicherten Reise überraschend davon betroffen wird. Dieser Versicherungsschutz erlischt am Ende des siebten Tages nach Beginn eines dieser Ereignisse. Die Erweiterung gilt nicht bei Aufenthalten in Staaten, auf deren Gebiet zur Zeit der Einreise der versicherten Person bereits Krieg oder Bürgerkrieg herrscht oder für die zum Zeitpunkt der Einreise eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland existiert hat.
An diesem Punkt unserer Erklärungen möchten wir gerne noch einen Blick in die Vertragsbedingungen der Cosmos Direkt werfen. Grundsätzlich wird der Härtefall einer internationalen Reisewarnung von Anbieter zu Anbieter erneut unterschiedlich behandelt, weswegen sich auch hier die Überprüfung der individuellen Vertragsbedingungen anbietet. Im Falle der oben aufgeführten Bedingungen der Cosmos Direkt greift der Versicherungsschutz also grundlegend nicht, wenn zum Abreisedatum bereits eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorlag. Zudem sollte man die Ablauffrist des Versicherungsschutzes und die damit einhergehenden Bedingungen nicht außer Acht lassen: Allzu häufig lässt sich der Versicherungsschutz ausdrücklich nur dann verlängern, wenn sich dem Patienten keinerlei Möglichkeiten zur Rückreise bieten – also sämtliche Flugverbindungen in das Heimatland ausgesetzt werden, beziehungsweise Selbstreise- oder Transportunfähigkeit besteht. Ein Extremfall also, der nur in absoluten Ausnahmesituationen eintritt.
Frequently Asked Questions (FAQs) zum Thema Auslandskrankenversicherungen
Im Folgenden haben wir einige der am häufigsten gestellten Fragen (FAQs) zum Thema Versicherungsschutz im Ausland für Euch zusammengesammelt. Die Antworten entstammen der Q&A-Webseite der Hanse Merkur Versicherungsgruppe und sind daher ausdrücklich nicht allgemeingültig, sondern lediglich als beispielhafte Richtlinien zu verstehen. Für gezielte Nachfragen bezüglich ausgewählter Versicherungsleistungen, Vertragsdetails oder Eure persönliche Situation möchten wir Euch bitten, Euren jeweiligen Versicherungsanbieter direkt zu kontaktieren, und in jedem Fall die individuellen Vertragsbedingungen zu überprüfen. Zudem führen viele der großen Versicherungsanbieter aktuelle Informationen zur COVID-19-Pandemie derzeit auf ihren Webseiten auf.
Hanse Merkur: Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes hat keine Auswirkung auf Ihren Versicherungsschutz. Es besteht keine Verpflichtung für Sie, die Reise vorzeitig abzubrechen. Der vereinbarte Versicherungszeitraum behält seine Gültigkeit.
reisetopia: Die Vertragsbedingungen der Hanse Merkur verzeichnen also explizit keine Ausschlüsse im Falle einer internationalen Reisewarnung durch das Auswärtige Amt. Dies ist jedoch nicht allgemeingültig und je nach Versicherungsanbieter individuell geregelt. Hierzu werft bitte einen Blick in Eure Versicherungsbedingungen bzw. kontaktiert Euren Anbieter direkt.
Hanse Merkur: Wenn Sie bei der HanseMerkur eine Auslandsreise-Krankenversicherung abgeschlossen haben, sind Sie im Ausland umfassend geschützt. Sollten Sie sich während Ihrer Auslandsreise mit dem Coronavirus infizieren, sind die dadurch vor Ort anfallenden medizinisch notwendigen Behandlungskosten grundsätzlich versichert! Dies trifft auch zu, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Coronavirus als Pandemie klassifiziert.
reisetopia: Die Hanse Merkurs führt in ihren Vertragsbedingungen also keinen expliziten Ausschluss für Pandemie-Fälle auf. Dies ist jedoch nicht allgemeingültig und je nach Versicherungsanbieter individuell geregelt. Zudem gibt es Unterscheidungen im Bezug auf die Art und Notwendigkeit der medizinischen Behandlung vor Ort. Hierzu werft bitte einen Blick in Eure Versicherungsbedingungen bzw. kontaktiert Euren Anbieter direkt.
Hanse Merkur: Ja, bitte teilen Sie uns dies schriftlich mit.
reisetopia: Im Falle der Hanse Merkur ist eine Stornierung der Auslandsreisekrankenversicherung möglich, dies ist jedoch nicht für alle Versicherungsanbieter allgemeingültig. Obwohl besonders in der aktuellen Situation viele Anbieter mit Kulanzregelungen auf ihre Kunden eingehen, ist eine individuelle Ablehnung der Stornierung durchaus möglich. Häufig werden Auslandskrankenversicherungen, die für eine spezielle Reise abgeschlossen wurden, derzeit eher storniert als Versicherungen mit einer Gültigkeit für ein ganzes Jahr. Hierzu werft bitte einen Blick in Eure Versicherungsbedingungen bzw. kontaktiert Euren Anbieter direkt.
Fazit zu Krankenversicherung im Ausland in Zeiten von COVID-19
Die globale Ausbreitung der COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen auf Gesundheitssysteme weltweit waren für niemanden absehbar. Aufgrund der sich so dynamisch entwickelnden Situation sitzen Menschen derzeit überall auf der Welt fest, befinden sich in Umfeldern oder Umständen, die niemand hätte vorher sagen können. Pflegepersonal, Mediziner, Politiker, Behörden, Beamte, Verkäufer und viele weitere Berufsgruppen arbeiten derzeit rund um die Uhr, um die Funktionalität des Staatsapparates weiterhin zu gewährleisten. Und auch wir bemühen uns tagtäglich, Euch bestmöglich über relevante Themen und Entwicklungen zu informieren und Euch in komplizierten Situationen zu unterstützen. Wir möchten also auch unsere Leser bitten, in diesen turbulenten Zeiten Verständnis für die Situationen der Anderen zu zeigen. Wenn Ihr Euch also selbstständig über die aktuelle Versicherungslage informieren möchtet: Habt Geduld, wenn die Bearbeitung einzelner Anfragen derzeit mehr Zeit in Anspruch nimmt, als für gewöhnlich üblich. Zusammenhalt ist dieser Tage so wichtig wie noch nie zuvor!
An dieser Stelle ist es uns wichtig, einmal festzuhalten, dass wir ausdrücklich keine Versicherungsmakler sind und unsere Leser mit oben genannten Informationen lediglich aufklären möchte. Zudem geht ein besonderer Dank an den Versicherungsspezialisten Sven Hennig, der uns bei der Recherche für diesen Artikel maßgeblich unterstützte.